Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Zur Verschwieg­enheit verpflicht­et

Über zehn Jahre arbeitete Ulrich Strohmaier aus Stöttwang als Chauffeur für Bankenchef­s

- Von Anja Worschech

STÖTTWANG - Warten – für Ulrich Strohmaier lange Zeit eine entscheide­nde Tugend. Mehr als zehn Jahre war er Chauffeur für verschiede­ne Chefs der Deutschen Bank in Stuttgart. Der heute 66-jährige, der seinen Ruhestand in Stöttwang (Ostallgäu) genießt, ist ein geduldiger und ruhiger Mensch. Eigenschaf­ten, die ihm als Fahrer nutzten, als er noch Kilometer um Kilometer auf der Autobahn zwischen Stuttgart und der Bankenmetr­opole Frankfurt pendelte oder seine Chefs zu wichtigen Terminen nach Luxemburg, Frankreich, Österreich und in die Schweiz kutschiert­e. Heute genießt Strohmaier die Ruhe auf dem Land. Zuhause läuft er leger in Pulli und Hose herum. Der Dresscode während seiner Zeit als Fahrer war da mit Anzug und Krawatte deutlich steifer.

Oberstes Gebot war jedoch die Pünktlichk­eit. „Zu spät zu einem Termin zu kommen, war genauso schlecht, wie eine Viertelstu­nde zu früh dran zu sein. Dann weiß der Chef nicht, was er machen soll.“Stand Strohmaier mal im Stau, trieb ihm das die Schweißper­len auf die Stirn. Als Chauffeur hat Strohmaier drei Banken-Chefs erlebt – von „umgänglich und kameradsch­aftlich“bis zu „von oben herab“sei charakterl­ich alles dabei gewesen.

Was im Auto gesprochen wird, bleibt im Auto

Viel Zeit für Gespräche blieb jedoch nicht. Denn in der Regel saß der Chef mit Bergen von Akten auf der Rückbank und las Zeitung oder führte Telefonate. Daher war eine weitere wichtige Regel auch die Verschwieg­enheit: „Was im Auto gesprochen wird, bleibt im Auto“, sagt Strohmaier. Aber das sei ja bei jeder Firma so.

Für Strohmaier war der Job als Fahrer ein echter Glücksgrif­f. „Ich bin dadurch sehr viel rumgekomme­n, habe viel gesehen und viele gute Lokale besucht.“Davor ist der gelernte Bankkaufma­nn über 20 Jahre Taxi gefahren. „Da weiß man nie, wer einsteigt.“Von total betrunken bis angenehm sei da jede Sorte Mensch dabei gewesen. Hin und wieder kam es auch vor, dass Kunden nicht zahlen wollten. Das konnte ihm während seiner Chauffeurs-Zeit nicht passieren. „Die Bank zahlt immer pünktlich“, lacht Strohmaier. Und das Gehalt sei überdurchs­chnittlich gewesen.

Zu seinem Arbeitsall­tag gehörten aber auch Fahrdienst­e am Abend und an Wochenende­n. In der Regel begann sein Dienst um acht Uhr morgens. „Nach hinten war es offen“, sagt er. 50 bis 100 Überstunde­n pro Monat seien normal gewesen. Bei Terminen stand Strohmaier immer auf Abruf bereit. Es gab auch Tage, da sei er um halb vier Uhr morgens heimgekomm­en und musste um halb acht wieder bereitsteh­en. „Da gewöhnt man sich als Fahrer dran“, sagt Strohmaier. Ruhezeiten wie bei Busund Fernfahrer­n gebe es jedenfalls nicht.

Zeitungen und Romane der Sorte Mord und Totschlag

Musste er sich mal einen ganzen Tag um die Ohren schlagen, weil ein Firmen-Kongress in München stattfand, verbrachte er seine Zeit meist mit Lesen – am liebsten Zeitung oder Romane der Sorte Mord und Totschlag. Ein bis zwei Bücher pro Woche habe er damals gewälzt. Oder er gönnte sich ein kleines Nickerchen. „Das war im Sommer natürlich eher möglich als bei Minusgrade­n im Winter.“

Strohmaier genoss das Fahrgefühl in den „schönen Autos“. Zuerst sei er einen Mercedes 280 gefahren und zuletzt einen Audi A 8. „Man braucht große Wagen, die möglichst ruhig laufen.“Schöne Autos pflegt man gern: Zu seinen Aufgaben gehörte auch das tägliche Saugen und Putzen. Auf diese Weise wurde Strohmaier quasi zum Experten für schlierenf­reie Fenster.

Nicht immer war die Fahrerei jedoch angenehm. „Ich erinnere mich an einen Tag, da hatte es nur Nebel und Regen. Da war ich wirklich froh, zuhause anzukommen.“Die Leidtragen­de war jedoch seine Frau. Sie wartete an manchen Abenden mit dem Essen mehrere Stunden. „Da habe ich mir schon Sorgen gemacht“, sagt sie. Zumal Strohmaier während der Fahrt nie selbst telefonier­en konnte. Jetzt genießen beide die Zweisamkei­t im Allgäu.

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FOTO: MARTINA DIEMAND Privat fährt Ulrich Strohmaier einen Geländewag­en. Ist er mit seiner Frau unterwegs, gibt er das Steuer allerdings gern ab, denn sie ist eine „ängstliche Beifahreri­n“.

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