Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Aufbereiten und weitergeben, was im Müll landen würde
Zehn Jahre Tafelladen Isny – Rund 200 Kunden werden mit Lebensnotwendigem versorgt
ISNY - Montags und mittwochs geht’s im Tafelladen in der Espantorstraße rund: Spätestens ab 9 Uhr wird dort geschafft – ehrenamtlich. Gespendete Lebensmittel werden angeliefert, sortiert, gewaschen, „aufgehübscht“, wenn nötig auch verantwortungsvoll entsorgt. Gegen Mittag wird der Laden einladend hergerichtet, mit Ladentisch und Kasse am Ausgang.
Eine Besonderheit ist allerdings die Empfangsstation. Dort wird der Einkaufs-Berechtigungsschein kontrolliert und auch die Kundennummer einer Person mit der ihr zugewiesenem Einkaufstag und mit genauer Uhrzeit verglichen. Wer zu früh kommt, muss vor der Tür warten. Ab 13.30 Uhr ist Einlass.
Insgesamt sind es in Isny mit Ortschaften rund 200 Bedürftige, die ohne Tafel schlecht oder gar nicht über die Runden kommen würden. „Mit strenger Ordnung und Disziplin, aber auch mit Freundlichkeit und Wertschätzung den Kunden gegenüber, kommen wir in der Tafel problemlos zurecht. So können wir am ehesten auch ein gutes Miteinander zwischen Ehrenamtlichen und Kunden gewährleisten und Konflikte vermieden werden“, sagt Susanne Pfeffer, die von der Caritas beauftragte Ehrenamtskoordinatorin der Tafeln in Wangen, Bad Wurzach, Leutkirch und Isny.
„Für bedürftige Menschen etwas tun zu können, gibt uns ein gutes Gefühl. Und wenn die Dinge gut geregelt sind, dann macht die Arbeit sogar richtig Freude“, ist aus Reihen der Ehrenamtlichen zu hören. Und die Kameradschaft untereinander sei prima.
Norbert Kaiser ist mittwochs der Teamchef und ist auch der Erste im Tafelladen, ehe gegen 9 Uhr die anderen Ehrenamtlichen dazustoßen. Er setzt die Technik in Gang und auch die Kaffeemaschine im „Personal-Kämmerle“, stellt Handtücher bereit und Gummihandschuhe, holt die Entsorgungstonnen für Restmüll, Biomüll und jene für Tierfutter aus dem Depot. Wer ankommt, weiß sofort was zu tun ist: Ware aus dem Kühlraum kommt in die Kühltheke, haltbare wird aus dem Lagerraum geholt und Regale im Verkaufsraum aufgefüllt, so viel, dass sich rund 40 Personen maßvoll und ausreichend mit Lebensmitteln und einigen unverzichtbaren Haushaltsutensilien versorgt werden können.
Gegen 10 Uhr fahren Elmar Mair und Lothar Sehring mit dem TafelTransporter vor, entladen und schieben Kiste für Kiste in die Aufbereitungsräume. Sie haben an diesem Tag schon sehr früh zuerst die Restbestände im Leutkircher Tafelladen aufgeladen, die dort am Vortag übrig blieben. Dann haben sie alle Spender in und um Isny angefahren, insbesondere die großen Discounter und die Bäckereien, um die bereitgestellten Waren mitzunehmen.
„Wir sehen gleich, was sich noch lohnt zu putzen, zu sortieren und frisch und appetitlich herzurichten“, sagt eine Mitarbeiterin mit einer Erdbeerkiste im Arm. Die großen Geschäfte hätten eben keine Zeit, um wenigstens zu entscheiden, ob sich die Mühe der Auslese noch lohnt. Im Tante Emma-Laden früher habe die Verkäuferin morgens die welken Blätter selbst weggepflückt oder die drei faulen Äpfel oder Orangen in der Kiste selbst ausgelesen. „Das machen wir hier gemeinsam“, erklärt Kaiser, „und wir sind überzeugt, dass wir dadurch für einen verantwortungsvollen Umgang mit Lebensmitteln sorgen. Sie gehörten in den Magen und nicht in die Müllverbrennungsanlage. Mehr noch: Essbares kommt den Bedürftigen in unserer Gesellschaft zugute.“
Tafelkunden seien Personen mit geringem Verdienst oder kleiner Rente, oft seien es alleinerziehende Mütter oder auch kinderreiche Familien, Personen mit gesundheitlichen Einschränkungen. Kurzfristige oder dauerhafte Armut könne sehr viele Gründe haben, überraschende und unverschuldete, so die Erfahrung von Susanne Pfeffer.
Jede Woche taucht sie in allen vier Tafelläden auf um zu sehen, ob alles rund läuft. Sie ist zuständig für die komplette Organisation, für die Kommunikation mit den Spendern und Ämtern und auch für die ausreichende personelle Besetzung. „Wir leben ständig mit Überraschungen und wir müssen deshalb immer wieder nachjustieren.“
Sie ist vor allem im ständigen Kontakt mit den Tafeln der näheren und weiteren Region. Immer wieder komme vor, dass aus der Lebensmittelindustrie „Palettenportionen“in irgendeiner Tafel angeliefert würden, etwa solche mit Verpackungsfehlern, die dann kurzfristig an alle verteilt werden müssen. Das Haltbarkeitsdatum spiele immer eine wichtige Rolle. „Wir haben untereinander eine ausgezeichnete Vernetzung und organisatorische Struktur, da greift ein Rädchen ins andere“, sagt Pfeffer stolz – anders sei das alles nicht zu bewältigen. Im Hintergrund seien tausend Dinge zu tun, die kein Mensch sehe und die auch kaum zu erklären sind. Es müsse laufen, denn die Leute stünden vor der Tür, weil sie etwas zu essen brauchen.
Den Berechtigungsschein, um im Tafelladen zu symbolischen Preisen einkaufen zu können, bekomme man im Sozialamt des Rathauses, bei der Schuldnerberatung, bei der sozialen Lebensberatung der Diakonie, und auch die Sozialarbeiterinnen der Diakonie für die Geflüchteten dürften solche Scheine ausstellen, teilt Pfeffer mit.
Die Einkaufszeit im rollierenden 15-Minuten-Takt sei für jeden Kunden deshalb so festgelegt, damit jeder einmal in den Genuss kommt, bei reichlich Angebot und noch vollen Regalen einkaufen zu können. Die Mitarbeiter würden aber darauf achten, dass auch in der letzten Viertelstunde noch etwas da sei, damit niemand mit leerer Tasche den Laden verlassen müsse.
Gegenseitiges Vertrauen, Kameradschaft, Fleiß und Verlässlichkeit scheint unter den Mitarbeitenden in der Tafel selbstverständlich zu sein – Freundlichkeit gegenüber den Kunden sowieso. Es sind eingespielte Teams, die ihre Zeit und Kraft höchst sinnvoll und sozial zur Verfügung stellen für diejenigen der Gesellschaft, die Unterstützung benötigen.
Jubiläumsfest der Isnyer Tafel ist am Freitag, 20. Juli, um 10.30 Uhr mit einem Festakt samt Grußworten im Rathaus. Anschließend wird in der Espantorstraße des Fest der Begegnung an einer langen Tafel gefeiert mit Musik, Mittagessen, Kaffee und Kuchen – alles auf Spendenbasis.