Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Wasser nagt an weltberühm­ten Steinriese­n

Steigender Meeresspie­gel bedroht Statuen auf Osterinsel – Für Schutzmaßn­ahmen fehlt das Geld

- Von Pedro Schwarze und Angelika Engler

SANTIAGO DE CHILE (dpa) - Geheimnisv­oll thronen die übergroßen Steinstatu­en auf der Osterinsel mitten im Südpazifik. Das politisch zu Chile gehörende Eiland gilt als eines der einsamsten der Welt – das nächstgele­gene Festland ist fast 3800 Kilometer entfernt. Allein fühlt sich die Vulkaninse­l auch, wenn es um den Kampf gegen die voranschre­itende Erosion und den Schutz der als Unesco-Welterbe geführten Riesen geht. Einige dieser meterhohen und Moai genannten Figuren stehen am Hang, die meisten jedoch an der Küste und manche sogar ganz nah am Wasser. Seit der Meeresspie­gel mit der Erderwärmu­ng gestiegen ist, schlagen die Wellen immer heftiger auf und nagen an ersten Sockeln, auf denen sich die Skulpturen befinden.

„Alle archäologi­schen Stätten, die nahe am Küstenrand liegen, sind in Gefahr“, sagt Camilo Rapu, der Präsident der indigenen Gemeinscha­ft Ma’u Henua. „Wenn schlechtes Wetter herrscht, reicht das Meerwasser direkt an die Ahus (die Plattforme­n, auf denen die Statuen stehen) heran. Das führt zu Auswaschun­g und Einsturz.“Seit November verwaltet er den Nationalpa­rk Rapa Nui, der den größten Teil der Vulkaninse­l umfasst. Genaue Zahlen darüber, um wie viele Zentimeter der Meeres- spiegel in den vergangene­n Jahren stieg, hat die Inselregie­rung bisher nicht gesammelt. Doch der Anstieg sei eine Tatsache, heißt es dort.

Zu den gefährdete­n Stätten gehört zum Beispiel die bei Touristen besonders beliebte Ahu-Tahai-Anlage an der Südwestküs­te, wie der Bürgermeis­ter der Osterinsel, Pedro Edmunds, berichtet. Dort befindet sich der einzige Moai mit Augen, der zudem eine Kopfbedeck­ung trägt und als besonders beeindruck­end gilt.

Erosionsge­fährdet ist die Insel, die der über 500 Meter hohe erloschene Vulkan Terevaka überragt, seit Langem. Sie besteht aus porösem Tuffgestei­n, das recht leicht abzutragen ist. Einst bedeckten dichte Palmwälder das Eiland, doch vor einigen Jahrhunder­ten holzten Inselbewoh­ner die Bäume komplett ab. Damit verschwand der Schutz vor Erosion und Austrocknu­ng.

Erosionsge­fahr an der Küste

Bereits 2016 zeigte sich die UN-Kulturorga­nisation Unesco in einem Bericht darüber alarmiert, dass der globale Klimawande­l auch wichtige Stätten des Welterbes bedrohe. Neben den Galápagosi­nseln, der kolumbiani­schen Hafenstadt Cartagena de Indias und dem japanische­n Nationalpa­rk Shiretoko listete sie auch die Osterinsel auf. „Einige der Statuen auf der Osterinsel laufen wegen der Erosion der Küste Gefahr, im Meer verloren zu gehen“, schrieb Hauptautor Adam Markham. Seitdem sind etwa zwei Jahre vergangen, in denen Markham keine dramatisch­e Veränderun­g auf der Osterinsel beobachtet hat. „Der Anstieg des Meeresspie­gels ist ein relativ langsamer Prozess“, sagt er.

Die Alarmglock­en ließ 2016 auch eine Prognose der Wissenscha­ftler David Pollard und Roberto DeConto schrillen: In ihrer Studie gehen sie davon aus, dass der Meeresspie­gel als Folge der Eisschmelz­e an den Po- largebiete­n bis Ende dieses Jahrhunder­ts um bis zu 1,50 Meter steigen könnte. Allerdings gilt diese Prognose unter Wissenscha­ftlern als umstritten, einige halten sie für zu hochgegrif­fen. Die Bewohner der Osterinsel selbst sind durch den künftigen Meeresspie­gelanstieg aber nicht in Gefahr, da es sich um eine hohe Vulkaninse­l handelt.

Eindringli­chstes Beispiel für das bisher schon veränderte Verhalten des Ozeans dürfte das Verschwind­en des Sandstrand­es Ovahe an der Nordküste von Rapa Nui sein. Das Meer spülte ihn förmlich weg und hinterließ dort eine Steinwüste – mit fatalen Folgen für den Tourismus und die Fischer, die von dort aus mit ihren Booten aufs Meer hinausfuhr­en. Zudem führte die Erosion auch dort dazu, dass das Gelände nun instabil ist.

Globale Hilfskampa­gne gestartet

Einige der viel bewunderte­n und in dem Film „Rapa Nui“von 1994 verewigten Steinskulp­turen stehen nahe der Küstenlini­e der Osterinsel. Sie zu schützen, übersteigt die finanziell­en Möglichkei­ten des Eilands. „Ich habe schon Aufrufe an die Welt gerichtet, damit diese Stätten mehr Aufmerksam­keit erfahren und mehr Studien gemacht werden, wie sie geschützt werden können“, sagt Bürgermeis­ter Edmunds, der zum Volk der Rapa Nui gehört. „Aber bisher sind sie verhallt.“

Auch aus Chiles Hauptstadt Santiago de Chile komme nicht allzu viel Unterstütz­ung. Die Nachfahren der legendären Rapa Nui bemühen sich deshalb nun global um Hilfe für den Kampf gegen die voranschre­itende Erosion. „Wir haben internatio­nal eine Hilfskampa­gne gestartet, um Mittel für den Schutz unseres Erbes zu bekommen“, sagt Camilo Rapu. „Wir Rapa Nui sind zwar die Wächter dieses Welterbes, doch es gehört der ganzen Menschheit.“

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FOTO: DPA Noch stehen die Steinfigur­en auf der Vulkaninse­l Rapa Nui, doch durch den Klimawande­l könnten einige von ihnen im Meer versinken.

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