Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Kunst (f)liegt in der Luft
Das Museum der Brotkultur in Ulm zeigt den dritten Teil seiner Elemente-Trilogie
ULM - Etwa 23 000 Mal atmet der Mensch pro Tag: Die Luft ist die wohl lebensnotwendigste Ressource, ohne sie kann der Mensch keine fünf Minuten überleben. Der dritte Teil der Ausstellungstrilogie „Wasser, Erde, Luft“des Museums der Brotkultur widmet sich daher den „Lebensmittel Luft“. Neben Bildern und Objekten zum Thema – die teilweise ganz aktuell entstanden, teilweise aus den Beständen des Hauses stammen – gibt es auch wissenschaftliche Informationen zur Luft und ein elfminütiges Video, das die globalen Luftbewegungen des Jahres 2017 rafft.
„Seltsam, im Nebel zu wandern!“, dichtete Hermann Hesse 1905. Der Faszination der Assoziationen zum Nebel, die im Betrachter angesichts der großformatigen Bilder des in München geborenen Fotografen Benedikt Partenheimer entstehen, kann sich wohl kaum jemand entziehen: Partenheimer fotografierte für die Serie „Air Quality Index“asiatische Großstädte, die im FeinstaubNebel versinken.
Doch der Smog verliert in diesen Fotografien seine Bedrohlichkeit, wenn Häuser und Gegenstände auf unwirkliche Weise unscharf werden. Fast wie Gemälde wirken auch die großflächigen Wolkengebilde-Fotografien von Camille Seaman.
Die Ideen innovativer Start-upFirmen, Schadstoffe aus der Luft zu filtern, mögen utopisch wirken und ein wenig wie Luftschlösser. Ihnen gegenüber positioniert die Heidelberger Künstlerin Anna Debora Zimmermann ihr 2016 erstmals aufgebautes transparent-transzendentes Kunstwerk „Les Misérables“, das in Zusammenwirkung mit wispernden Stimmen vielfältige Assoziationen ermöglicht. Luftig und leicht schweben die halb durchsichtigen Schwimmflügel an Fäden wie Schwärme geflügelter Wesen.
Verbessert Globalisierung die Welt – oder sollte sie uns Angst machen? Ist Technik Schutz oder Bedrohung? Ein eigens für die Ausstellung geschaffenes interaktives Exponat des Kölner Künstlers Björn Schülke assoziiert diese Fragen. Schülke konstruiert absurde Objekte, die von Forschung und Wissenschaft inspiriert sind.
Seine neue Arbeit erinnert an eine Raumsonde, an die klassische Orgelpfeifen samt Blasebälgen montiert sind. Es wirkt, als würde das seltsame Ding gleich in den Weltraum abheben. Aber hier kommt Schülkes satirischer Humor ins Spiel. „Dem Objekt ginge beim Start in den Weltraum schnell die Luft aus“, sagt er.
Bilder aus den Beständen des Museums der Brotkultur zeigen Vorstellungen von Luft und Wetter aus der Vergangenheit: Die Ernährung von Mensch und Tier war dem unsichtbaren, unbeherrschbaren Element unmittelbar und kurzfristig ausgeliefert. Gott oder Götter konnten gedeihliches Wetter schenken – oder furchtbare Hungersnöte schicken, wie jene schlimmste Hungerkatastrophe Europas im 19. Jahrhundert, verursacht durch den Ausbruch des Vulkans Tambora in Indonesien im Jahr 1815. Das „Jahr ohne Sommer“vernichtete die Ernte in Teilen der nördlichen Hemisphäre nahezu vollständig. Der Mensch versuchte, Gott (oder in anderen Religionen Götter) mit Opfern, mit Gebeten, kultischen Handlungen oder Wetter-Prozessionen gnädig zu stimmen.
Die Ausstellung ist bis zum 9. September 2018 zu sehen.