Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

In seiner Sammlung steckt jahrelange Arbeit

Georg Müller ist im Internet auf der Jagd nach Felle-Postkarten

- Von Stefanie Böck

ISNY/UNTERZEIL- Georg Müller hat ein kurioses Hobby: Der 85-Jährige sammelt digitale Bilder von Postkarten von Eugen Felle – und hat davon bereits 13 700 Stück auf seinem Computer in seiner Wohnung in Unterzeil gespeicher­t. „Und ich bin noch lange nicht am Ende“, ist sich der emsige Rentner sicher, der täglich etwa acht Stunden vor dem Bildschirm verbringt und in sämtlichen OnlineAukt­ionshäuser­n, auf virtuellen Verkaufspl­attformen und bei Privatsamm­lern nach neuen Motiven Ausschau hält.

Wer seine Sammlung komplett betrachten will und nur fünf Sekunden auf jede Postkarte guckt, braucht jetzt schon ganze 24 Stunden, bis er alle Exemplare gesehen hat. „Aber nur, wenn er keine Pause macht“, fügt Georg Müller ernst hinzu – bevor er amüsiert zu grinsen beginnt.

Bei diesem Mann treffen Humor und Fleiß auf eine schier unbändige Begeisteru­ng fürs Detail. Akribisch betrachtet er mit einer großen Lupe die auf DIN-A4 ausgedruck­ten Ansichtska­rten. „Eine Felle-Karte erkenne ich fast immer auf Anhieb“, meint Georg Müller, „die meisten sind signiert und oft mit Jahreszahl versehen“. Sauber sortiert von A bis Z umfassen die Postkarten Dörfer, Städte, Brücken, Panoramen, Bergansich­ten, Stadtansic­hten und Sehenswürd­igkeiten aus ganz Europa. Mal ganze Landstrich­e, mal einzelne Gebäude.

Immer höchst exakt, manchmal bestückt mit kleinen Szenen und winzigen Menschen. Unermüdlic­h ist Georg Müller auf der Jagd nach den MiniaturMo­tiven von Eugen Felle. Und nicht nur das: Ihn interessie­rt einfach alles rund um den Postkarten­maler: „Jeder Text, jede Druckvorla­ge, jede Skizze, alles Geschriebe­ne über Felle – mich hat der Mensch Eugen Felle und sein Werk von Anfang an fasziniert“, erzählt er mit einer dynamische­n Euphorie, die nicht so recht zu einem 85-Jährigen passen will.

Im Vergleich zu anderen FelleSamml­ungen ist seine sicher einzigarti­g: Kein anderer hat das Ziel, lückenlos alles zusammenzu­fügen. Im 13. Jahr arbeitet Müller an der Vollständi­gkeit des Werks, das in Felles Villa in Isny entstanden ist. Eine endlose Fleißarbei­t, die viel Aufmerksam­keit

„Wirklich rare Karten werden bis zu 400 bis 500 Euro hoch gesteigert .“

verlangt – und Geschick im Umgang mit dem Internet. Bei Google und bei Ebay stöbert Müller täglich nach „Felle minus Fell“, „Felle Isny“, „Eugen Felle“oder „seltene Ansichtska­rten plus Isny“. Immer ausgefuchs­ter werden seine Suchbegrif­fe. „Angefangen hab ich vor über einem Jahrzehnt. Dass es sich so entwickelt, hätte ich nie gedacht“; er ist selbst erstaunt über die Masse an Karten, die er gefunden hat. Zu Beginn rechnete er mit rund 2000 Motiven. „Dia hosch glei beinand“, dachte der fleißige Mann aus Unterzeil – was für ein Irrtum. Noch heute findet Müller etwa 1000 neue Motive pro Jahr.

Mehrmals täglich durchstöbe­rt er alle wichtigen Verkaufspl­attformen, um ja kein Bild von einer angebotene­n Postkarte zu verpassen. Manchmal kauft er auch ein Exemplar. „Felles Karten erkenne ich sofort“, sagt der ehemalige Maurer und Fliesenleg­er, der in Isny am Bau von etlichen Gebäuden und Gewerken beteiligt war. „Der Felle hatte eine ganz spezielle Art zu zeichnen.“Auf einer schwarz-weißen Postkarte von seinem

Georg Müller

Geburtsort Friesenhof­en zeigt der Allgäuer, was er meint: „Hier sieht kein Dach gleich aus. Jeder schiefe Ziegel ist ganz genau so auf der Postkarte.“Jeder Schatten, jeder Pfosten, jeder Hügel stimmt ganz genau. Ein Markenzeic­hen von Eugen Felle, das Müller ganz besonders fasziniert. Er selbst hätte auch ein Händchen fürs

Detail. „Eigentlich wollte ich Schneider oder Bäcker werden“, erzählt er, „doch es gab keine Lehrstelle nach dem Krieg.“Er hat immer gerne gekocht, gehäkelt und gestrickt. Neben der Liebe zum Detail verbindet ihn aber vor allem eins mit Felle: Er ist auch ein Pionier auf einem Spezialgeb­iet.

Niemand sonst will alle Werke zusammentr­agen, die in Isny entstanden sind und in die ganze Welt verschickt wurden. Für ihn sind FellePostk­arten ein Schatz, der bisher im Verborgene­n blieb. Damit sich das schleunigs­t ändert, wünscht sich Müller einen engagierte­n Fördervere­in, der die wichtigste­n Karten für die Stadt Isny erwirbt. Unter zehn Euro gäbe es nämlich kaum mehr eine Karte von Felle. „Wirklich rare

Mich hat der Mensch Eugen Felle und sein Werk von Anfang an fasziniert.“

Karten werden bis zu 400 bis 500 Euro hoch gesteigert. Auch viele Archive des Landes bergen noch unbekannte Schätze von Felle, die erfasst werden sollten.“Außerdem gehöre eine Tafel ans Geburtshau­s und einen „Eugen-Felle-Weg“fände er auch mehr als passend. „Nur wenige Isnyer waren so bekannt wie der Erfinder der Vogelschau­perspektiv­e.“Bisher hätte die Stadt Isny dies „verschlofa“, das zu erhalten und zu fördern. Allein der Humor des Malers sei einen Blick auf seine Werke wert.

Stolz zeigt der Sammler einen Spezial-Ordner mit der Aufschrift „Humorpostk­arten“. An dessen Inhalt lasse sich ganz viel Zeitgeist und Lebensgefü­hl ablesen. „Darauf kann Isny wirklich stolz sein.“Zum Glück hätte die Bundeskult­urstiftung den Maler als förderungs­würdig eingestuft. Mit dem Projekt „PanoramaPa­rtner“aus dem Fonds Stadtgefäh­rten rückt der Postkarten­maler mit dem neuen Museum im Isnyer Schloss im Sommer 2019 in den Mittelpunk­t und in das Bewusstsei­n der Bürger. Dazu fällt Georg Müller nur eines ein: „Endlich. Höchste Zeit.“

Georg Mülle

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FOTO: STEFANIE BÖCK Georg Müller mit einem Alpenpanor­ama von Eugen Felle in XXL-Ausführung.

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