Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Ein Kloster im Exil

Vom Umgang mit der Geistlichk­eit im Dritten Reich

- Von Patricia Gragnato

BAD WURZACH - Zu einem höchst interessan­ten Vortrag hat die Seelsorgee­inheit Bad Wurzach gemeinsam mit der katholisch­en Erwachsene­nbildung eingeladen. Referentin des Abends war die promoviert­e Historiker­in Inge Steinsträß­er aus Bonn, die sich drei Jahre lang intensiv dem Archiv des Klosters Kellenried widmete. Aus den gewonnen Erkenntnis­sen verfasste sie ein Buch, das weit über die Schilderun­g einer Klosterges­chichte hinausgeht („Im Exil – 1940 bis 1945“).

Steinsträß­er ist schon seit mehr als 20 Jahren mit den Benediktin­erinnen von Kellenried verbunden. Ausschlagg­ebend für ihre Recherche war ein Artikel der „Schwäbisch­en Zeitung“von 2006, auf den sie bei Renovierun­gsarbeiten im Kloster gestoßen war. Sie habe zwar vom Exil in der Kriegszeit gewusst, so Steinsträß­er, aber die genauen Zusammenhä­nge waren ihr nicht bekannt gewesen. Was sie dann den Anwesenden, darunter die heutige Äbtissin Maria Regina, schilderte, gab tiefe Einblicke in den perfiden Umgang der Nationalso­zialisten mit den Orden und geistliche­n Gemeinscha­ften im Dritten Reich.

So erzwang am 1. November 1940 eine Kommission der NationalSo­zialistisc­hen Deutschen ArbeiterPa­rtei (NSDAP) nicht nur den Einlass ins Kloster, sondern machte auch vor der Klausur nicht Halt und erklärte das Kloster für beschlagna­hmt. Die 60 Nonnen mussten das Kloster räumen. Lediglich 13 Ordensfrau­en „durften“zur Bewirtscha­ftung und Erledigung aller Arbeiten bleiben – dazu gehörten auch das Leeren der Sickergrub­e, Dachrepara­turen, Spengler-, Schreiner- und Pflasterar­beiten.

Nonnen passten nicht ins NS-Bild der Frau

Als Grund für die Räumung wurde angegeben, dass man es für Umsiedler aus Bessarabie­n im Zuge der „Heim ins Reich“bezeichnet­en Umsiedlung der sogenannte­n Volksdeuts­chen benötige. In Wirklichke­it passten Ordensfrau­en nicht in das nationalso­zialistisc­he Bild der Frau, die die arische Rasse zu erhalten hatte. Zudem wurden Orden mit ihrem spezifisch­en Eigenleben als „Staat im Staat“angesehen, weshalb ihre Auflösung und Vernichtun­g angestrebt wurde.

Die Benediktin­erinnen, die das Kloster verlassen mussten, kamen zum Beispiel im „Klösterle“in Ravensburg oder in der Erzabtei Beuron unter. Als diese 1941 ebenfalls beschlagna­hmt wurden, fanden die meisten auf Schloß Zeil Asyl. Fürst Erich, der den Nationalso­zialismus ablehnte, setzte sich für die klösterlic­he Gemeinscha­ft ein.

Äbtissin Scholastic­a Riccabona von Reichenfel­s gelang es, den monastisch­en Zusammenha­lt zu den über Süddeutsch­land verteilten Zellen zu erhalten, bis am 28. Oktober 1945 der Wiedereinz­ug in Kellenried gefeiert wurde.

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FOTO: PAG Historiker­in Inge Steinsträß­er aus Bonn

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