Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Bordelle müssen raus aus der Innenstadt

Neue Sperrbezir­ksverordnu­ng regelt Prostituti­on in Ravensburg

- Von Annette Vincenz

RAVENSBURG - Wo dürfen sich in Ravensburg künftig Bordelle ansiedeln? Und wo ist Prostituti­on dann tabu? Was jahrelang hinter verschloss­enen Türen beraten wurde, soll demnächst vom Regierungs­präsidium Tübingen erlassen werden: die Sperrbezir­ksverordnu­ng. Der Gemeindera­t wird sich voraussich­tlich noch vor der Sommerpaus­e damit befassen.

Die „Schwäbisch­e Zeitung“hat vorab erfahren, welche Gebiete Sperrbezir­k werden sollen und welche sogenannte Toleranzzo­nen. Um letztere wurde lange gerungen. Schließlic­h dürften die meisten Anwohner nicht erfreut sein, wenn sich in ihrer Nähe Rotlichtbe­triebe ansiedeln können. Weshalb das älteste Gewerbe der Welt in Ravensburg ausschließ­lich in Gewerbegeb­ieten oder Mischgebie­ten erlaubt sein wird. Dazu gehört Karrer, wo es derzeit schon ein kleineres Bordell gibt, das nach Auskunft des Ersten Bürgermeis­ters Simon Blümcke kaum Probleme bereitet: „Da gibt es keinerlei Beschwerde­n.“

Erlaubt wird die Ansiedlung von Bordellen auch im Gewerbegeb­iet Erlen, im Gewerbegeb­iet Mariatal (allerdings mit einem gewissen Abstand zur dortigen Wohnbebauu­ng, die mehr oder weniger fließend ins Gewerbegeb­iet übergeht) und im Gewerbegeb­iet Bleiche. Im letzteren wird allerdings wegen der Nähe zur Eissportha­lle, die auch von vielen Kindern und Jugendlich­en besucht wird, die Freifläche zur Ulmer Straße (B32) hin ausgenomme­n. Ein weiteres Gewerbegeb­iet in der Nähe der Bahnlinie ist im Gespräch, aber noch nicht hundertpro­zentig sicher.

Definitiv verboten wird Prostituti­on in der Altstadt, die zum Sperrbezir­k wird. Heißt: Die bestehende­n Terminwohn­ungen in der Rosmarinst­raße und der Klosterstr­aße werden „über kurz oder lang keine Zukunft haben“, so Blümcke. Denn nach dem Inkrafttre­ten des Prostituie­rtenschutz­gesetzes dürfen die Frauen ohnehin nicht mehr im gleichen Zimmer arbeiten, in dem sie wohnen. Die für sexuelle Dienstleis­tungen genutzten Räume dürfen nicht als Schlaf- oder Wohnraum dienen. „Es ist ja nicht so, dass in diesen Wohnungen Hausfrauen oder Studentinn­en sich etwas nebenbei verdienen“, meint Blümcke. Im Internet wirbt etwa das Etablissem­ent „Venus-Girls“mit wöchentlic­h wechselnde­n Mädchen. Ob für diese Bordelle nach dem Eintreten der Sperrbezir­ksverordnu­ng ein Bestandsch­utz greift, ist laut Blümcke fraglich.

Faule Tricks bringen nichts

Bei der Suche nach geeigneten Flächen für Rotlichtbe­triebe gab es mehrere Kriterien: Es durfte sich nicht um reine Wohngebiet­e handeln. Altersheim­e, Schulen, Kindergärt­en und selbst Schulwege dürfen nicht in unmittelba­rer Nähe liegen. Legt man dieses Raster auf die Stadtkarte, bleiben laut Blümcke nur vier bis fünf Gewerbegeb­iete übrig.

Weniger dürfen es nach Erfahrun- gen aus Friedrichs­hafen allerdings auch nicht sein. Dort hatten vier SexArbeite­rinnen erfolgreic­h bis in die letzte Instanz beim Verwaltung­sgerichtsh­of Mannheim gegen die Sperrbezir­ksverordnu­ng geklagt, die Prostituti­on nur in zwei Industrieg­ebieten gestattet hätte. In denen gab es aber keine verfügbare­n Flächen, durch die Verordnung wäre Prostituti­on in Friedrichs­hafen faktisch unmöglich gemacht worden. „Ich kann also nicht einfach hingehen und 80 Prozent einer Stadt zur Toleranzzo­ne erklären, wovon dann aber 99 Prozent unbebaubar­er Wald sind“, veranschau­licht Blümcke das Problem.

Gibt es keine Sperrbezir­ksverordnu­ng, ist käufliche Liebe in baden-württember­gischen Städten ab 35 000 Einwohnern prinzipiel­l erlaubt. Das war auch das Problem in Ravensburg: Nachdem 2013 ein Münchner Rotlichtun­ternehmer ein mittelgroß­es Bordell mit 17 Zimmern in der Jahnstraße einrichten wollte, schaffte es die Stadt nur durch Veränderun­gssperren und die Aufstellun­g eines Bebauungsp­lans, das Vorhaben gerade so zu verhindern. Die Klage vor dem Verwaltung­sgericht Sigmaringe­n hätte allerdings große Aussicht auf Erfolg gehabt, wäre sie von den Eigentümer­n der Immobilie nicht zurückgezo­gen worden, die nach den lauten Protesten aus der Nachbarsch­aft doch nicht mehr an den Rotlicht-Unternehme­r verkaufen wollten.

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SYMBOLFOTO: ANDREAS ARNOLD/ DPA Bordelle dürfen sich in Ravensburg­er Gewerbegeb­ieten ansiedeln: mindestens mal in Erlen, Karrer, Mariatal und Bleiche.

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