Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Ein Programm zum Mitsingen
Jubiläumsgala auf der Insel Mainau mit einem überragenden Bariton Michael Volle
MAINAU - Schwere graue Wolken hingen schon am Spätnachmittag über dem Bodensee, also war der Wolkenbruch vor Beginn der Veranstaltung keine Überraschung. Unter dem Sonnendach ist es zwar ziemlich trocken, aber aus dem Gras zieht die feuchte Kühle unter die nackten Plastikstühle und die LED-Scheinwerfer über der Bühne beleuchten nur von oben das Orchester, die Atmosphäre wird davon nicht heimeliger. Aber sei’s drum: Die Mainau bietet immer eine gefällige Außenkulisse.
Christian Graf Bernadotte, Präsident des Europäischen KulturForums Mainau e. V., begrüßte die rund 600 Besucher der Jubiläumsgala zum 20-jährigen Bestehen und ließ in einem kurzen Überblick die KonzertHighlights des EKFM Revue passieren. Dann war die Bühne frei für das 50-köpfige Orchester der Ludwigsburger Schlossfestspiele unter dem nimmermüde temperamentvollen Dirigenten Wolfgang Heinz, die Sopranistin Gabriela Scherer, den Tenor Piotr Beczala und den Bariton Michael Volle. Das Programm bot bis zur Pause einen Mix aus den allerbekanntesten Arien von Mozart bis Puccini und im zweiten Teil aus Operette und Musical. Ein Programm quasi zum Mitsingen, wären da nicht die Sänger, die das eindeutig besser können als ein Zuhörer in der Nähe.
Mit vollem Körpereinsatz
Michael Volle, der Sängerdarsteller, ist ein Bühnentier par excellence. Er kann schlicht alles: einen beschwingten Don Giovanni in der „Champagnerarie“ebenso verkörpern wie den Rodrigo, als liebevoller Freund im Duett mit Piotr Beczala in Verdis „Don Carlo“, mit baritonaler Wärme erfüllen. Die liegt bei ihm auch in all seiner Gestik. Er agiert mit dem ganzen Körper, immer konzentriert auf den Moment und doch völlig gelöst – ein Erlebnis, das hier auf ein paar wenigen Quadratmetern Bühne möglich wird.
Köstlich auch sein Schauspielern im Tevje-Lied aus „Anatevka“– hinterher kann man sich keinen anderen Sänger mehr damit vorstellen. Als Graf Danilo in „Da geh’ ich zu Maxim“schildert er in fantastisch präziser Artikulation eine kleine Geschichte, der man plötzlich aufmerksam folgt. Und er schafft es auch, dass bei dem Schmalz „Lippen schweigen“eher Tränen aufsteigen als Sodbrennen. Große Stimme, großes Theater – und das alles bei einem Open-Air-Event, kaum zu glauben.
Völlig gelöst an seiner Seite ist auch die brillante Schweizer Sopranistin Gabriela Scherer. Und natürlich rast das Publikum nach ihrem Duett aus „Die Lustige Witwe“vor Begeisterung – es klingt einfach anders, wenn das zärtliche Paar auf der Bühne auch eines im Leben ist. Zusammen mit dem polnischen Tenor Piotr Beczala, dem 2018 wieder mit zwei großen Preisen bedachten Sängerstar, singt sie Duette aus „La Bohème“und „Die Czárdásfüstin“. Ihr Tremolo umkleidet die Tenorspitzentöne mit schöner Fülle, während sich Beczala mit „La donna è mobile“, „Nessun’ dorma“oder „Dein ist mein ganzes Herz“ins Herz des älteren Publikums singt. Am Ende gab es frenetischen Beifall und zwei launige Zugaben: das „Champagnerlied“aus der „Fledermaus“und das Trinklied aus „La Traviata“, bei dem Michael Volle anstatt mitzusingen pantomimisch herumulkt.
Tiefe Nacht über allem beim Nachhauseweg mit dem Shuttlebus zum stockdunklen Parkplatz. Wie gut, dass einer eine Taschenlampe dabei hat und rechtzeitig vor den quakenden Fröschen abbiegt.