Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Isnyer Trinkwasser: genießbar und getrübt
Die „Wassertankstelle“von Stefan Schädler und was dahinter steckt
ISNY - Der Isnyer Stefan Schädler betreibt eine von über 700 „Wassertankstellen“in Deutschland – als Mitglied im bundesweit aktiven Verein „Wassertankstelle e.V.“(siehe Kasten). Die „Schwäbische Zeitung“hat einen Informationsabend bei Schädler besucht, das von ihm empfohlene Wasser probiert und danach mit Uwe Bauer, dem Wassermeister der Stadt Isny gesprochen. Die wichtigste Erkenntnis vorweg: Das Trinkwasser in Isny ist gut – und absolut genießbar.
Trotzdem macht der Vortrag von Schädler nachdenklich. Der Referent bietet zu Beginn jedem Gast „sauberes, reines, energetisiertes und strukturiertes Wasser“in schlanken Gläsern an. Vier Begriffe, die der 43-jährige Kaufmann in den nächsten 90 Minuten erklären will.
Ad hoc lässt sich kaum ein Unterschied feststellen: Das Getränk schmeckt wie Wasser ohne Kalk, hinterlässt aber ein trockenes Gefühl in der Kehle. „Es regt das Durstgefühl an. Einfach weitertrinken“, rät Schädler, das sei ein ganz normaler und nützlicher Effekt. Etwa 30 Milliliter Wasser pro Kilo und Tag brauche der Mensch, der zu 70 Prozent aus diesem Element bestehe. Viele nähmen die mindestens zwei Liter pro Tag entweder aus der Leitung oder als Mineralwasser aus der Flasche auf.
Keine gute Idee, findet Schädler, der in seiner Präsentation Bilder von dreckigen Wasserleitungen zeigt und Artikel aus der „Süddeutschen Zeitung“, dem „Spiegel“und der „Welt“zitiert, die wahlweise berichten über Hormonbelastung, Medikamentenrückstände, über Mikroplastik-Partikel, bis hin zu kleinen Asseln, die aus den Rohren kriechen.
Zur Veranschaulichung testet Schädler Wasser, das seine Gäste mitgebracht haben. In Gläser eingefüllt, misst er bei jeder Probe den sogenannten Mikrosiemenswert – der Auskunft gibt über den „Leitwert“des Wassers – und erklärt: „Je niedriger der Wert, umso leerer ist das Wasser. Umso besser kann es seine Aufgabe im Körper erfüllen.“
Das bestätigt Professor Ingo Froböse von der Sporthochschule in Köln in einem Video. Der sagt, dass angereichertes Wasser eher schade als gesundheitsfördernd sei. Allgemein gelte: Alles unter dem Wert von 130 Mikrosiemens ist dem Körper nützlich. In Deutschland seien laut Trinkwasserverordnung bis zu 2790 Mikrosiemens erlaubt. „Mineralwasser im Supermarkt hat zum Teil einen Leitwert von um die 4000“, sagt Schädler.
Die Proben aus Isny liegen beim Informationsabend alle um die 480 Mikrosiemens. Für Schädlers „Wasssertankstellenwasser“zeigt ein Display 50 an. Dann gibt er pro Glas zwei Tropfen „Universalindikator auf Basis einer Industrieseife“hinzu. Das Mittel solle „Stoffe binden, die nicht in ein Trinkwasser gehören“– egal ob Leitungsoder Mineralwasser: In den Gläsern bilden sich milchige Schleier. Nur das Wasser der Tankstelle bleibt klar. Was schwimmt in den anderen? „Ich weiß nicht genau, was es bindet“, antwortet Schädler knapp. „Aber würden sie es jetzt noch trinken?“
Dann bietet er seine Lösungen an: Entweder teures, reines und sauberes Wasser in Glasflaschen kaufen; oder eine Molekular-Filtrationsanlage zur Wasseraufbereitung für 3598 Euro bei
„Die Grundwasserleiter kommen aus den Alpen und den Voralpen – wir trinken hier Gletscherwasser.“Uwe Bauer, Isnyer Wassermeister
ihm bestellen. Die 16,5 Zentimeter hohe Kiste werde in der Küche in der Nähe des Spülbeckens verbaut. Aus einem extra Hahn aus Edelstahl komme dann Wasser, das von einem Institut die gleiche Auszeichnung bekommen habe, wie das Heilwasser aus Lourdes oder Millionen Jahre altes Gletscherwasser.
Schädler betont, dass er natürlich keine Heilversprechen machen könne, präsentiert aber eine Liste mit zehn Krankheiten, bei denen ungesättigtes, mineralstoffarmes Wasser helfen könne – darunter Müdigkeit, Diabetes, Allergien, Neurodermitis und Migräne.
Auch der Isnyer Wassermeister Uwe Bauer hat vor einiger Zeit einen Vortrag bei Stefan Schädler besucht – und war erstaunt: „Ich freue mich über die Sensibilisierung der Leute – das ist gut“, sagt er. Schon von Berufswegen liege ihm die Qualität des Trinkwassers sehr am Herzen. Daraus ergibt sich auch sein klarer Standpunkt: „In anderen Regionen Deutschlands sind Aufbereitungsanlagen sicher sinnvoll.“
In Isny seien die Strecken der Trinkwasserversorgung kurz: Fünf Pumpen holen das Wasser aus 30 Metern Tiefe, am Ursprung der Ach und in Burkwang. „Die Grundwasserleiter kommen aus den Alpen und den Voralpen – wir trinken hier Gletscherwasser“, sagt Bauer. Die Frage aber: Was war dann der graue Schleier beim Test mit der Indikator-Flüssigkeit? „Keine Ahnung“, sagt Bauer, er habe bei dem Vortrag selbst über die Verfärbung gestaunt. Er sagt: „Natürlich ist das Leitungswasser in Isny unterm Mikroskop nicht lupenrein, da sind Mikroorganismen drin – keine Frage. Das ist normal.“Allerdings habe die Stadt Isny schon immer großen Wert auf umfassende Wasseranalysen gelegt. Das Ergebnis: Alle Werte, die regelmäßig und einmal im Jahr in einem großen Test geprüft würden, seien nach der Trinkwasserverordnung im gesetzlich vorgeschriebenen Bereich.
Und Mikroplastik? „Das wird erst seit circa fünf Jahren mituntersucht, aber auch da stellen wir keine Veränderung der Werte fest“, betont Bauer. Sein Fazit: Es bleibe jedem selbst überlassen, ob er in eine Aufbereitungsanlage investiere. Was die Leute für ihr Trinkwasser ausgeben wollen, müsse jeder selbst entscheiden. „Aber es freut mich, dass die Menschen sensibler werden.“
Bei diesem Satz zeigt Bauer auf eine Postkarte, die in seinem Büro an der Wand lehnt. Auf der steht: „Wir werden den Wert von Wasser erst verstehen, wenn der Brunnen leer ist.“