Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Vom Krimi bis zum Kunstdruck
Druckerei Kösel in Altusried blickt auf 425 Jahre – Wurzeln liegen in Kemptener Residenz
ALTUSRIED - Die Jugend schaut nur noch aufs Smartphone, Urlauber lesen Bücher am Strand immer öfter auf dem Tablet. Und auch in den eigenen vier Wänden greifen die Menschen zunehmend nicht mehr ins Bücherregal, sondern schalten den Computer an, wenn sie etwas lesen wollen. Wie kann bei diesen Tendenzen eine alteingesessene Buchdruckerei überhaupt noch überleben? „Mit Qualität und innovativen Produkten“, sagt Vertriebs-Geschäftsführer Martin Schöllhorn von der Kösel GmbH und Co. KG im Altusrieder Ortsteil Krugzell (Oberallgäu). Das Unternehmen feierte vergangenes Wochenende sein 425-jähriges Bestehen.
Etwa hundert Jahre nach der Erfindung des Buchdrucks 1593 in der Kemptener Residenz als „Typographia Ducalis Campidonensis“gegründet, stellte die Druckerei für die Fürstäbte und Pfarrer ausschließlich liturgische Schriften her. Heute ist die Produktpalette viel bunter. Kösel druckt und bindet unter anderem Bestseller wie den Krimi „Erlösung“von Jussi Adler-Olsen, die kommentierte Neuauflage von Hitlers „Mein Kampf“und den Katalog des BrückeMuseums Berlin mit Bildern von Gaugin. Bücher gibt es trotz der Digitalisierung immer noch wie Tablets am Meer. Allein in Deutschland erscheinen pro Jahr 75 000 neue Titel.
Experimentierfreudige Kunden
Die Zahl der verkauften Bücher und der Umsätze gehen jedoch seit zehn Jahren zurück. Wer da als Verlag und Druckerei bestehen will, muss sich immer wieder was Neues einfallen lassen und sich auch Nischen suchen. Kösel hat dabei Kunden im Blick, „die sehr qualitätssensibel sind“, sagt kaufmännischer Leiter Clemens Kippes. Das sind zum Großteil Verlage, die hochwertige Bücher auf den Markt bringen. Aber auch die Industrie, die aufwendig gestaltete Image-Hefte oder Jahresbilanzen ordert. So hat Kösel zum Beispiel für Miele ein Buch zum Firmenjubiläum produziert, das einen Metalldeckel hat, der die verkleinerte Rückwand einer Waschmaschine darstellt.
Solche Herausforderungen liebt Kösel. „Wir haben eine sehr experimentierfreudige Kundschaft und auch einen großartigen Spirit in unserer Mannschaft“, sagt Schöllhorn. Zwei weitere Beispiele: Das Unternehmen hat mit „Lamello“für dicke und große Bücher eine Kombination aus Hard- und Softcover entwickelt, die zum einen eine hohe Stabilität gewährleistet und zum anderen in der Hand sehr biegsam ist. Und mit dem sogenannten „Farbschnitt“bringt Kösel farbige Motive oben, unten und vorne auf die Schnittkanten eines Buches, wie etwa Schmetterlinge für den Roman die „Schmetterlingsinsel“von Corina Bomann.
Aufgrund solcher Einfälle hat sich Kösel zum Innovationsführer in der Buchproduktion entwickelt. Dafür gibt es seit Jahren regelmäßig den Druck- und Medienaward in der Kategorie „Buchdrucker des Jahres“, „Kunstdrucker des Jahres“und „Druckverarbeiter des Jahres“. Geschäftsführender Gesellschafter Erik Kurtz wurde 2016 sogar zum „Druckerei-Manager des Jahres“gekürt.
Wegen solcher imagefördernder Auszeichnungen ist den Managern denn auch nicht bange um die Zukunft. Kösel produziert mit 180 Mitarbeitern rund 13 Millionen Bücher pro Jahr und erzielte damit zuletzt einen Umsatz von 20 Millionen Euro. Damit die Zahlen weiterhin gut sind, hat Kösel bereits im Jahr 2013 auf den technischen Wandel in der Branche reagiert und die Tochterfirma „Kösel Media“für digitale Prozesse gegründet. Für den Digitaldruck wurde auch eine neue Maschine angeschafft.
Den Grundstein für den geschäftlichen Erfolg hat Kösel aber noch ein paar Jahre früher gelegt. Im Jahr 2000 zog das Unternehmen vom angestammten Firmensitz in der Kemptener Altstadt hinaus auf die „grüne Wiese“am Rande von Krugzell. „In der Kemptener Wartenseestraße hatten wir keine Erweiterungsmöglichkeiten mehr. Auch gab es dort ständig Probleme mit den Anliegern wegen des Lärms der Druckmaschinen und der Papierlaster“, erklärt Schöllhorn. Weil die Stadt Kempten damals keine Grundstücksalternative habe anbieten können, sei nur der Umzug aufs Land geblieben. „Ohne diesen Schritt würde es Kösel heute nicht mehr geben“, ist sich Schöllhorn sicher.