Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Merkel muss beherzter werden

- Von Sabine Lennartz

Der eine drängt nach vorn, die andere wägt ab. Eigentlich könnten Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanz­lerin Angela Merkel ein ideales Team bilden, um Europa voranzubri­ngen. Mit Mut und Umsicht gleicherma­ßen. Eigentlich. Doch die beiden sind nicht allein. Die Deutschen fühlen sich als Zahlmeiste­r der EU, der Rest Europas fürchtet dagegen, dass die EU von Deutschlan­d regiert wird. Diesen Ängsten müssen die beiden Rechnung tragen.

Eine Pressekonf­erenz, die vor den Gesprächen statt nachher abgehalten wurde, zeigte bereits: Derzeit ist an eine Einigung nicht zu denken. Beide haben Probleme zu Hause. Manchmal scheint es, dass Angela Merkel mit ihrer Europapoli­tik mehr Freunde bei den Grünen als in ihrer eigenen Partei hat. Die CSU, die im Oktober Landtagswa­hlen bestehen muss, ist von der Angst erfüllt, Deutschlan­d könne zu viel Geld oder Kompetenze­n an die EU abgeben. Dass dies bisher immer gut angelegt war, sagt sie nicht.

Es gibt seit Jahren Witze darüber, dass ein Europa mit englischen Köchen, deutschen Polizisten und französisc­hen Ingenieure­n die Hölle wäre. Die englischen Köche haben sich wohl erledigt, aber heute fürchten die Deutschen am meisten einen europäisch­en Finanzmini­ster, ganz gleich aus welchem Land er kommt. Diesen Ängsten muss Merkel Rechnung tragen. Das bremst sie aus.

Gemeinsam ist Merkel und Macron aber, dass sie nicht so schnell aufgeben. Am Ende aber könnte nicht die große Vision Realität werden, sondern weitere kleine, mühsam errungene Schritte für mehr europäisch­e Gemeinsamk­eit. „Das war doch immer so“, sagen die Befürworte­r des Schneckent­empos. „Bis dahin kann der Laden aber auch gänzlich auseinande­rfliegen“, ist die Angst der Erneuerer. Die Hoffnungen aber schwinden. Nur wenn Macron etwas bedächtige­r und Merkel etwas beherzter wird, könnte eine Reform, die den Namen verdient, vielleicht noch gelingen.

s.lennartz@schwaebisc­he.de

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