Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Frösche, Notfallklo und bisher nur ein Mädchen
Der landesweit erste DRK-Waldkindergarten ist seit zwei Wochen in Betrieb – und hat noch freie Plätze
LEUTKIRCH - Es wirkt fast wie einstudiert: Gerade als Besucher kommen, springen die Kinder von ihren Holzsitzen auf. Sie haben den Frosch, der direkt beim Essplatz durch die Wiese hüpft, gleich entdeckt und verfolgen ihn. Es wird laut, mützenbedeckte Köpfe sind am Boden, kleine Hände strecken sich dem Tier entgegen. Die Einfangversuche misslingen.
Bevor Heike Kohlöffel, die den ersten Leutkircher Waldkindergarten leitet, erklären kann, was der Frosch hier macht und worauf die Kinder achten sollen, rettet sich das Tier mit einem beherzten Sprung über einen Baumstamm und verschwindet im Gestrüpp. Dann erst kehrt Ruhe ein, alle setzen sich wieder, ein Lied wird gesungen und das Vesper ausgepackt.
Es herrscht gefräßige Stille. Julian zeigt allen sein Brot, und nimmt dann einen Tannenzapfen und gleich darauf eine Schnecke in die Hand. „Wenn ich sowas sehe, geht mir das Herz auf“, freut sich die Erzieherin und erzählt, dass jetzt viel früher gefrühstückt wird als geplant. „Draußen sein macht hungrig.“
Sieben Kinder kommen momentan in den Genuss von Naturpädagogik, sechs Jungs und ein Mädchen. In Kürze kommen vier weitere dazu, ab September werden es dann 14 sein. Kinder aus allen Kindergärten und Gemeinden können sich anmelden. „Bei 20 ist allerdings unsere Maximalgrenze erreicht“, sagt Stefanie Vergens, die Leiterin des DRK-Kindergartens Firlefanz, wo der Waldkindergarten als Außengruppe angeschlossen ist. Sie ist zuversichtlich, „dass das ganz schnell geht“. Auch Simone Brunold, seit Kurzem bei der Stadt zuständig für die Kindergärten, hat dieses Projekt „als Beitrag zur Vielfalt“im Vorfeld unterstützt und glaubt auch, „dass wir schnell voll sind“. In Kißlegg gibt es bereits einen Waldkindergarten, in Wangen auch, in Leutkirch ist es der erste.
Seit gut zwei Wochen ist er in Betrieb. Von 9 bis 12.15 Uhr werden die Kinder von drei Erzieherinnen begleitet. Insgesamt vier Stellen – bei Vollauslastung – wurden dafür geschaffen, Heike Kohlöffel als Leiterin hat eine Zusatzausbildung als Naturpädagogin. Mit dem früheren Grillplatz in der Nähe des Krankenhausparkplatzes auf der Schillerhöhe wurde gemeinsam mit der Stadt und dem Forstamt ein perfekter Platz gefunden. „Der Grillplatz war immer zugemüllt und schlecht genutzt“, erzählt Vergens, „für uns ist der Standort perfekt: direkt im Wald und doch fußläufig erreichbar und stadtnah.“Die Kinder werden von den Eltern direkt an den Platz gebracht und auch wieder abgeholt. Dass bei ganz schlechtem Wetter der Turnraum im nahegelegenen Lukaskindergarten auf der Pfingstweide genutzt werden darf, ist ein weiterer Pluspunkt.
So mancher Leutkircher Spaziergänger und Besucher hat schon vorbeigeschaut. „Wir freuen uns, dass wir so viel positive Rückmeldungen bekommen“, sagt Stefanie Vergens. Dass der neue Waldkindergarten eine Bereicherung ist, findet auch Rotkreuz-Kreisverbandsgeschäftsführer Jörg Kuon. „Wir sind der erste RotKreuz-Waldkindergarten in ganz Baden-Württemberg“, sagt er stolz, „und froh, dass wir bei Stadt, Forstamt, Bürgern, der Kindergartenleitung und den Eltern so positive Rückmeldungen erhalten.“
Auf dem Gelände herrscht Zeltlagerstimmung, ein großer, bunter Bauwagen steht in der Mitte, ausgestattet mit Holzbänken, Tisch, einer provisorischen Küchenzeile. Wasser gibt’s aus zwei großen Behältern und hinter einer Holztür – „unser absolutes Notfall-Plumpsklo“– einen Blecheimer mit Deckel. Schilder („Hunde bitte anleinen“) und eine Garderobe aus Ästen haben Kinder und Erzieherinnen selbst gebastelt. Einen Holzofen kriegen sie noch.
Der große Platz vor dem Bauwagen ist noch etwas leer, dort sollen Spielbereiche entstehen. „Wie und was, entscheiden wir alle“, so Kohlöffel, „auf jeden Fall immer mit den Kindern.“Die „besondere Einstellung zum Leben“sei es, die die Eltern der Kinder hier hätten. „Ernährungs-, natur- und lebensbewusst“seien sie und das würde man merken. Das fasziniere alle hier und mache vieles viel entspannter.
Das Prinzip Waldkindergarten, für den es ein eigenes pädagogisches Konzept gibt, ist nichts Neues und boomt gewaltig.
Ob’s mit 20 Kindern und drei Erzieherinnen dann nicht doch zu eng wird? Bei Regen, Wind oder im Winter? „Wir sind ja nie alle zusammen drin“, so Kohlöffel, „auch bei Regen sind immer welche draußen“.
In der vergangenen Sonnenscheinwoche war drinnen jedenfalls kaum was los. „Manche Kinder kommen rein und wollen kurz Pause machen oder ein Buch vorgelesen bekommen.“
Und dann erzählt sie von dem, was sich in nur zwei Wochen so getan hat, von Ameisen, Schmetterlingen, Farn und den Dingen, die die Kinder so gelernt haben. „Zum Beispiel, dass nicht alle Schuhe wasserdicht sind und dass es Zecken gibt.“
„Für uns ist der Standort perfekt: direkt im Wald und doch fußläufig erreichbar und stadtnah.“Stefanie Vergens