Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Odysseus’ Abstecher in die zeitgenössische Kunst
Monika Raabe liest aus den Gesängen des Homer zum Collagenzyklus „Surreale Odyssee“
ISNY - Die Homer-Lesung von Monika Raabe im Espantor hat einen tiefreichenden Blick in das Werk von Anthimos Toupheksis eröffnet. Insbesondere auf den Collagenzyklus „Surreale Odyssee“, den er in seiner Ausstellung „Nervenkunst“in der Städtischen Galerie im Turm zeigt. Zum einen beleuchtete die Lesung den poetischen Aspekt der Sprache Homers, zum anderen die künstlerische Seite der Werkreihe.
Der Kyklop Polyphem, die Nymphe Kalypso, die monströsen Scheusale Skylla und Charybdis waren die Protagonisten, die im Mittelpunkt der Lesung standen. Sich dem unserer aller Ohren ungeübten Sprachduktus hinzugeben, lud Toupheksis die Besucher der gut besuchten Matinee ein. Sich in die aus heutiger Sicht ungewohnt tönende Sprache einzufühlen, gelang ausgesprochen schnell. Wurde man doch unweigerlich gefangen von der Poesie, mit der Johann Heinrich Voss die antike Schrift 1871 ins Deutsche übersetzt hat. Seine Version gilt neben der von Gustav Schwab bis heute als wegweisend. Es sei die poetische Erzählweise, die sie fasziniere, sagte Monika Raabe und die sie in ausgewählten Episoden zu Gehör brachte.
Welche Bezüge die Gesänge zu seinem fünfteiligen Collagenzyklus haben, erläuterte der Künstler, Buchhändler, Bibliothekar und Antiquar Toupheksis im Anschluss anhand des Entstehungsprozesses: Ein leeres, weißes Blatt bilde den Ausgangspunkt für einen unbewussten Vorgang des Ausschneidens von Gefundenem aus Zeitungen und Zeitschriften. Diese Ausschnitte schiebe er so lange hin und her, bis er sie für stimmig halte, das sei der formale Abschnitt. In einem zweiten Schritt gehe es darum, den Bildern einen Sinn zu geben; zu verstehen, was sie einem sagen. Erstaunt sei er immer wieder, dass ihm das gelinge.
Konkret stünden die Bruchstücke eines Pferdes für die erotische Beziehung Odysseus’ zu seiner Frau Penelope; die Blumen für das Zaubermittel der Göttin Kalypso in der Hoffnung, dass er seine Heimat vergisst und sich ihr, der Schöngelockten, zuwende. Mit einiger Fantasie lässt sich der reduzierte Erzählstrang um Polyphem entschlüsseln – man muss schon genau hinschauen. Als Zeichen für die Durchschiffung der Meerenge steht eine Hand auf einem Steuerrad zwischen zwei „Vorhängen“, welche das Festland symbolisieren. Nicht nur die Form spreche zum Betrachter, sondern auch der Inhalt – ein wesentlicher Aspekt.
Ein zweiter, künstlerisch bestimmender sei die Begegnung mit Werken des Surrealisten Max Ernst als dem „Vater der Collage“vor 40 Jahren gewesen. Eine Erweckung, bei der er alle Themen, die ihn als jungen Mann umtrieben, in den Bildern wiederfand, erzählte Toupheksis: Das Unterbewusste spiele dabei eine tragende Rolle wie auch in seiner „Surrealen Odyssee“.
Die Ausstellung „Nervenkunst“von Anthimos Toupheskis in der Städtischen Galerie im Turm (Espantor), läuft noch bis 24. Juni. Öffnungszeiten: Mittwoch bis Samstag, 15 bis 18 Uhr, Sonntag 11 bis 17 Uhr. Eine Führung bietet der Künstler am Sonntag, 17. Juni, um 11 Uhr an. Informationen zum Begleitprogramm im Internet unter www.isny.de.