Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Getümmel im Grünen

Biologen kartieren die Natur neben der B 12 – Wie wirkt sich der Ausbau aus?

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BETZIGAU (jes) - Gemächlich fliegt der weiß gepunktete Falter über die Wiese. Im Hintergrun­d ist nur ab und an das Rauschen von vorbeifahr­enden Lastwagen zu hören. Und dann: Wusch – ein Kescher saust vorbei und der Falter ist im Netz. Doch Angst braucht er nicht zu haben, denn Maximilian von Vequel-Westernach wird ihn gleich wieder freilassen. Zuerst aber stupst er das kleine Tier behutsam in ein leeres Joghurtgla­s, ausstaffie­rt mit einem Grashalm. Ein paar Blicke von rechts, links, oben und unten und der Biologe weiß: Es ist ein Baldrian-Scheckenfa­lter. „Er hat schon einen gewissen Status, Rote Liste Stufe 3“– gefährdet also. „Aber nach der speziellen artenschut­zrechtlich­en Prüfung nicht relevant“, resümiert von Vequel-Westernach und macht sich kurz Notizen auf seinem Handy. Und schwupp, schon darf der Falter wieder weiterzieh­en.

Den ganzen Sommer über ist der Biologe in zuvor ausgewählt­en Naturgebie­ten unterwegs – immer an der B 12 im Planungsab­schnitt 1 zwischen Kempten und Wildpoldsr­ied entlang. „Es geht darum, vor dem Ausbau die vorhandene­n Artengrupp­en zu erfassen“, erklärt von VequelWest­ernach. Denn auf jede Art wirke sich der zusätzlich­e Verkehr anders aus. Zu der Streuwiese bei Betzigau wird er im Hochsommer und Herbst zurückkehr­en, denn dann sind wieder andere Tiere zu finden – etwa Vögel, die dann noch in ihrem Winterquar­tier sind.

Das Ziel: Herausfind­en, welche Auswirkung­en der vierspurig­e Ausbau auf die Natur hat und wie das Staatliche Bauamt diese ausgleiche­n kann, sagt Abteilungs­leiter Thomas Hanrieder. Anders als bei einem Neubau „hat sich die Natur schon mit der Straße arrangiert“. Die Stö- rung sei also schon länger da, nehme nun aber zu. Dabei sind die sogenannte­n faunistisc­hen Kartierung­en und der Artenschut­z nur zwei von zahlreiche­n Bausteinen. Sie alle – von der Verkehrssi­cherheit über den Flächenver­brauch bis zum Gewässer- und Denkmalsch­utz – fließen in die Voruntersu­chungen ein.

Und wenn die Biologen nun eine vom Aussterben bedrohte Art finden? „Dann müssen wir reagieren“, sagt Hanrieder. Bedeutet konkret: Umsiedeln, den Ausbau anpassen oder ein Biotop in der Nähe aufwer- ten, damit das Tier von selbst umzieht. Aber auch das seien nur einige der möglichen Lösungen. So oder so gilt: Jede Entscheidu­ng müsse individuel­l getroffen werden.

Doch nach einem unerwartet­en, seltenen Fall sieht es bisher nicht aus. „Es sind alles Arten, die man hier erwarten kann“, sagt von VequelWest­ernach. In den nächsten Monaten wird er die Kartenwerk­e erneuern. Am Wolkenberg­er Weiher ist er etwa auf ein Wald-Wiesenvöge­lchen gestoßen, das dort noch nicht vermerkt war.

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FOTO: JESSICA STIEGELMAY­ER Ob Wald, Streuwiese oder Moorgebiet: Biologe Maximilian von Vequel- Westernach sucht in den nächsten Monaten Lebensräum­e rund um die B 12 nach Tieren ab.

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