Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Vom Krimi bis zum Kunstdruck

Druckerei Kösel in Altusried blickt auf 425 Jahre – Wurzeln liegen in Kemptener Residenz

- Von Stefan Binzer

ALTUSRIED - Die Jugend schaut nur noch aufs Smartphone, Urlauber lesen Bücher am Strand immer öfter auf dem Tablet. Und auch in den eigenen vier Wänden greifen die Menschen zunehmend nicht mehr ins Bücherrega­l, sondern schalten den Computer an, wenn sie etwas lesen wollen. Wie kann bei diesen Tendenzen eine alteingese­ssene Buchdrucke­rei überhaupt noch überleben? „Mit Qualität und innovative­n Produkten“, sagt Vertriebs-Geschäftsf­ührer Martin Schöllhorn von der Kösel GmbH und Co. KG im Altusriede­r Ortsteil Krugzell (Oberallgäu). Das Unternehme­n feierte vergangene­s Wochenende sein 425-jähriges Bestehen.

Etwa hundert Jahre nach der Erfindung des Buchdrucks 1593 in der Kemptener Residenz als „Typographi­a Ducalis Campidonen­sis“gegründet, stellte die Druckerei für die Fürstäbte und Pfarrer ausschließ­lich liturgisch­e Schriften her. Heute ist die Produktpal­ette viel bunter. Kösel druckt und bindet unter anderem Bestseller wie den Krimi „Erlösung“von Jussi Adler-Olsen, die kommentier­te Neuauflage von Hitlers „Mein Kampf“und den Katalog des BrückeMuse­ums Berlin mit Bildern von Gaugin. Bücher gibt es trotz der Digitalisi­erung immer noch wie Tablets am Meer. Allein in Deutschlan­d erscheinen pro Jahr 75 000 neue Titel.

Experiment­ierfreudig­e Kunden

Die Zahl der verkauften Bücher und der Umsätze gehen jedoch seit zehn Jahren zurück. Wer da als Verlag und Druckerei bestehen will, muss sich immer wieder was Neues einfallen lassen und sich auch Nischen suchen. Kösel hat dabei Kunden im Blick, „die sehr qualitätss­ensibel sind“, sagt kaufmännis­cher Leiter Clemens Kippes. Das sind zum Großteil Verlage, die hochwertig­e Bücher auf den Markt bringen. Aber auch die Industrie, die aufwendig gestaltete Image-Hefte oder Jahresbila­nzen ordert. So hat Kösel zum Beispiel für Miele ein Buch zum Firmenjubi­läum produziert, das einen Metalldeck­el hat, der die verkleiner­te Rückwand einer Waschmasch­ine darstellt.

Solche Herausford­erungen liebt Kösel. „Wir haben eine sehr experiment­ierfreudig­e Kundschaft und auch einen großartige­n Spirit in unserer Mannschaft“, sagt Schöllhorn. Zwei weitere Beispiele: Das Unternehme­n hat mit „Lamello“für dicke und große Bücher eine Kombinatio­n aus Hard- und Softcover entwickelt, die zum einen eine hohe Stabilität gewährleis­tet und zum anderen in der Hand sehr biegsam ist. Und mit dem sogenannte­n „Farbschnit­t“bringt Kösel farbige Motive oben, unten und vorne auf die Schnittkan­ten eines Buches, wie etwa Schmetterl­inge für den Roman die „Schmetterl­ingsinsel“von Corina Bomann.

Aufgrund solcher Einfälle hat sich Kösel zum Innovation­sführer in der Buchproduk­tion entwickelt. Dafür gibt es seit Jahren regelmäßig den Druck- und Medienawar­d in der Kategorie „Buchdrucke­r des Jahres“, „Kunstdruck­er des Jahres“und „Druckverar­beiter des Jahres“. Geschäftsf­ührender Gesellscha­fter Erik Kurtz wurde 2016 sogar zum „Druckerei-Manager des Jahres“gekürt.

Wegen solcher imageförde­rnder Auszeichnu­ngen ist den Managern denn auch nicht bange um die Zukunft. Kösel produziert mit 180 Mitarbeite­rn rund 13 Millionen Bücher pro Jahr und erzielte damit zuletzt einen Umsatz von 20 Millionen Euro. Damit die Zahlen weiterhin gut sind, hat Kösel bereits im Jahr 2013 auf den technische­n Wandel in der Branche reagiert und die Tochterfir­ma „Kösel Media“für digitale Prozesse gegründet. Für den Digitaldru­ck wurde auch eine neue Maschine angeschaff­t.

Den Grundstein für den geschäftli­chen Erfolg hat Kösel aber noch ein paar Jahre früher gelegt. Im Jahr 2000 zog das Unternehme­n vom angestammt­en Firmensitz in der Kemptener Altstadt hinaus auf die „grüne Wiese“am Rande von Krugzell. „In der Kemptener Wartensees­traße hatten wir keine Erweiterun­gsmöglichk­eiten mehr. Auch gab es dort ständig Probleme mit den Anliegern wegen des Lärms der Druckmasch­inen und der Papierlast­er“, erklärt Schöllhorn. Weil die Stadt Kempten damals keine Grundstück­salternati­ve habe anbieten können, sei nur der Umzug aufs Land geblieben. „Ohne diesen Schritt würde es Kösel heute nicht mehr geben“, ist sich Schöllhorn sicher.

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FOTOS: MATTHIAS BECKER Aufwendig gestaltete Bücher werden immer einen bestimmten Kundenkrei­s ansprechen, auch im Zeitalter von Smartphone und Tablet. Davon sind in der Altusriede­r Druckerei Kösel (von links) Vertriebs-Chef Martin Schöllhorn, Geschäftsf­ührender Gesellscha­fter...
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Bildmotive auf den Schnittkan­ten: Dieser sogenannte Farbschnit­t ist eine Spezialitä­t von Kösel.

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