Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Cherif Camara soll bleiben
Arbeitgeber und Freunde kämpfen um das Bleiberecht des 34-jährigen Gambiers
Bad Wurzacher Unternehmen Weizenegger ruft Härtefallkommission an.
BAD WURZACH - Das Holzbauunternehmen Weizenegger aus Bad Wurzach ruft die Härtefallkommission des Landes Baden-Württemberg an. Es möchte damit erreichen, dass sein Angestellter Cherif Camara trotz abgelehnten Asylantrags in Deutschland bleiben darf.
„Wir haben Cherif Camara seit Mai 2017 beschäftigt, er hat mittlerweile einen unbefristeten Arbeitsvertrag erhalten“, erzählt Isabella Butscher von der Firma Weizenegger. „Die Härtefallregelung beantragen wir, weil uns sehr daran gelegen ist, dass wir ihn behalten können.“Derzeit arbeitet der 34-jährige Gambier als Hilfskraft in dem Unternehmen. Doch das hat weiterführende Pläne mit ihm: „Wir möchten Cherif als Lagerist aus- oder fortbilden, er soll dazu auch den Gabelstaplerführerschein machen.“Die Firma finanziert für Cherif Camara und andere bei ihr beschäftigten Immigranten seit mehreren Monaten auch einen Sprachkurs. „Denn wir wollen natürlich, dass sie deutsch sprechen können und dies vor allem auch mit bauspezifischen Ausdrücken.“
„Wir sind der Firma Weizenegger sehr dankbar, dass sie diesen Schritt geht“, sagt Peter Sellmayr, Vereinsvorsitzender von Treffpunkt Asyl in Bad Wurzach, und spricht von einer „Win-win-Situation“für die Firma und den Flüchtling. Sellmayr und seine Stellvertreterin Murielle Willburger schildern Cherif Camara als einen aus eigenem Antrieb heraus vorbildlich integrierten Flüchtling. So habe der 34-Jährige zunächst einen Deutschkurs des Vereins besucht und sich dann, als der Kurs nicht mehr stattfinden konnte, selbst weitergebildet. „Er hat in Gambia nur die Koranschule besucht, kann aber mittlerweile gut Deutsch und auch lesen und schreiben“, berichtet Murielle Willburger.
Noch viel wichtiger: Bereits kurz nach seiner Unterbringung in den Wohncontainern an der Leutkircher Straße habe sich der Gambier Arbeit gesucht und sie gefunden. Im Mai 2017 wechselte er zu Holzbau Weizenegger. „Seit er in Bad Wurzach ist, sorgt er fast durchgehend für sich selbst“, unterstreicht Sellmayr. „Ich will was leisten, ich will zeigen, dass ich arbeiten kann, ich will niemandem zur Last fallen“, sagt Cherif Camara selbst. Freunde und Unterstützer habe er hier in Bad Wurzach gefunden, „sie machen so viel für mich“, erzählt er dankbar. „Cherif hat aber auch immer den Willen gezeigt, ein vollwertiges Mitglied unserer Gesellschaft zu werden“, betont Sellmayr, wohlwissend , dass dem nicht immer so ist. Der Vereinsvorsitzende zeichnet den steinigen Weg des 34jährigen Gambiers in Deutschland kurz nach. Geflüchtet aus Angst um Leib und Leben kam er demnach im September 2014 in Karlsruhe an, ab Oktober 2015 wurde er in Bad Wurzach untergebracht: „in einer Containeranlage, zu dritt in einem sieben Quadratmeter großen Zimmer, wo es keine Rückzugsmöglichkeit, keine Intimsphäre gibt.“Sprach- oder Integrationskurs gab es für Cherif Camara nicht, weil er als Gambier von Beginn an keine Bleibeperspektive hatte.
Einer, der Brücken baut
Doch der heute 34-Jährige hat sich nicht unterkriegen lassen: „Nur sitzen, schlafen und Geld vom Staat, das fand ich schlecht.“Er fand Arbeit und leistete sich von dem verdienten Geld eine eigene Wohnung. „Als ich dort das erste Mal hinkam, raubte es mir den Atem. Die Wohnung war seit Jahren unbewohnt, verdreckt, vermüllt, es stank bestialisch“, erinnert sich Murielle Willburger. „Doch Cherif freute sich sehr darüber und hat mit einigen Helfer in wenigen Tagen ein richtig schönes Zuhause daraus gemacht.“Mittlerweile hat der Gambier auch den deutschen Führerschein gemacht, in seinem Heimatland arbeitete er bereits als Busfahrer und Chauffeur.
„Cherif bringt sich auch bei uns ein“, erzählt Peter Sellmayr. „Er ist einer, der Brücken baut. Er hilft uns beim Kulturcafé und anderen Veranstaltungen. Und er besucht auch Schulklassen, gibt dort Trommelkurse und erzählt von seinem Schicksal. Das ist eine sehr noble Geste, denn es reißt jedes Mal alte Wunden wieder auf.“Doch beim Asylantrag zählte dies alles nicht. 2014 gestellt, wurde sein Antrag Mitte 2017 abgelehnt. Die Klage dagegen läuft. Derzeit hat Cherif Camara nur eine Duldung. „Er könnte täglich abgeschoben werden“, so Sellmayr. Noch schwerer wiegt, dass der Gambier nun einen Pass benötigt, um weiter arbeiten zu dürfen. Einen Pass hat er aber nicht, bekommt laut Sellmayr auch keinen von der gambischen Botschaft.
So steuert alles auf eine Situation zu, in der, so Sellmayr, alle verlieren werden: „Der Asylbewerber sowieso. Aber auch der Arbeitgeber, der half, das ,Wir schaffen das’ zu verwirklichen, und nun befürchten muss, eine fest eingeplante Arbeitskraft von heute auf morgen zu verlieren. Und schließlich auch wir Steuerzahler, weil man Cherif ins staatliche finanzierte soziale Netz abdrängt.“
Auch Isabella Butscher ist angesichts dieser Aussicht besorgt. „Cherif hat sich hervorragend in unser Team eingefügt. Er ist fleißig, zuvorkommend, zuverlässig, für uns einfach ideal. Und uns ist natürlich als mittelständischer Betrieb auch sehr daran gelegen, nicht ständig neue Leute einstellen zu müssen.“
„Es wäre Wahnsinn, so jemanden nicht zu behalten“, fasst Sellmayr zusammen. „Wenn nicht Cherif ein Härtefall ist, wer dann?“
Für das Bleiberecht von Cherif Camara wurde auch eine Onlinepetition gestartet unter www.openpetition.de und dann unter Suche „Cherif“eingeben.