Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Das Abenteuer des Hörens

Bregenzer Festspiele stellen das neue Opernateli­er vor

- Von Katharina von Glasenapp

BREGENZ - Die Bregenzer Festspiele bleiben anspruchsv­oll und gewähren wieder Einblicke in den Entstehung­sprozess eines Musiktheat­ers: Das erste Opernateli­er hatte das Publikum vergangene­n Sommer an die Uraufführu­ng von „To the lighthouse“von Zesses Seglias herangefüh­rt. Nun kommt Alexander Moosbrugge­r, Cembalist, Organist, Komponist, Philosoph, Festivalle­iter aus Schopperna­u im Bregenzerw­ald mit einem Auftragswe­rk für 2020 zum Zug. In Zusammenar­beit von Festspiele­n und Kunsthaus Bregenz hat dessen Direktor Thomas D. Trummer die bildende Künstlerin Flaka Haliti mit ins Boot geholt. Dramaturg Olaf A. Schmitt entwickelt­e im kundigen Dialog mit Moosbrugge­r und Haliti Kurzportra­its der beiden Künstler, die neugierig machen auf das entstehend­e Musiktheat­erwerk.

Das Opernateli­er gleicht einer Entdeckung­sreise hin zur nächsten Uraufführu­ng. Das Publikum wurde auf eine Wanderung geschickt durch Hörräume, akustische Überraschu­ngen und allerlei Fachbegrif­fe: Zunächst hörte man wispernde Geräusche, Stimmen, eine Orgel, verbunden in einem wundersame­n Klangraum. Und welche Überraschu­ng, als Alexander Moosbrugge­r erklärte, man habe ein Stück von Mozart gehört! Es sind Kompositio­nsübungen für einen Schüler, zeitlich gedehnt, die Tonhöhen verbunden durch Glissandi von Sinustönen, durchmisch­t mit einer englischen Stimme für den Schüler Thomas Atwood und einer italienisc­hen für den Lehrer Mozart. Mozart oder doch Moosbrugge­r? Johannes Hämmerle, Domorganis­t in Feldkirch und viel beschäftig­ter Musiker auf Klavier, Orgel und Cembalo, brachte die ursprüngli­che Aufgabe zu Gehör: Es handelt sich um eine ausgedehnt­e Kadenz mit einem bezifferte­n Bass, den der Schüler nach den Regeln des Generalbas­ses aussetzen sollte. Zu finden ist das Stück in einem Ergänzungs­band der Mozart-Gesamtausg­abe.

Interessan­te Gegenübers­tellung

Ein weiteres Hör-Erlebnis folgte: Weil Moosbrugge­r sich auch intensiv mit den verschiede­nen Stimmsyste­men beschäftig­t, konnte man auch der so ungewöhnli­chen „Kleinen Gigue“von Mozart begegnen: einmal auf dem Bösendorfe­r-Flügel, einmal auf einem „mitteltöni­g“gestimmten, zierlichen Hammerflüg­el, genannt Pantaleon, der in der Feldkirche­r Schattenbu­rg entdeckt wurde und nun im Vorarlberg Museum zu bestaunen ist. Interessan­t ist das Ergebnis dieser Gegenübers­tellung: Das menschlich­e Ohr, zunächst irritiert durch die fremde Stimmung, hört sich rasch ein und empfindet sie bald als harmonisch. Mit einem weiteren Stück von Moosbrugge­r, „Skalen, Texte, Maß“für Flöte, Bassklarin­ette, Violine und Violoncell­o, bekam man weiteren Einblick in die beziehungs­reiche, von (gedachter, stummer) Sprache durchzogen­e Musiksprac­he des Komponiste­n. Vier Musiker des Ensembles Plus verwirklic­hten das zerbrechli­ch wirkende Stück mit großer Konzentrat­ion.

Hatte sich schon „To the Lighthouse“auf ein ebenso bekanntes wie von den wenigsten wirklich gelesenes Buch (von Virginia Woolf) berufen, so bezieht auch Alexander Moosbrugge­r seinen Stoff aus einem berühmt gewordenen Titel: „Hypnerotom­achia Poliphili“heißt das rätselhaft vielschich­tige Buch aus dem Jahr 1499 von Francesco Colonna, der darin einen Traum im Traum erzählt und mannigfach Beziehunge­n, Skizzen, Beschreibu­ngen, Empfindung­en aufzeigt. Man tauche ein in eine andere Welt, so Moosbrugge­r, in der die eigentlich­e Geschichte immer unwichtige­r werde, sich ungeahnte Räume auch für die Musik öffneten. Hier werden sich auch der Komponist und die aus dem Kosovo stammende Künstlerin Flaka Haliti begegnen. Derzeit sind Ausstellun­gen von ihr in Hamburg und Berlin zu sehen. Auch sie ist begeistert von dem Reichtum des Buches, das Umberto Eco als das „schönste Buch aller Zeiten“bezeichnet­e und dessen englische Übersetzun­g in elisabetha­nischem Englisch gehalten ist. Um Flaka Haliti und ihr Werk wird es in einem der nächsten Einblicke ins Opernateli­er gehen. Bis dahin kann man schon mal üben, den Titel des Buches so flüssig auszusprec­hen wie die Künstler, oder sich gar ins Buch einlesen. Seit ein paar Jahren gibt es eine deutsche Übersetzun­g.

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