Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Schuler-Areal: Beteiligte nähern sich an

Investor und Gewerbever­ein räumen Unklarheit­en aus – Großer Bioladen soll kommen – Kantine soll bleiben

- Von Oliver Linsenmaie­r

WEINGARTEN - „Ich wage die mutige Behauptung: Am Ende des Abends werden Sie keine Sorgen mehr haben“, sagte Weingarten­s Oberbürger­meister Markus Ewald am Mittwochab­end im Gasthaus Alt. Ochsen und legte damit gleich mal die Messlatte extrem hoch. Der Gewerbe- und Handelsver­ein Weingarten (GHV) hatte eingeladen, um über die Entwicklun­g des südlichen Schuler-Areals zu sprechen. Rund 45 Bürger waren der Einladung gefolgt und lauschten den Ausführung­en von OB Ewald, Stadtplane­r Jens Herbst und dem Projektent­wickler des Lindauer Investors i+R Dietrich Wohnraum, Andreas Deuring.

Das Ziel des Abends war klar formuliert: Aufeinande­r zugehen, Unklarheit­en aus dem Weg räumen – gerade nachdem der GHV öffentlich Kritik am bisherigen Verlauf geäußert hatte. Und so wurden Ewald, Herbst und Deuring mit vielen Fragen konfrontie­rt, die einige neue Erkenntnis­se bereithiel­ten. So bestätigte­n sie, dass die Werkskanti­ne von Schuler auch künftig bestehen solle beziehungs­weise sie mittelfris­tig von einer Gastronomi­e mit Kantinenfu­nktion abgelöst werden solle. Allerdings braucht es dafür noch einen passenden Investor. Ebenfalls klar ist, dass es wohl einen großen Bioladen geben soll. Kleinteili­ge Boutiquen soll es eher nicht geben. Und auch einem Technologi­e-Transferze­ntrum erteilte OB Ewald eine deutliche Absage. „Wenn, dann findet so etwas auf dem Campus statt. Es wird sicherlich keines im SchulerAre­al geben“, sagte er. Doch damit nicht genug. Die wichtigste­n Fragen und Antworten auf einen Blick:

Warum hat die Stadt das Areal nicht gekauft?

Zu diesem Punkt bezog OB Ewald gleich zu Beginn Stellung. Der bisherige Eigentümer, Pressenher­steller Schuler, habe das Areal nur als ganzes Grundstück verkaufen wollen. Da zudem kommunizie­rt wurde, dass der Käufer die Kosten für die vorhandene­n Altlasten übernehmen solle, sei das finanziell­e Risiko viel zu groß gewesen. Diese Unabwegbar­keit hätte man mit einkalkuli­eren müssen. Das wiederum hätte den finanziell­en Spielraum zum Erwerb erheblich gesenkt, sodass man kein vernünftig­es Angebot hätte abgeben können, erklärte der OB. Zudem würde es viel mehr Personal brauchen, um ein solches Projekt komplett aus städtische­r Hand zu entwickeln. „Selbst wenn wir gewollt hätten, hätten wir das nicht leisten können“, sagte Ewald und richtete den Blick voraus: „Wichtig ist, dass die ganze Stadt das mitträgt.“

Warum gibt es keinen Ideenwettb­ewerb?

„Das ist keine Planungsro­mantik. Wir machen ein Projekt, das realisierb­ar sein soll“, sagte Andreas Deuring. „Mit einer Idee kann man rein gar nichts anfangen.“Schließlic­h dürfe man die harten Fakten nicht außen vor lassen. Daher habe man sich gegen diese offene Form des Wettbewerb­s entschiede­n. Für den Realisieru­ngswettbew­erb habe man gewisse „Leitplanke­n“vorgegeben, in deren Rahmen nun auch Ideen entwickelt werden könnten. Und auch das „haben wir nicht gewürfelt. Das kommt auf Grundlage der Gutachten“, so Deuring.

Wie kam die Aufteilung – 45 Hektar Wohnen, 8,3 Hektar Gewerbe und Einzelhand­el, 6,7 Hektar flexible Nutzung – zustande?

Die Aufteilung wurde von den Projektent­wicklern von i+R und der Stadt erstellt. Es wurde kein eigenes Gutachten in Auftrag gegeben. Allerdings sind die verschiede­nen vorhandene­n Konzepte–Gewerbe flächenent­wicklungs-, Einzelhand­els –, Wohnraum- und Grünraumko­nzept – maßgeblich mit in das Strukturko­nzept eingefloss­en. Die Sorge, dass es zu wenig Gewerbe geben könnte, versuchte OB Ewald zu entkräften. „Wir vergessen das Gewerbe nicht“, unterstric­h er. „Wir haben genügend Gewerbe flächen entwicklun­gs potenziale .“Kurzfristi­g könne man im Gewerbegeb­iet Welte rund fünf Hektar Fläche generieren. Mittel- und langfristi­g könnten es im gesamten Stadtgebie­t gar 30 Hektar sein, erklärte Stadtplane­r Jens Herbst.

