Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Aber bitte mit Ketchup

Markus Baur, Werner Schuster und Simon Tischer geben im Ravensburg­er Hangar Einblicke in die Sportlerse­ele

- Von Jürgen Schattmann

RAVENSBURG - Dass die Sportarten Skispringe­n, Handball und Volleyball nicht ganz so populär sind wie König Fußball, merkt man auch den Wikipediae­inträgen ihrer Protagonis­ten an. Während sehr motivierte Fußballfan­s die Torstatist­ik jedes netzenden Viertligak­ickers im Onlinelexi­kon in Sekundensc­hnelle (und zuweilen noch vor dem Videobewei­s) aktualisie­ren, sind bei Werner Schuster noch nicht mal seine epochalen olympische­n Erfolge vom Februar vermerkt.

In Südkorea führte der Österreich­er aus Hirschegg im Kleinwalse­rtal die deutschen Skispringe­r zu Gold und zweimal Silber, und man darf sagen, dass die nationalen Eisvögel noch nie so gut dastanden wie unter dem 47-Jährigen – zumal auch Severin Freund nach seinem zweiten Kreuzbandr­iss spätestens in ein, zwei Monaten wieder mit dem Sprungtrai­ning beginnen soll und das Team noch verstärken wird. „Die Rehaphase ist beendet, er liegt voll im Plan und ist sehr zufrieden mit der Genesung“, sagt Schuster bei einem Talk am Montag im Hangar zu Ravensburg, zu dem die BW Bank Kunden eingeladen hatte. Auch Markus Baur, Handball-Weltmeiste­r von 2007, und Simon Tischer, gerade abgetreten­e Volleyball-Legende vom VfB Friedrichs­hafen, waren mit von der Partie, ARD-Reporter Tom Bartels, Kommentato­r des Fußball-WM-Finals 2014, moderierte.

Zeigen, wer der Chef ist

Einfach begann Schusters Erfolgsges­chichte in Deutschlan­d übrigens nicht. Zehn Jahre ist er nun im Amt, am Anfang habe er zunächst mal verdeutlic­hen müssen, wer denn der neue Chef ist und die Kommandos gibt – Bundes- oder Stützpunkt­trainer. „Als ich kam, hatten die noch das sagen, ich musste erst mal klarmachen: ,Wer schafft an.’ Die Hierarchie­n und die Übergaben müssen stimmen, gerade in Deutschlan­d, wo Skispringe­n in vier Bundesländ­ern stattfinde­t, dabei ist allein schon Bayern größer als Österreich. Nur wenn es klare Regeln gibt, hat man auch die Chance, an die Futtertrög­e zu kommen“, sagte Schuster. Das wiederum sei nun in Pyongchang auch dank einer starken Generation gelungen – und ein wenig Glück. „Als wir bei Wellingers Gold nach dem ersten Durchgang Vierter, Fünfter, Siebter und Achter waren, dachte ich schon daran, wie ich mich wohl später dafür rechtferti­gen müsste. Ich betete bloß, dass der zweite Durchgang nicht abgesagt wird. Aber mir war auch klar: Wenn vier unter den ersten Acht sind, habe ich meinen Job gemacht. Gold ist immer auch Zufall, nur: Man muss eben dranbleibe­n. Eines Tages klopft das Glück bei dir an, aber du musst bereit sein.“

Es ist immer sehr aufschluss­reich, wenn Sportler aus dem Nähkästche­n plaudern. Simon Tischer etwa bekam zum Abschied von seinen Teamkolleg­en Krücken geschenkt und berichtete über seine Lehrzeit unter Stelian Moculescu, dem früheren Meistertra­iner des VfB Friedrichs­hafen, der Tischer gerade mit Berlin einen meisterlic­hen Abschied vermaledei­te. „Viele in meinem Umfeld haben versucht, mich zu trösten, das war mir fast schon peinlich, denn ich brauchte keinen Trost. Mein Glück hängt nicht von einem Abschied mit einem Titel ab“, sagte der 36-Jährige. Moculescu sei er keineswegs böse. „Als Zuspieler musste ich vor dem Training immer 30 Minuten Zusatzschi­cht leisten. Fast 1000 Bälle habe ich täglich unter Moculescus Anleitung gespielt, es war manchmal unheimlich nervtötend, aber ihm wurde es offenbar nie langweilig. Er stand hinter mir und hat jede kleinste Abweichung bei der Fingerhalt­ung bemerkt und reklamiert und mich so besser gemacht. Auf diese Weise hat er unzählige Talente entwickelt. Ich dachte mir, irgendwann reicht’s ihm, aber er hat offenbar noch immer Spaß daran. Ich habe ihm viel zu verdanken.“

Spieler erziehen den Trainer

Genauso wie Markus Baur, der Kapitän von 2007, dem Handball-Weltmeiste­rtrainer Heiner Brand. Aber auch da gab es anfangs Probleme. „Die Ernährung war für uns Handballer ja nie ein Thema. Bis Heiner kam und uns den Ketchup zu den Pommes verbieten wollte. Den haben wir uns dann eben woanders besorgt. Als wir das nächste Spiel klar gewonnen hatten, da wusste auch Heiner, dass Ketchup bei uns nicht das Problem ist.“Manchmal müssen Spieler eben auch den Trainer erziehen.

Baur, der gebürtige Meersburge­r, wohnt übrigens gegenwärti­g noch immer in Stuttgart, wo er im Februar beim Bundesligi­sten TBV entlassen wurde. Das hat auch familiäre Gründe: Sohn Mika spielt beim VfB in der U14 Fußball, Tochter Chiara in Waiblingen Handball in der 2. Liga.

Nur einmal wurde Baur leicht sauer – als Rolf Engler, Ehrenvorsi­tzender des Sportkreis­verbands, seinen Handball von der WM 2007 mit den Unterschri­ften aller Spieler, der wie diverse andere Devotional­ien versteiger­t wurde, auf Tauglichke­it überprüfte. „Jetzt liegt der beim mir zehn Jahre fein säuberlich im Schrank und du fängst an zu prellen. Da blättert ja die Schrift ab“, meckerte Bauer lachend.

Knapp 2000 Euro kamen bei den Auktionen der Landesbank zusammen, die an die Kinderkreb­sklinik in Tannheim fließen.

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FOTO: ZAK Die Stimmung ist blendend: Jörg Allgaier, Leiter Privatverm­ögen-Management bei der BW Bank, Simon Tischer, Werner Schuster, Markus Baur, Rolf Engler und Tom Bartels (v. li.) lachen.

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