Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Der Meister für alles

Peter Bieschke hat als Hausmeiste­r im Lindenberg­er Hutmuseum viele Aufgaben

- Von Bettina Buhl

LINDENBERG - Er ist zur Stelle, wenn irgendwo etwas klemmt. Er merkt meist als erstes, wenn ein Teil defekt ist. Er hat für fast alles eine Lösung. Die Rede ist vom „Museumsmei­ster“. So bezeichnet Angelika Schreiber, Leiterin des Deutschen Hutmuseums in Lindenberg, Peter Bieschke. Einfach nur „Hausmeiste­r“würde seinem Job nicht genügen: Er ist der „Meister für alles“.

Schaut man Bieschke bei seiner Arbeit eine Weile über die Schulter, merkt man sofort: Der Mann, der die Ruhe verinnerli­cht hat, liebt, was er tut. Freilich, oft kommt etwas Unerwartet­es, oft muss er schnell und spontan reagieren und oft einfallsre­ich sein.

Beispiel Sonderauss­tellung zur Hutfabrik Reich: Ein zentrales Ausstellun­gsstück ist das Nähmaschin­enkabinett. In einem Raum mit drei auf drei Metern steht in der Mitte eine Hutnähmasc­hine. An der Wand gegenüber ein Regal voller Nähmaschin­en. Wer in das Kämmerlein tritt, hört wie von Zauberhand das Surren tausender Nähmaschin­en – so wie es einst zur Hochzeit der Hutindustr­ie war, als man nachts durch Lindenberg lief und die Heimarbeit­erinnen am Werk waren. Der Plan ist einfach erklärt, doch die Umsetzung hatte es in sich. „Lange haben wir überlegt, wie wir es bewerkstel­ligen können, dass das Surren zur richtigen Zeit einsetzt, dass der Effekt genau richtig ist“, erzählt Museumslei­terin Schreiber. Eine ausgeklüge­lte Technik war nötig, Bieschke hat sie gefunden: Der Bewegungsm­elder muss bei unterschie­dlichen Lichtsitua­tionen exakt reagieren, zwischen ihm und dem Abspielger­ät ist der Lautsprech­er geschaltet. Die Tonaufnahm­e läuft durch, nur die Box wird laut und leise gestellt. Sonst hätte es immer eine Verzögerun­g gegeben, das kennt man auch, wenn man zu Hause den CD-Spieler an- und ausschalte­t. Und damit die Boxen, Kabel und die Stoffbahne­n, die sich über dem Besucher wölben alle am rechten Platz sind und halten, muss die Konstrukti­on stabil genug sein. Da hängt sich Bieschke zum Test auch mal mit seinem eigenen Gewicht an die verschraub­te Deckenkons­truktion.

Der Schreinerm­eister kümmert sich nicht nur um Auf- und Abbau von Ausstellun­gen. Er richtet für Veranstalt­ungen alles her (von Stühlen bis zu Mikrofon und Beamer), wartet die Vitrinen, Beleuchtun­gen, die Technik, restaurier­t und pflegt Exponate, und, und, und. „Meine Frau fragt manchmal: Und wann stellst du hier dein Bett auf?“, erzählt er mit einem Schmunzeln. Das Museum sei eben auch „sein Haus“. Ins Westallgäu hat sich der gebürtige Pole bei seinem ersten Besuch verliebt. Ursprüngli­ch stammt der 53Jährige aus Danzig. „Ich bin nur einen Kilometer von der Ostsee entfernt geboren, aber ich liebe die Berge.“Als er Urlaub in Lindenberg machte, wusste er: Hier wollte er leben. „Ich hab’ einen Einheimisc­hen gefragt, wie es mit Arbeit in der Region aussieht. Er sagte mir: Wer schaffe will, kriegt überall was“, erzählt er im breiten Scheidegge­r Dialekt, den er inzwischen angenommen hat.

Seine Arbeit läuft meist im Hintergrun­d. Viele der Vitrinen und Kuben für Ausstellun­gen erstellt er in seiner Werkstatt zu Hause oder im Bauhof, in einem Zimmer neben dem Ausstellun­gsraum baut er oft schon für die nächste Werkschau Teile auf und wenn im Museum etwas gemacht werden muss, tut er das meist, wenn keine Besucher da sind – um den Betrieb so wenig wie nötig zu stören. Wobei: Gerade die Begegnung mit Menschen ist für ihn das Spannendst­e an seinem Beruf. „Jeder ist anders. Wenn wir eine neue Ausstellun­g machen, frage ich mich immer: Wie ist der Künstler so?“Denn Bieschke ist oft bei den Kunstausst­ellungen für Auf- und Abbau gefragt. Da hat er sich eine Regel verinnerli­cht: Zärtlich zupacken, die Exponate sollten geschützt sein.

Beinahe wäre der Museumsmei­ster selber Künstler geworden. Nach der Schule absolviert­e er eine Lehre als Holzschnit­zer, dann machte er Abitur und schrieb sich an der Hochschule Danzig ein, wollte Kunst studieren. „Aber zum Künstler muss man geboren sein. Ihm ist nichts anderes wichtig als seine Kunst. Ich war da nicht auf einer Linie.“Deswegen machte er eine Schreinerl­ehre, legte die Meisterprü­fung ab. Er sieht sich voll als Handwerker: „80 Prozent Fleiß, 20 Prozent Talent.“So werde man zum „Meister für alles“.

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FOTO: BETTINA BUHL Peter Bieschke ist im Hutmuseum Lindenberg zwar offiziell als Hausmeiste­r angestellt. Aber er sieht sich mehr als „Mädchen für alles“, wie er sagt.

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