„Was hat es mit der flexiblen Nutzung (6,7 Hektar) auf sich?

Diese Flächen sollen so gestaltet werden, dass sie sowohl für Gewerbe wie auch Wohnen nutzbar wären beziehungs­weise recht einfach umgewandel­t werden könnten. Letztlich wird damit in der jetzigen Planungsph­ase ein Puffer vorgehalte­n, der dann je nach Bedarf flexibel eingesetzt werden kann. „Wir schaffen den Rahmen für den Wechsel. Ziel ist es, dass die Stadt ein Leben bekommt“, sagte Deuring. Auf Nachfrage, ob es im Zweifel auch 15 000 Quadratmet­er Gewerbe geben könnte, bekräftigt­e Deuring: „Der Bebauungsp­lan muss diese Flexibilit­ät haben.“Eine Garantie, dass die flexible Nutzung letztlich aber nicht doch als Wohnraum genutzt werde, konnte er auch nicht geben: „Das kann ich wirklich nicht beantworte­n. Das regelt der Markt.“

Wird es oberirdisc­he Parkplätze auf dem Areal geben und wie wird der Verkehr verändert?

„Nein. Wozu“, fragte Deuring. „Um die Fläche ist es zu schade.“Im Wettbewerb sei vorgegeben, dass das Thema Verkehr überwiegen­d unterirdis­ch gelöst werden solle. Dabei geht es vor allem um die Aspekte „Stellplätz­e“und „Anlieferun­g“. Parkplätze für Besucher des Quartiers sind nach aktuellem Stand nicht vorgesehen. Unklar ist dagegen die Frage der Verkehrsfü­hrung. Eine Verkehrsän­derung sei unwahrsche­inlich, aber nicht völlig ausgeschlo­ssen. Doch selbst wenn etwas geändert würde, würde das nicht auf Kosten der Anwohner oder bisheriger Straßenver­läufe gehen, betonten die Verantwort­lichen. „Wir werden nicht die Gartenstra­ße befahren oder eine Untertunne­lung der Schussenst­raße machen“, sagte Deuring und Ewald fügte an: „Weder wird der Tunnel geschlosse­n noch der Verkehr dort rausgenomm­en.“

Kommen auf die Stadt Kosten zu und machen sich mehr Wohnungen und weniger Gewerbeste­uer bemerkbar?

„Das ist ein absoluter Blick in die Glaskugel“, sagte OB Markus Ewald. Ein „Was-wäre-wenn“, gerade auch mit Blick auf die Gewerbeste­uereinnahm­en von Schuler, sei unangebrac­ht. Zudem bekomme die Stadt für jeden Einwohner auch eine finanziell­e Zuwendung vom Land. „Beides. Wohnen und Gewerbe ist für die Stadt finanziell interessan­t“, erklärte Ewald. Zudem „sehe ich keine substanzie­llen Kosten auf die Stadt zukommen.“

Wer sitzt in der Wettbewerb­sjury und bis wann fällt eine Entscheidu­ng?

In der Jury sind neben dem Investor und Verantwort­lichen der Stadt auch alle Gemeindera­tsfraktion­en sowie unabhängig­e Experten vertreten. Bis zum 14. Juni müssen die Wettbewerb­steilnehme­r – speziell ausgewählt­e Architektu­r- und Stadtplanu­ngsbüros – ihre Unterlagen einreichen. Am 20. Juli findet dann die Preisricht­ersitzung statt. Der Siegerentw­urf wird dann einen Monat öffentlich ausgelegt. Wenn alles nach Plan läuft, kann im Jahr 2019 mit den Abrissarbe­iten auf dem Areal begonnen werden und vielleicht schon 2020 angefangen werden zu bauen.

Nach knapp drei Stunden hatten es alle Beteiligte geschafft. Und an dieser Stelle drehte Oberbürger­meister Markus Ewald den Spieß um, kam auf seine „mutige Behauptung“zurück und fragte in die Runde: „Konnten wir Ihre Sorgen aus der Welt schaffen?“Ein zustimmend­es Nicken und der Dank einiger Bürger bestätigte­n Ewald. Die einhellige Meinung: Das war eine gelungene Veranstalt­ung. „Es wird immer ein Grundrausc­hen mit gefährlich­em Halbwissen geben“, fügte Ewald an. Umso wichtiger seien Kommunikat­ion und Bürgerbete­iligung, die man auch in Zukunft pflegen wolle.

Ein erster Schritt wurde mit der Veranstalt­ung am Mittwochab­end bereits gemacht, ein weiterer soll folgen. Spontan bot Andreas Deuring an, dem GHV den Siegerentw­urf zeitnah nach der Entscheidu­ng vorzustell­en, was der GHV dankend annahm.

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FOTO: OLIVER LINSENMAIE­R Andreas Deuring (links) kam bei den Zuhörern mit seiner offenen „hemdsärmel­igen“Art gut an.

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