Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Uferrenaturierung in Kressbronn ist gestoppt
Der Verwaltungsgerichtshof hat entschieden, dass für eine Umsetzung Enteignungsverfahren notwendig sind
KRESSBRONN - Das ist eine Nachricht, mit der wohl niemand gerechnet hat: Die Uferrenaturierung ist gestoppt– und das nicht nur kurzfristig. Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim hat entschieden, dass die Entfernung der Uferbauwerke, der Pflanzenschutzzaun und die Kiesschüttung sowie die landschaftsgärtnerischen Arbeiten Eingriffe in das Eigentum der Anlieger bedeuten und dass diese vom Planfeststellungsbeschluss nicht gedeckt seien. Da die Beschlüsse unanfechtbar sind, kann die Uferrenaturierung also nur realisiert werden, wenn zuvor durch Enteignungsverfahren die Eigentumsrechte geklärt wurden – und das kann dauern.
Zur Begründung führt der 3. Senat in seinen Beschlüssen aus, dass die entgegenstehenden Eigentumsrechte zusätzlich durch Enteignung entzogen werden müssten. „Das sei bislang nicht geschehen. Die Notwendigkeit, noch ein Enteignungsverfahren durchzuführen, führe dazu, dass die Verfügung des Landratsamts vom 7. Dezember 2017 insoweit rechtswidrig sei“, heißt es in der Pressemitteilung des Verwaltungsgerichtshofs.
Und was sagt das Regierungspräsidium Tübingen zu der Entscheidung? „Wir werden das Urteil jetzt erstmal auswerten und dann bewerten. Grundsätzlich sehen wir aber durch die Entscheidung die Uferrenaturierung als solche nicht in Gefahr“, so Dirk Abel, Pressesprecher des Regierungspräsidiums. „Wir hatten da unsere Rechtsauffassung – wie übrigens das Landratsamt und Verwaltungsgericht ja auch – dass für die Umsetzung keine Enteignungsverfahren notwendig sind.“
„Wir haben die Entscheidung sehr positiv aufgenommen und fühlen uns bestätigt. Wir sind froh, dass das VGH unser Eigentum nun entsprechend anerkennt und den Rechtsstaat entsprechend schützt“, sagt Rafael Baur im Namen der Anlieger im Gespräch mit der Schwäbischen Zeitung. Diese bemängelten seit jeher, „dass in unser Eigentum eingegriffen wird, ohne, dass wir vernünftig angehört werden, mit uns über Entschädigung gesprochen wird, mit uns gemeinsam eine Lösung gesucht wird oder sich jemand mit uns an einen Tisch setzt und unsere Vorschläge für eine gütliche Einigung diskutiert“. Das Landratsamt und auch das Regierungspräsidium hätten sich stets darauf berufen, „dass wir den Eingriff in unser Eigentum wegen des Planfeststellungsbeschlusses dulden müssen“.
„Ich bin überzeugt, dass das alles möglich und zulässig ist – aber es wird mit diesem Urteil natürlich mehr Zeit kosten, die Uferrenaturierung umzusetzen“, sagt Bürgermeister Daniel Enzensperger. Es handele sich hier um neue rechtliche Aspekte, die bisher im Verfahren scheinbar nicht berücksichtigt worden und die nun abzuarbeiten seien – „allerdings liegt die Bearbeitung beim Regierungspräsidium, weil es die ausführende Behörde ist“, so Enzensperger mit Blick darauf, dass die Gemeinde an der Umsetzung nicht beteiligt ist.
Darum geht’s: Das gesamte Verfahren der Uferrenaturierung, die seit 2001 planfestgestellt ist, ist kompliziert. Es ist vorgesehen, den Uferbereich zwischen dem Gemeindehafen und der Landesgrenze zu Bayern durch eine Kiesaufschüttungg umzugestalten und einen Uferweg anzulegen. Unter anderem sollen vor den privaten Grundstücken Kies angeschüttet und zudem Mauern, Stege, Slipanlagen, Bootsanlegestellen und sonstige Verbauungen abgebrochen werden. Die gegen den Planfeststellungsbeschluss erhobenen Klagen von Anliegern wurden 2010 vom Verwaltungsgericht Sigmaringen abgewiesen. Rechtsmittel der Anlieger bis zum Bundesverwaltungsgericht blieben ohne Erfolg, weshalb der Planfeststellungsbeschluss be-standskräftig ist.
Immer wieder gab es neben den Klagen Bürgerproteste, die sich für den Erhalt des Seegartens einsetzten – mit Erfolg: Denn im vergangenen Jahr verkündete das Regierungspräsdium mit Verweis auf neue Untersuchungen, im östlichen Bereich auf die Aufschüttung verzichten zu wollen. Dafür aber wollte man im westlichen Bereich – also vor den Grundstücken der Kläger – mit der Maßnahme 2017/2018 beginnen. Doch zu hoher Pegelstand und laufende Gerichtsverfahren verhinderten einen Baubeginn, sodass das bereits angelieferte Material wieder abgeholt werden musste. Baustart sollte nun in der nächsten Niedrigwasserperiode im Winter 2018/19 sein.