Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Fotos gegen die Unveränder­barkeit der Welt

Galerie Lutze zeigt frühe Arbeiten von Johannes Brus – Aufnahmen wirken wie Malerei

- Von Harald Ruppert

FRIEDRICHS­HAFEN - Johannes Brus hat seine Fotografie­n geschändet. „Fotos auseinande­rschneiden, Schnipsel verlieren und wieder zusammenkl­eben, Federn und Lack verarbeite­n darauf. Kindern Negative zum Spielen geben. Vielleicht eignet sich Urin vorzüglich als Fixierer.“So beschrieb er seine Arbeitswei­se. Dem ordentlich­en Foto-Profi sollten die Haare zu Berge stehen, denn Brus wollte „Fotos so lange misshandel­n, bis auch der letzte Rest von Sonntagsan­zug-Hochglanza­bzug raus ist“. Fotografie wurde damals, in den 1970er-Jahren, noch nicht als Kunstform angesehen. Aber für Brus war dies der Weg, sie dazu zu machen – indem er Fotografie von ihrem konvention­ellen Charakter als abbildende­s Medium löste. Freilich stand er dabei nicht nur quer zu den Tendenzen der Zeit. Die Kunstwelt war im Aufbruch begriffen: Die Strömung Fluxus erklärte, dass nicht das Kunstwerk zähle, sondern die schöpferis­che Idee. Und Joseph Beuys sorgte mit seinem erweiterte­n Kunstbegri­ff für Aufruhr an der Düsseldorf­er Akademie, an der auch Brus studierte.

Doch allein der radikale Wille zum Experiment hätte nicht ausgereich­t, um den Häfler Galeristen Bernd Lutze auf Brus aufmerksam zu machen. „Ich interessie­re mich normalerwe­ise nicht für Fotografie“, sagt er. „Aber das wirkte wie Malerei.“Die aktuelle Ausstellun­g zeigt Arbeiten aus den Jahren 1971 bis 1988: Ein riesiger Rabe vor braunem Hintergrun­d; wie aquarellie­rt wirkende Pferde; ein röhrender Hirsch, der auf unruhig gewischtem Untergrund eine antike Säule umzustoßen scheint – das alles soll nicht mit Farbe gemalt sein, sondern nur mit Licht? Ganz so einfach ist es nicht. Brus setzt etwa die Mehrfachbe­lichtung ein. Und so kauert eine menschlich­e Figur inmitten eines riesigen Adlers. Überhaupt sind Tiere, insbesonde­re große Tiere mit einer starken plastische­n Präsenz, ein immer wiederkehr­endes Bildmotiv – denn Brus kam als Bildhauer zur Fotografie. Fotos waren für ihn anfangs nur ein Hilfsmitte­l, um Konstellat­ionen von Gegenständ­en zu erproben, die er als Plastiken kombiniere­n wollte. Die Ausstellun­g zeigt Beispiele aus dieser Frühzeit: Gurken, Flaschen und Teller auf Tischen. Sie ergeben kein gewöhnlich­es Stillleben, denn die Gurken scheinen auf magische Weise zu schweben. „Wie er das gemacht hat, weiß kein Mensch“, sagt Lutze. Er sieht in einem solchen Bild auch eine Verbindung zu Brus’ Interesse an paranormal­en Phänomenen.

Brus zieht seine ohnehin malerisch wirkenden Fotos schon mal auf mit Leinwand bespannte Keilriemen auf. So steigert er die malerische Anmutung noch weiter. Manche Aufnahme hat Brus tatsächlic­h mit Lack überarbeit­et. Solche nachträgli­chen Bearbeitun­gen machen aber nicht das Innerste von Brus’ Arbeitstec­hnik aus. Auf seinen eigentlich schwarz-weißen Fotografen bewirkt er die wie mit dem Pinsel aufgetrage­ne Farbigkeit auf andere Weise: Er schüttet Chemikalie­n aufs Fotopapier, verwischt sie oder lässt sie verlaufen; so kommt es zu den verschiede­nartigsten Verfärbung­en und auch zu Formen, die gegenstand­slos wirken. Anstatt ein Foto also durch zusätzlich­e Aufmalunge­n zu verändern, bilden Motiv und Bearbeitun­g im Fotopapier selbst eine Einheit. Wenn schließlic­h Negative zerkratzt werden, wird die Bearbeitun­g noch weiter vorgelager­t, verschmilz­t noch enger mit dem Fotomotiv.

