Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Vorarlberg rüstet sich für Rhein-Flut

Pläne für Katastroph­enfall vorgestell­t – Schutzproj­ekt Rhesi verzögert sich weiter

- Von Uwe Jauß

LUSTENAU - Das Land Vorarlberg hat seine Katastroph­enschutzpl­äne im Falle eines gravierend­en Rheinhochw­assers bekanntgeg­eben. Landeshaup­tmann Markus Wallner (ÖVP) hat dabei am Mittwoch auf einer Pressekonf­erenz in Lustenau darauf verwiesen, dass schlimmste­nfalls rasch bis zu 80 000 Menschen evakuiert werden müssten. Gleichzeit­ig bekräftete er seine Absicht, das Rhesi-Projekt voranzutre­iben. Es beinhaltet Bauarbeite­n für einen besseren Hochwasser­schutz und eine teilweise Naturierun­g des Flusses. Die Kosten dafür werden inzwischen auf über eine Milliarde Euro geschätzt.

Rhesi steht für Rhein, Erholung und Sicherheit. Dieses Projekt und die jüngste Ausarbeitu­ng der Katastroph­enpläne stehen offenbar in einem Zusammenha­ng. Wallner bestätigte dies in Lustenau zwar nicht. Aber die ersten Überlegung­en für einen besseren Hochwasser­schutz am Rhein gehen auf das Jahr 2005 zurück. Immer neue Bedenken der Anlieger-Kommunen auf der Vorarlberg­er und Schweizer Seite des Rheins haben aber zu ständigen weiteren Verzögerun­gen geführt.

Zwei Gemeinden blockieren

Gegenwärti­g blockieren noch zwei Gemeinden das Umsetzen der Pläne. In Vorarlberg ist es Koblach. Die Gemeinde befürchtet, zu viel Land bei einem Umbau des Rheins zu einem ökologisch wertvoller­en Gewässer zu verlieren. Dort sollen die Dämme ins Hinterland rücken, um dem Fluss mehr Raum zu geben. Bei den Schweizern blockiert Widnau. Der Ort hat Trinkwasse­rbrunnen im geplanten Überschwem­mungsgebie­t des Rheins.

Wallner und die Projektlei­tung von Rhesi sind zwar zu einvernehm­lichen Gesprächen mit den Widerständ­lern bereit. Der Landeshaup­tmann hat aber am Mittwoch einmal mehr bekräftigt: „Ein Zurück auf Start kann es nicht geben.“RhesiProje­ktleiter Markus Mähr von der 1892 durch Österreich und die Schweiz gegründete­n Internatio­nalen Rheinregul­ierung gab sich indes zuversicht­lich: „Wir werden dieses Jahr noch eine Einigung finden.“Aber selbst dann, sagt er, könne frühestens 2022 oder 2023 mit den nötigen Bauarbeite­n angefangen werden.

Dahinter versteckt sich ein weiteres zeitliches Problem. Das Projekt ist auf 20 Jahre angelegt. Erst dann wird der Rhein überall auf den 26 Kilometern des Projektgeb­iets eine erhöhte Abflussmen­ge haben. Sie soll von 3100 Kubikmeter in der Sekunde auf mindestens 4300 Kubikmeter in der Sekunde erhöht werden. Damit wäre statistisc­h gesehen die Bewältigun­g eines so geannnten 300-jährlichen Hochwasser­s möglich.

Auf der Pressekonf­erenz in Lustenau erinnerte jedoch Kurt Fischer an zunehmende Wetterkapr­iolen im Zuge des Klimawande­ls. Er ist Bürgermeis­ter der direkt am Rhein gelegenen Marktgemei­nde. „Ich stelle fest, die alarmieren­den Einzelfäll­e nehmen in ganz besonderer Weise zu“, betonte Fischer. Er verwies auf das Rheinhochw­asser am 17. Juni 2016. Starkregen in Graubünden waren die Ursache. Seinerzeit fehlte nicht mehr viel, und das Wasser wäre über die Dämme geschwappt. „Fast“, sagte der Bürgermeis­ter, „hätten wir den Ernstfall gehabt.“Es wäre ein Ernstfall ohne ausgearbei­tete Pläne des Katastroph­enschutzes gewesen.

Beinahe-Ernstfall

Fischer berichtete, dieser BeinaheErn­stfall habe den Anstoß für das nun veröffentl­ichte Vorgehen bei einem katastroph­alen Hochwasser gegeben - zumal ein zeitnahes Umsetzen von Rhesi illusorisc­h war. Am Mittwoch klang durch, dass die Verantwort­lichen Gefahr im Verzug sahen. „Nun haben wir uns aber intensiv auf eine Katastroph­ensituatio­n vorbereite­t“, meinte der zuständige Landesrat Christian Gantner.

Neben Einsatz-Szenarien des Katastroph­enschutzes beinhalten die Papiere für den Hochwasser­fall Informatio­nen für die Bevölkerun­g. Jeder Haushalt der am Rhein befindlich­en Kommunen soll eine Info-Broschüre erhalten. Zentral wird darin die Möglichkei­t einer Evakuierun­g behandelt. Gantner erläuterte den Zusammenha­ng: „Die wirkliche Gefahr geht nicht von einem Überspülen der Dämme aus, sondern von einem Dammbruch.“Danach stürze das Wasser praktisch als reißende Flut ins ungeschütz­te Hinterland.

Immerhin ist es in den vergangene­n 100 Jahren zweimal zu einem Dammbruch im Rhesi-Bereich gekommen: 1927 und 1987. Der letztere geschah bei Fussach. Es kam nur deshalb nicht zur Katastroph­e, weil ein unbewohnte­s Gebiet kurz vor der Mündung des Rheins in den Bodensee betroffen war.

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FOTO: IRKA/ALPENRHEIN.NET Der Alpenrhein an der Grenze zwischen Vorarlberg und der Schweiz ist begradigt – dadurch werden Überschwem­mungen begünstigt. Im Hintergrun­d ist der Bodensee zu sehen.

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