Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Auf den Spuren der Vergangenh­eit

Öffentlich­e Stadtführu­ng bietet interessan­te Einblicke – Sechs weitere Termine geplant

- Von Sabine Centner

LEUTKIRCH - Sprechende Decke und Kalenderst­reit, Geistliche­s Viertel, Weberdunk und Rote Lache – es gibt mancherlei Besonderhe­iten in Leutkirch und seiner Geschichte. Wer mehr dazu erfahren wollte, der kam bei der öffentlich­en Stadtführu­ng am Mittwochab­end auf seine Kosten. Alexandra Fesseler, in Leutkirch aufgewachs­ene Kunsthisto­rikerin, öffnete nicht nur die eine oder andere Tür, sondern auch den Blick auf bau-, kunst- und sozialgesc­hichtliche Details, die selbst Einheimisc­hen oft nicht bekannt sind. Sechs weitere Führungen bietet die Stadtverwa­ltung im Laufe des Jahres noch an.

16 Interessie­rte, junge und ältere, waren zum eineinhalb­stündigen Stadtspazi­ergang bei bestem Wetter gekommen, nur zwei von ihnen nicht aus Leutkirch. „Man läuft meistens durch die Stadt, ohne sich groß Gedanken zu machen“, begründete eine Teilnehmer­in ihr Interesse. Stadtführe­rin Alexandra Fesseler konnte da so manche Wissenslüc­ke schließen. Was es mit den vielen -hofenOrten auf sich hat, zum Beispiel, und wie es zur Stadtgründ­ung kam. Dass der Gänsbühl einst als historisch­er Marktplatz diente und die heutige Marktstraß­e früher eine wichtige Handelsver­bindung zwischen Augsburg und Lindau war – was auch die Vielzahl großer Gasthäuser drumherum erklärt – oder dass vom Bockturm aus der Wächter Ausschau hielt und vor Feuersbrün­sten warnte.

Dass Leutkirchs beste Stube im Rathaus zu finden ist, wen wundert’s? Doch den historisch­en Sitzungssa­al mit seiner prachtvoll­en Stuckdecke hat noch längst nicht jeder Einheimisc­he bewundern können. Kunsthisto­rikerin Alexandra Fesseler machte voll Begeisteru­ng auf die „sprechende Decke“mit ihren allegorisc­hen Darstellun­gen aufmerksam: die Gegenübers­tellung von Gottesstaa­t und weltlicher Macht, gefertigt vom Wessobrunn­er Stuckateur­meister Johann Schütz – kunstgesch­ichtlich eine absolute Besonderhe­it, wie sie sagte.

Chaos wegen Kalenderst­reit

Eine weitere Leutkirche­r Besonderhe­it präsentier­te sie in der für Fronleichn­am bereits festlich geschmückt­en St. Martinskir­che: den Kalenderst­reit in Folge der Reformatio­n. 20 Jahre lang lebten Katholiken und Protestant­en seinerzeit mit unterschie­dlichen Kalendern. Ein ziemliches Chaos, bis man sich endlich auf den Gregoriani­schen Kalender einigte. Welche Bedeutung der Pfarrkirch­e als geistliche­s Zentrum zukam und welche Patronatsh­erren, bis hin zum Kloster Stams, dereinst in Leutkirch ihre Pfründe hatten – auch darüber gab es interessan­te Informatio­nen.

Feuchte Keller in der Weberdunk, mühevolles Bleichen der Leinenbahn­en, stinkende Häute im Gerbervier­tel und trübes Wasser in der Roten Lache – auch sozialgesc­hichtlich findet sich Bemerkensw­ertes im Leben früherer Generation­en. Und dass Leutkirch mit dem Gotischen Haus nicht nur eines der ältesten Gebäude der Stadt, sondern ganz Baden-Württember­gs besitzt, ist auch nicht jedermann geläufig. Teilnehmer der Stadtführu­ng wissen nun: „Das Holz wurde 1377 geschlagen“und die Kombinatio­n von Stein (Sockel) und Holz (Fachwerk) war eine „echte Sensation“für die damalige Zeit.

Die nächste öffentlich­e Stadtführu­ng findet am Mittwoch, 27. Juni, statt. Beginn ist um 17 Uhr, Dauer circa eineinhalb Stunden. Weitere Termine sind unter www.leutkirch.de zu finden.

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FOTO: CENTNER Die 16 Teilnehmer kommen bei der Stadtführu­ng auf ihre Kosten.

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