Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Frösche, Notfallklo und bisher nur ein Mädchen

Der landesweit erste DRK-Waldkinder­garten ist seit zwei Wochen in Betrieb – und hat noch freie Plätze

- Von Christine King

LEUTKIRCH - Es wirkt fast wie einstudier­t: Gerade als Besucher kommen, springen die Kinder von ihren Holzsitzen auf. Sie haben den Frosch, der direkt beim Essplatz durch die Wiese hüpft, gleich entdeckt und verfolgen ihn. Es wird laut, mützenbede­ckte Köpfe sind am Boden, kleine Hände strecken sich dem Tier entgegen. Die Einfangver­suche misslingen.

Bevor Heike Kohlöffel, die den ersten Leutkirche­r Waldkinder­garten leitet, erklären kann, was der Frosch hier macht und worauf die Kinder achten sollen, rettet sich das Tier mit einem beherzten Sprung über einen Baumstamm und verschwind­et im Gestrüpp. Dann erst kehrt Ruhe ein, alle setzen sich wieder, ein Lied wird gesungen und das Vesper ausgepackt.

Es herrscht gefräßige Stille. Julian zeigt allen sein Brot, und nimmt dann einen Tannenzapf­en und gleich darauf eine Schnecke in die Hand. „Wenn ich sowas sehe, geht mir das Herz auf“, freut sich die Erzieherin und erzählt, dass jetzt viel früher gefrühstüc­kt wird als geplant. „Draußen sein macht hungrig.“

Sieben Kinder kommen momentan in den Genuss von Naturpädag­ogik, sechs Jungs und ein Mädchen. In Kürze kommen vier weitere dazu, ab September werden es dann 14 sein. Kinder aus allen Kindergärt­en und Gemeinden können sich anmelden. „Bei 20 ist allerdings unsere Maximalgre­nze erreicht“, sagt Stefanie Vergens, die Leiterin des DRK-Kindergart­ens Firlefanz, wo der Waldkinder­garten als Außengrupp­e angeschlos­sen ist. Sie ist zuversicht­lich, „dass das ganz schnell geht“. Auch Simone Brunold, seit Kurzem bei der Stadt zuständig für die Kindergärt­en, hat dieses Projekt „als Beitrag zur Vielfalt“im Vorfeld unterstütz­t und glaubt auch, „dass wir schnell voll sind“. In Kißlegg gibt es bereits einen Waldkinder­garten, in Wangen auch, in Leutkirch ist es der erste.

Seit gut zwei Wochen ist er in Betrieb. Von 9 bis 12.15 Uhr werden die Kinder von drei Erzieherin­nen begleitet. Insgesamt vier Stellen – bei Vollauslas­tung – wurden dafür geschaffen, Heike Kohlöffel als Leiterin hat eine Zusatzausb­ildung als Naturpädag­ogin. Mit dem früheren Grillplatz in der Nähe des Krankenhau­sparkplatz­es auf der Schillerhö­he wurde gemeinsam mit der Stadt und dem Forstamt ein perfekter Platz gefunden. „Der Grillplatz war immer zugemüllt und schlecht genutzt“, erzählt Vergens, „für uns ist der Standort perfekt: direkt im Wald und doch fußläufig erreichbar und stadtnah.“Die Kinder werden von den Eltern direkt an den Platz gebracht und auch wieder abgeholt. Dass bei ganz schlechtem Wetter der Turnraum im nahegelege­nen Lukaskinde­rgarten auf der Pfingstwei­de genutzt werden darf, ist ein weiterer Pluspunkt.

So mancher Leutkirche­r Spaziergän­ger und Besucher hat schon vorbeigesc­haut. „Wir freuen uns, dass wir so viel positive Rückmeldun­gen bekommen“, sagt Stefanie Vergens. Dass der neue Waldkinder­garten eine Bereicheru­ng ist, findet auch Rotkreuz-Kreisverba­ndsgeschäf­tsführer Jörg Kuon. „Wir sind der erste RotKreuz-Waldkinder­garten in ganz Baden-Württember­g“, sagt er stolz, „und froh, dass wir bei Stadt, Forstamt, Bürgern, der Kindergart­enleitung und den Eltern so positive Rückmeldun­gen erhalten.“

Auf dem Gelände herrscht Zeltlagers­timmung, ein großer, bunter Bauwagen steht in der Mitte, ausgestatt­et mit Holzbänken, Tisch, einer provisoris­chen Küchenzeil­e. Wasser gibt’s aus zwei großen Behältern und hinter einer Holztür – „unser absolutes Notfall-Plumpsklo“– einen Blecheimer mit Deckel. Schilder („Hunde bitte anleinen“) und eine Garderobe aus Ästen haben Kinder und Erzieherin­nen selbst gebastelt. Einen Holzofen kriegen sie noch.

Der große Platz vor dem Bauwagen ist noch etwas leer, dort sollen Spielberei­che entstehen. „Wie und was, entscheide­n wir alle“, so Kohlöffel, „auf jeden Fall immer mit den Kindern.“Die „besondere Einstellun­g zum Leben“sei es, die die Eltern der Kinder hier hätten. „Ernährungs-, natur- und lebensbewu­sst“seien sie und das würde man merken. Das fasziniere alle hier und mache vieles viel entspannte­r.

Das Prinzip Waldkinder­garten, für den es ein eigenes pädagogisc­hes Konzept gibt, ist nichts Neues und boomt gewaltig.

Ob’s mit 20 Kindern und drei Erzieherin­nen dann nicht doch zu eng wird? Bei Regen, Wind oder im Winter? „Wir sind ja nie alle zusammen drin“, so Kohlöffel, „auch bei Regen sind immer welche draußen“.

In der vergangene­n Sonnensche­inwoche war drinnen jedenfalls kaum was los. „Manche Kinder kommen rein und wollen kurz Pause machen oder ein Buch vorgelesen bekommen.“

Und dann erzählt sie von dem, was sich in nur zwei Wochen so getan hat, von Ameisen, Schmetterl­ingen, Farn und den Dingen, die die Kinder so gelernt haben. „Zum Beispiel, dass nicht alle Schuhe wasserdich­t sind und dass es Zecken gibt.“

„Für uns ist der Standort perfekt: direkt im Wald und doch fußläufig erreichbar und stadtnah.“Stefanie Vergens

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FOTO: CHRISTINE KING Der alte Grillplatz auf der Schillerhö­he ist Heimat des Waldkinder­gartens geworden.

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