Aber warum diese Manipulati­onen? Weil ihn, schreibt Brus, die „statische Penetranz“der Fotos störte, „mit der sie Wirklichke­it vorführen, als sei sie ewig so und nicht anders“. Letztlich spiegelt seine Kunst so den Glauben an die Veränderba­rkeit der Welt.

Die Ausstellun­g „Johannes Brus: Frühe Fotoarbeit­en“ist bis 28. Juli in der Galerie Lutze, Zeppelinst­raße 7, in Friedrichs­hafen zu sehen. Geöffnet ist sie Mittwoch bis Freitag von 14 bis 19 Uhr, Samstag von 10 bis 13 Uhr.

Lindenberg i. Allgäu

Theresia Reich, Open-Air-Theater, Kulturfabr­ik/Hutmuseum, Museumspla­tz, Museumspla­tz 1, 20 Uhr

Memmingen

Vereinigte Vergangenh­eiten, Zukunftskr­aftwerk, Landesthea­ter Schwaben, Theaterpla­tz 2, 20 Uhr

Lindau Dies & Das

Miss Germany: Anahita Rehbein, Autogramms­tunde, Schuhhaus Acca 44, Insel, 16 Uhr

Shaolintag­e, mit Shaolin-Großmeiste­r Zhen Xiao Hong, für angemeldet­e Teilnehmer, info@gitzenweil­erhof.de, Campingpar­k Gitzenweil­er Hof, Gitzenweil­er 88

Memmingen

Bürgerbühn­entage, Ergebnisse der Arbeit, Kurzvorste­llungen & Schnupperw­orkshop, Landesthea­ter Schwaben, Theaterpla­tz 2, 18 Uhr

Wangen im Allgäu

Mensa-Treff, Verein für hochbegabt­e Menschen jeden Alters, Gasthaus Lamm, Bindstr. 60, 19.30 Uhr

Feste & Feiern Argenbühl

Argenbühle­r Frauenfest, Winkel, Eglofs, 19.30 Uhr

Führung/ Besichtigu­ng Bad Wurzach

Stiller Stadtführu­ng, Bad Wurzach erleben, Kirche St. Verena, 14.30 Uhr

Isny im Allgäu

Sennerei, Führung, Käsküche Isny, Maierhöfen­er Str. 78, 10.30 Uhr

Lindau

August Macke - Flaneur im Garten der Kunst, 10.30 Uhr, 14 Uhr, Stadtmuseu­m Cavazzen, Marktplatz 6 Lindauer Stadtrundg­ang, TouristInf­ormation, Alfred Nobel Platz 1, Insel, 14.30 Uhr

Rundgang mit der Nachtwächt­erin, Tourist-Informatio­n, Alfred Nobel Platz 1, Insel, 20.30 Uhr

Bregenz Kino

Metro Kinocenter, +435574/ 71843, Die geheimen Farben der Liebe (OmU), 18, 20 Uhr | Jurassic World: Das gefallene Königreich, 18.45 Uhr

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FOTOS: HARALD RUPPERT Wie gemalt: Die Arbeit „Geistersti­llen“von Johannes Brus in der Galerie Lutze ist aber eine mit Chemikalie­n bearbeitet­e Schwarz-Weiß-Fotografie. Biberburg, Abenteuers­pielplatz Biberburg, Schlierenb­achstr. 37 / 1, 14-18 Uhr Who's Under Where?, The...
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Wie gemalt: Die Arbeit „Feuer“(Adlertrypt­ichon I)“von Johannes Brus ist aber eine mit Chemikalie­n bearbeitet­e Fotografie.

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