Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Abschieben? Oder nicht?
Familie aus dem Kosovo gilt in Leutkirch als bestens integriert.
LEUTKIRCH - An Sympathie, an Fürsprechern und an Solidarität fehlt es einer aus dem Kosovo stammenden Familie in Leutkirch nicht. Plerim Muhaxheri, seine Ehefrau und die Kinder Anita (16), Albert (15) und Fatjon (12) gelten als gut integriert. In der Arbeitswelt, in der Schule, im Sportverein. Doch die Familie muss damit rechnen, in den als sogenanntes „sicheres Herkunftsland“eingestuften Kosovo abgeschoben zu werden. Aktuell hat sich Plerim Muhaxheri deshalb an den Petitionsausschuss des Stuttgarter Landtags gewandt.
Verzweiflung ist aus dem Schreiben zu lesen, das Plerim Muhaxheri zur Erläuterung seines Einspruchs gegen die Abschiebung verfasst hat: „Mit meiner Familie habe ich in Leutkirch wieder eine neue Lebenschance, Hoffnung und ein neues Zuhause nach unserer Flucht gefunden. Nun werde ich vom deutschem Staat dazu aufgefordert beziehungsweise gezwungen, all das aufzugeben und mich und meine Familie in Existenzlosigkeit und Lebensgefahr zu begeben. Bitte helfen Sie uns, ich habe alles versucht.“
Fürstin Martina von Quadt, die sich seit Jahren im Allgäu um das Los von Flüchtlingen kümmert, ist zornig über diesen Fall: „Mir fehlt jedes Verständnis dafür, dass die Familie abgeschoben werden soll. Die Behörden zeigen null Toleranz auf Kosten der Menschlichkeit“, sagt sie am Montag im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Auch Priska Wunden, seit bald 20 Jahren über den Leutkircher Asylkreis mit Flüchtlingsfragen betraut, will diesen und vergleichbare andere Fälle nicht begreifen, sie stellt die Frage in den Raum: „Welchen Sinn macht es, so gut integrierte Menschen, die wir in Deutschland auch benötigen, zurückzuschicken in ihre Heimat, wo sie Fremde sind?“Generell kritisiert sie, wie schon in der Vergangenheit einige Abschiebungen vor Ort verlaufen sind.
Plerim Muhaxheri arbeitet mittlerweile bei der Firma Dethleffs in Isny und wird dort als verlässlicher Mitarbeiter geschätzt. Auch seine Frau, die sich aktuell aber in stationärer Behandlung befindet, hatte schon Arbeit im Lebensmittelsektor gefunden. Die Kinder besuchen die Gemeinschaftsschule. „Ihr gehört zu uns“ist auf einem Flugblatt zu lesen, das dort zur Unterstützung der Online-Petition in den vergangenen Wochen verteilt worden ist. Fast 1400 Zustimmungen dazu gibt es inzwischen, Stand Montagabend. Doch die Sorge der Familie ist groß. So soll nach derzeitiger Planung am Donnerstag dieser Woche wieder eine Sammelabschiebung in den Kosovo vom Baden-Airport aus stattfinden. Mit Familie Muhaxheri?
„Korruption an der Tagesordnung“
Das Allgäu ist dem Familienoberhaupt vertraut, wie der Lebenslauf zeigt, den Plerim Muhaxheri zusammengestellt hat. „Im Jahr 1993 bin ich aus dem Kosovo nach Deutschland geflohen, da mir die damalige Regierung von Jugoslawien keine andere Chance gelassen hat“, schreibt er. Über die Aufnahmestation in Karlsruhe habe er nach kurzer Zeit einen Transfer nach Kißlegg bekommen und danach bis 2000 in der Käserei in Zaisenhofen gearbeitet. Dann kehrte er freiwillig in die alte Heimat zurück, „da ich dort beim Wiederaufbau helfen wollte. Ich wollte mein Heimatland nicht im Stich lassen“. Er gründete eine Familie, hatte ein eigenes Haus und eine Arbeit. Doch die politische Situation in seinem Land habe sich nicht verbessert: „Korruption stand an der Tagesordnung, und ich wünschte mir doch so sehr eine bessere Zukunft für meine Frau und meine drei Kinder.“Laut Muhaxheri hat ein Erpressungsversuch des IS dann den Ausschlag gegeben für die nächste Flucht nach Deutschland.
Erste Station war die Erstaufnahmestelle in Karlsruhe, neun Monate musste die Familie dort verbringen. „Meine Kinder hatten in dieser Zeit keine Möglichkeit, in die Schule zu gehen. Meine Frau arbeitete in dieser Zeit in der Kinderbetreuung als EinEuro-Job. Diese Zeit in Karlsruhe war schrecklich für uns als Familie, wir haben viel Leid miterlebt“, steht in seinem Protokoll. Muhaxheri führt nicht zuletzt auf einen Beitrag des SWR-Fernsehens die Entwicklung zurück, dass ein Transfer nach Leutkirch zustandekam. Beruflich Fuß fasste er als Hausmeister für drei Monate im Tagungshaus Regina Pacis, über die Anstellung in einem Möbelhaus folgte der Arbeitsplatz in Isny Ende 2016.
Parallel dazu aber folgten auch Rückschläge in seinem Asylverfahren. 2016 wurde der Antrag zum ersten Mal abgelehnt. Die Härtefallkommission wurde eingeschaltet mit Empfehlungsschreiben von der Schule, Vereinen, Arbeitskollegen, Arbeitgeber und Bekannten. Doch die Argumente fanden kein Gehör. Der Versuch über den Petitionsausschuss gilt als letzte Hoffnung, doch noch den Verbleib in Deutschland zu erreichen. „Unsere Politik schlägt den falschen Kurs ein, wenn Leute wie Plerim Muhaxheri und seine Familie abgeschoben werden“, sagt Martina von Quadt. „Die Jungs sind bei uns bestens integriert“, bestätigt auch Franz Morent vom FC Leutkirch. Aktuell aber weist die Rechtslage in eine andere Richtung.