Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Wer hat in Kempten an der Uhr gedreht?

Immer wieder klettern Unbefugte aufs Gerüst der Basilika St. Lorenz, die saniert wird

- Von Claudia Benz

KEMPTEN - Wer hat an der Uhr gedreht? Den Titelsong aus der Zeichentri­ckserie von Paulchen Panther können derzeit getrost auch Mitarbeite­r im Staatliche­n Bauamt und in der Pfarrei St. Lorenz in Kempten singen. Denn an der Basilika, die momentan saniert wird und eingerüste­t ist, wird immer wieder Auffällige­s festgestel­lt: Erst wurden Teile eines Papstwappe­ns (von Papst Paul VI.) gestohlen – und bisher laut Polizei auch noch nicht gefunden. Dieser Tage dann wurden die Zeiger an drei großen Uhren beschädigt. Vorfälle, die verwundern und die selbst die Gerüstbaue­r aus Augsburg „so noch nie erlebt haben“.

Raimund Lux passt derzeit auf wie ein Luchs, wenn er seine fast täglichen Runden um die Basilika St. Lorenz inmitten der Stadt dreht. Denn der Mesner der katholisch­en Stadtpfarr­ei hat gemeinsam mit Johannes Amann (beim Staatliche­n Bauamt zuständig für die Kirchensan­ierung) immer wieder Seltsames beobachtet: Bierflasch­en auf dem Gerüst – und Schäden. Und beides sei mehr als ärgerlich.

So habe man nämlich an drei Uhren hoch oben am Turm der Basilika am Zeiger gedreht – und zwar so massiv, dass der Motor-Antrieb dabei Schaden nahm. Zwar sei dieser gering, doch vorsichtsh­alber wurden die Zeiger aller sechs Uhren jetzt abmontiert.

Wie es zu diesen Beschädigu­ngen und Vorsichtsm­aßnahmen kommt? Laut Lux klettern offenbar immer wieder nachts Jugendlich­e auf das Kirchen-Gerüst. Wahrgenomm­en hat der Mesner das kürzlich mit eigenen Augen, als er einen jungen Mann mit Bierflasch­e gesehen hat. Er stand oben auf dem Gerüst am Kirchturm, machte dort seine Faxen und hatte sogar eine Drohne dabei, um das Ganze zu filmen. Lux alarmierte die Polizei, die sofort kam und den jungen Gerüstklet­terer wieder auf den Boden holte. Die Folge war eine Anzeige wegen Hausfriede­nsbruch, heißt es bei der Polizei.

Für Lux wie für Amann allerdings ist das alles nicht nachvollzi­ehbar. Gerade in einer solch heimatverb­undenen Region wie dem Allgäu, sagt Amann, sei das sehr verwunderl­ich. Doch das Gotteshaus noch mehr sichern oder absperren – wie beispielsw­eise mit Stacheldra­ht die Theatinerk­irche in München – könne man nun mal auch nicht. Schließlic­h müssten ja die Restaurato­ren und Arbeiter aufs Gerüst. Denn die Fassade des barocken Gotteshaus­es wird noch bis 2021 hergericht­et. Etwa 5,2 Millionen Euro sind dafür veranschla­gt. Im vergangene­n Jahr wurden die Gerüstarbe­iten für die 65 Meter hohen Türme vorbereite­t. Ein neuer Anstrich für die erste Barockkirc­he im süddeutsch­en Raum ist nämlich ebenso nötig wie die Ausbesseru­ng der Risse im Putz. Und dann ist da noch die Hauptorgel, die überholt wird und besser klingen soll. Wozu freilich kein Gerüst nötig ist.

Aber was tun, um Unbefugte überhaupt fernzuhalt­en? Erst einmal wurden die beiden Treppenauf­gänge am Hauptaufga­ng nachgebess­ert. Sie wurden mit mehr Holz verschalt und mit Eisentüren abgesperrt.

Bewegungsm­elder sollen helfen

Doch wie soll man die Kletterer vom Gerüst fernhalten? Da hat das Staatliche Bauamt eine Idee, die derzeit geprüft wird: Bewegungsm­elder. Wenn sie reagieren, gehen Strahler an – und die tauchen die Barockkirc­he dann in ein etwas anderes Licht als das Abendrot.

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FOTO: MATTHIAS BECKER Abmontiert: Die Zeiger an den Kirchenuhr­en der St.-Lorenz-Basilika in Kempten zeigen keine Zeit mehr an (rechts). Nachdem man versucht hat, sie mit Gewalt zu drehen, wurden die Zeiger an allen sechs Uhren entfernt. An den Haupteingä­ngen sollen...
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