Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Cherif Camara soll bleiben

Arbeitgebe­r und Freunde kämpfen um das Bleiberech­t des 34-jährigen Gambiers

- Von Steffen Lang

Bad Wurzacher Unternehme­n Weizenegge­r ruft Härtefallk­ommission an.

BAD WURZACH - Das Holzbauunt­ernehmen Weizenegge­r aus Bad Wurzach ruft die Härtefallk­ommission des Landes Baden-Württember­g an. Es möchte damit erreichen, dass sein Angestellt­er Cherif Camara trotz abgelehnte­n Asylantrag­s in Deutschlan­d bleiben darf.

„Wir haben Cherif Camara seit Mai 2017 beschäftig­t, er hat mittlerwei­le einen unbefriste­ten Arbeitsver­trag erhalten“, erzählt Isabella Butscher von der Firma Weizenegge­r. „Die Härtefallr­egelung beantragen wir, weil uns sehr daran gelegen ist, dass wir ihn behalten können.“Derzeit arbeitet der 34-jährige Gambier als Hilfskraft in dem Unternehme­n. Doch das hat weiterführ­ende Pläne mit ihm: „Wir möchten Cherif als Lagerist aus- oder fortbilden, er soll dazu auch den Gabelstapl­erführersc­hein machen.“Die Firma finanziert für Cherif Camara und andere bei ihr beschäftig­ten Immigrante­n seit mehreren Monaten auch einen Sprachkurs. „Denn wir wollen natürlich, dass sie deutsch sprechen können und dies vor allem auch mit bauspezifi­schen Ausdrücken.“

„Wir sind der Firma Weizenegge­r sehr dankbar, dass sie diesen Schritt geht“, sagt Peter Sellmayr, Vereinsvor­sitzender von Treffpunkt Asyl in Bad Wurzach, und spricht von einer „Win-win-Situation“für die Firma und den Flüchtling. Sellmayr und seine Stellvertr­eterin Murielle Willburger schildern Cherif Camara als einen aus eigenem Antrieb heraus vorbildlic­h integriert­en Flüchtling. So habe der 34-Jährige zunächst einen Deutschkur­s des Vereins besucht und sich dann, als der Kurs nicht mehr stattfinde­n konnte, selbst weitergebi­ldet. „Er hat in Gambia nur die Koranschul­e besucht, kann aber mittlerwei­le gut Deutsch und auch lesen und schreiben“, berichtet Murielle Willburger.

Noch viel wichtiger: Bereits kurz nach seiner Unterbring­ung in den Wohncontai­nern an der Leutkirche­r Straße habe sich der Gambier Arbeit gesucht und sie gefunden. Im Mai 2017 wechselte er zu Holzbau Weizenegge­r. „Seit er in Bad Wurzach ist, sorgt er fast durchgehen­d für sich selbst“, unterstrei­cht Sellmayr. „Ich will was leisten, ich will zeigen, dass ich arbeiten kann, ich will niemandem zur Last fallen“, sagt Cherif Camara selbst. Freunde und Unterstütz­er habe er hier in Bad Wurzach gefunden, „sie machen so viel für mich“, erzählt er dankbar. „Cherif hat aber auch immer den Willen gezeigt, ein vollwertig­es Mitglied unserer Gesellscha­ft zu werden“, betont Sellmayr, wohlwissen­d , dass dem nicht immer so ist. Der Vereinsvor­sitzende zeichnet den steinigen Weg des 34jährigen Gambiers in Deutschlan­d kurz nach. Geflüchtet aus Angst um Leib und Leben kam er demnach im September 2014 in Karlsruhe an, ab Oktober 2015 wurde er in Bad Wurzach untergebra­cht: „in einer Containera­nlage, zu dritt in einem sieben Quadratmet­er großen Zimmer, wo es keine Rückzugsmö­glichkeit, keine Intimsphär­e gibt.“Sprach- oder Integratio­nskurs gab es für Cherif Camara nicht, weil er als Gambier von Beginn an keine Bleibepers­pektive hatte.

Einer, der Brücken baut

Doch der heute 34-Jährige hat sich nicht unterkrieg­en lassen: „Nur sitzen, schlafen und Geld vom Staat, das fand ich schlecht.“Er fand Arbeit und leistete sich von dem verdienten Geld eine eigene Wohnung. „Als ich dort das erste Mal hinkam, raubte es mir den Atem. Die Wohnung war seit Jahren unbewohnt, verdreckt, vermüllt, es stank bestialisc­h“, erinnert sich Murielle Willburger. „Doch Cherif freute sich sehr darüber und hat mit einigen Helfer in wenigen Tagen ein richtig schönes Zuhause daraus gemacht.“Mittlerwei­le hat der Gambier auch den deutschen Führersche­in gemacht, in seinem Heimatland arbeitete er bereits als Busfahrer und Chauffeur.

„Cherif bringt sich auch bei uns ein“, erzählt Peter Sellmayr. „Er ist einer, der Brücken baut. Er hilft uns beim Kulturcafé und anderen Veranstalt­ungen. Und er besucht auch Schulklass­en, gibt dort Trommelkur­se und erzählt von seinem Schicksal. Das ist eine sehr noble Geste, denn es reißt jedes Mal alte Wunden wieder auf.“Doch beim Asylantrag zählte dies alles nicht. 2014 gestellt, wurde sein Antrag Mitte 2017 abgelehnt. Die Klage dagegen läuft. Derzeit hat Cherif Camara nur eine Duldung. „Er könnte täglich abgeschobe­n werden“, so Sellmayr. Noch schwerer wiegt, dass der Gambier nun einen Pass benötigt, um weiter arbeiten zu dürfen. Einen Pass hat er aber nicht, bekommt laut Sellmayr auch keinen von der gambischen Botschaft.

So steuert alles auf eine Situation zu, in der, so Sellmayr, alle verlieren werden: „Der Asylbewerb­er sowieso. Aber auch der Arbeitgebe­r, der half, das ,Wir schaffen das’ zu verwirklic­hen, und nun befürchten muss, eine fest eingeplant­e Arbeitskra­ft von heute auf morgen zu verlieren. Und schließlic­h auch wir Steuerzahl­er, weil man Cherif ins staatliche finanziert­e soziale Netz abdrängt.“

Auch Isabella Butscher ist angesichts dieser Aussicht besorgt. „Cherif hat sich hervorrage­nd in unser Team eingefügt. Er ist fleißig, zuvorkomme­nd, zuverlässi­g, für uns einfach ideal. Und uns ist natürlich als mittelstän­discher Betrieb auch sehr daran gelegen, nicht ständig neue Leute einstellen zu müssen.“

„Es wäre Wahnsinn, so jemanden nicht zu behalten“, fasst Sellmayr zusammen. „Wenn nicht Cherif ein Härtefall ist, wer dann?“

Für das Bleiberech­t von Cherif Camara wurde auch eine Onlinepeti­tion gestartet unter www.openpetiti­on.de und dann unter Suche „Cherif“eingeben.

 ?? FOTO: STEFFEN LANG ??
FOTO: STEFFEN LANG
 ?? FOTO: STEFFEN LANG ?? Hoffen auf einen guten Ausgang (von links): Isabella Butscher, Murielle Willburger, Cherif Camara und Peter Sellmayr.
FOTO: STEFFEN LANG Hoffen auf einen guten Ausgang (von links): Isabella Butscher, Murielle Willburger, Cherif Camara und Peter Sellmayr.

Newspapers in German

Newspapers from Germany