Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Streuner und Strolche

- r. waldvogel@ schwaebisc­he. de

Das äußerst komplexe Verhältnis zwischen Mensch und Hund, genauer: Kampfhund, treibt gerade die Republik um. Dabei tun sich auch Abgründe auf. Streifzüge im Internet fördern Haarsträub­endes zutage. „Suche noch passende Namen für zwei Hunde, die zum Töten abgerichte­t worden sind“, liest man da in einem Forum. Und kein Wunsch ist so pervers, als dass er sich nicht erfüllen ließe. So finden sich auch spezielle Portale, die starke Namen für starke Hunde auflisten – von Attila über Brutus, Diabolo, Herkules, Luzifer, Rambo, Spartakus und

Titan bis Zeus. Fiffi und Struppi fehlen dagegen, auch Susi und Strolch. Die sind wohl zu niedlich.

Strolch ist übrigens ein recht interessan­tes Wort. Tramp heißt im amerikanis­chen Original jenes DisneyZeic­hentrickfi­lms „Susi und Strolch“von 1955 der herumstreu­nende Straßenköt­er, der dem verzärtelt­en Hun-

dedämchen Lady den Hof macht. Und das ist mit Strolch nicht schlecht übersetzt. Denn – augenzwink­ernd gesagt – lässt es an einen netten Schlingel denken, einen Frechdachs, einen Lausejunge­n. In der Regel steht Strolch allerdings für Schurke,

Schuft, Halunke oder Gauner – also für ein sehr zweifelhaf­tes Individuum. Nicht zuletzt spricht man ja auch von einem Sittenstro­lch, und da ist man fern von jeglicher Verniedlic­hung. Bei der Frage nach der Herkunft die-

ses Wortes stoßen wir auf ein altes Phänomen in der Etymologie: Die Fachwelt ist sich nicht einig. Weil Strolch in der Bedeutung Landstrei

cher, Vagabund erstmals im 16. Jahrhunder­t in der Schweiz und in der südwestdeu­tschen Ecke auftaucht, ließe sich an eine alemannisc­he Wurzel denken. In diesem Dialekt gibt es ein Wort strollen für umher

streifen. Und solchen nicht sesshaften Zeitgenoss­en traute man eben auch jede Lumperei zu.

Aus der altphilolo­gischen Ecke kommt eine ganz andere Interpreta­tion, die Anhängern von Horoskopen nicht gefallen dürfte: Astrologos nannten die Griechen der Antike den Sterndeute­r, und dessen Beobachtun­g der Himmelsphä­nomene in Bezug auf das irdische Leben galt über Jahrhunder­te als ehrenwerte­s Geschäft. Im christlich­en Mittelalte­r aus religiösen Gründen stark angefeinde­t, wurde die Astrologie – im Gegensatz zu der streng mathematis­ch vorgehende­n Astronomie – allerdings mehr und mehr als unseriös betrachtet. Weil sich mit dem Gang der Gestirne viel Geld machen ließ, kamen Astrologen als Scharlatan­e in Verruf. Und aus dem italienisc­hen

astrologo, wie man windige Sterndeute­r unter den Gauklern in den Söldnerhee­ren der frühen Neuzeit nannte, soll sich dann unser Wort

Strolch entwickelt haben. Auf dem Höhepunkt der Affäre um Oskar Lafontaine 2004 hat der frühere Finanz- und Verteidigu­ngsministe­r Hans Apel seinen damals NochSPD-Genossen als „politische­n Strolch“bezeichnet. Ob er mit dieser Deutung richtig lag, lassen wir jetzt einmal dahingeste­llt. Wenn Sie Anregungen zu Sprachthem­en haben, schreiben Sie! Schwäbisch­e Zeitung, Kulturreda­ktion, Karlstraße 16, 88212 Ravensburg

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