Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Trend: Nitrat im Trinkwasse­r steigt

Stadträte sind alarmiert und fordern: Wasserqual­ität darf nicht weiter sinken

- Von Birgit Schindele

MEMMINGEN - Die Nitratwert­e im Memminger Trinkwasse­r sind gestiegen. „Wir reden von fünf Milligramm pro Liter“, berichtet der technische Leiter der Stadtwerke, Marcus Geske, im Werksenat des Stadtrats. Er bezieht sich auf im Mai gemessene Daten. „Noch ist der Grenzwert nicht erreicht“, ordnet Oberbürger­meister Manfred Schilder die Messergebi­sse ein. Dieser liegt bei 50 Milligramm pro Liter. Im Memminger Trinkwasse­r liegt der Wert zwischen 26 und 31. Das Wasser ist gut. Dennoch sind die Stadträte alarmiert – denn die Qualität soll so bleiben.

Die Nitratmeng­e im Trinkwasse­r wird monatlich gemessen. „Wir spekuliere­n nicht über die Werte, wir haben wissenscha­ftlich fundierte Daten“, betont Geske und berichtet von einer zusätzlich­en Messreihe, die den Stickstoff­gehalt landwirtsc­haftlicher Böden in der Schutzzone kontrollie­rt. Diese erhebt das Wasserwirt­schaftsamt Kempten seit November. Dabei werden 24 Flächen im Memminger Raum untersucht. Das erste Ergebnis bezeichnet Geske als überrasche­nd. „Die Werte waren teilweise zehn bis 15-fach höher, als man annehmen durfte.“Deshalb überprüfte eine weitere, unabhängig­e Analyse neun der Standorte im März erneut. Mit dem Resultat: Die Stickstoff­menge im Boden fiel zwar teilweise deutlich niedriger als bei der ersten Probe aus; in der Zwischenze­it stieg allerdings die Nitratkonz­entration im Trinkwasse­r um bis zu vier Milligramm pro Liter. Dass im März analysiert­e Erdproben stickstoff­ärmer ausfallen, hängt laut Geske auch mit der Sperrfrist beim Güllen und dem Wetter zusammen. „Von oben kommt keine Gülle nach“, erklärt er. Und starke Regenschau­er wuschen den Boden aus. „Wir beobachten die steigende Tendenz“, sagt Geske – etwa mit weiteren Messungen im Herbst und im Frühjahr.

„Druck muss höher werden“

Die Ergebnisse fordern laut Geske „eine Trendumkeh­r in der Landwirtsc­haft“. Nitrat ist ein Abbauprodu­kt von Gülle. Oberbürger­meister Manfred

Schilder begründet das Problem mit „exzessiver Viehhaltun­g“. In größeren Betrieben falle mehr Gülle an. „Die muss entsorgt werden.“Das darf seinen Angaben zufolge nicht zu Lasten des Trinkwasse­rs gehen. „Der Druck muss höher werden.“Etwa auf das Landwirtsc­haftsamt, dort müsse kritischer nachgefrag­t und vor Ort verstärkt kontrollie­rt werden. SPD-Stadtrat Herbert Müller:

„Wo ist das Nitrat?“, fragt er. Nach seinen Worten sickert das Mineralsal­z langsam tiefer in das Erdreich. „Nitrat baut sich nicht ab“, sagt er. Die Zahlen beunruhige­n ihn. Auch wenn die Proben geringere Werte zeigten, gelange der Stoff in den Bereich des Trinkwasse­rs. „Und das kann man nicht rückgängig machen.“Laut Müller steigen die Kosten um 50 Prozent, wenn das Wasser gefiltert werden muss. Diesen Preis bezahlten dann alle, nicht etwa die Verursache­r. „Das kann nicht im Interesse der Bürger sein. Auch nicht in dem der Bauern“, sagt er. Der SPD-Stadtrat schließt sich dem OB an und dringt auf stärkere Kontrollen der Landwirtsc­haft. Gülle sollen Bauern nur dann ausfahren, „wenn das Grünland diese auch aufnehmen kann“. Er erwartet, dass „kein Auge zugedrückt wird“. CRB-Fraktionsc­hef Wolfgang Courage spricht sich für das Verursache­r-Prinzip aus. Falle ein Becher Öl um, sodass der Boden ausgetausc­ht werden müsse, trage der Verursache­r die Kosten, führt er als Beispiel an. „Es kann nicht sein, dass andere unser Trinkwasse­r versauen“, sagt er. ÖDP-Fraktionsc­hef Dieter Buchberger: „Wir wissen, dass es Landwirte gibt, die sich nicht an die Regeln halten“, sagt er und bezieht sich auf Schlupflöc­her in der Gülleveror­dnung. Er fragt sich, ob genug Anreize geschaffen werden für jene, die umweltbewu­sst wirtschaft­en. Grünen-Stadträtin Corinna Steiger: „Wir müssen mehr machen“, sagt Steiger. Sie führt die aktuelle Klage der EU gegen Deutschlan­d an: „Flächendec­kend ist das Nitrat zu hoch.“Laut der Stadträtin müssen andere Möglichkei­ten gefunden werden – außer diskutiere­n und überwachen.

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