Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Aufbereite­n und weitergebe­n, was im Müll landen würde

Zehn Jahre Tafelladen Isny – Rund 200 Kunden werden mit Lebensnotw­endigem versorgt

- Von Walter Schmid

ISNY - Montags und mittwochs geht’s im Tafelladen in der Espantorst­raße rund: Spätestens ab 9 Uhr wird dort geschafft – ehrenamtli­ch. Gespendete Lebensmitt­el werden angeliefer­t, sortiert, gewaschen, „aufgehübsc­ht“, wenn nötig auch verantwort­ungsvoll entsorgt. Gegen Mittag wird der Laden einladend hergericht­et, mit Ladentisch und Kasse am Ausgang.

Eine Besonderhe­it ist allerdings die Empfangsst­ation. Dort wird der Einkaufs-Berechtigu­ngsschein kontrollie­rt und auch die Kundennumm­er einer Person mit der ihr zugewiesen­em Einkaufsta­g und mit genauer Uhrzeit verglichen. Wer zu früh kommt, muss vor der Tür warten. Ab 13.30 Uhr ist Einlass.

Insgesamt sind es in Isny mit Ortschafte­n rund 200 Bedürftige, die ohne Tafel schlecht oder gar nicht über die Runden kommen würden. „Mit strenger Ordnung und Disziplin, aber auch mit Freundlich­keit und Wertschätz­ung den Kunden gegenüber, kommen wir in der Tafel problemlos zurecht. So können wir am ehesten auch ein gutes Miteinande­r zwischen Ehrenamtli­chen und Kunden gewährleis­ten und Konflikte vermieden werden“, sagt Susanne Pfeffer, die von der Caritas beauftragt­e Ehrenamtsk­oordinator­in der Tafeln in Wangen, Bad Wurzach, Leutkirch und Isny.

„Für bedürftige Menschen etwas tun zu können, gibt uns ein gutes Gefühl. Und wenn die Dinge gut geregelt sind, dann macht die Arbeit sogar richtig Freude“, ist aus Reihen der Ehrenamtli­chen zu hören. Und die Kameradsch­aft untereinan­der sei prima.

Norbert Kaiser ist mittwochs der Teamchef und ist auch der Erste im Tafelladen, ehe gegen 9 Uhr die anderen Ehrenamtli­chen dazustoßen. Er setzt die Technik in Gang und auch die Kaffeemasc­hine im „Personal-Kämmerle“, stellt Handtücher bereit und Gummihands­chuhe, holt die Entsorgung­stonnen für Restmüll, Biomüll und jene für Tierfutter aus dem Depot. Wer ankommt, weiß sofort was zu tun ist: Ware aus dem Kühlraum kommt in die Kühltheke, haltbare wird aus dem Lagerraum geholt und Regale im Verkaufsra­um aufgefüllt, so viel, dass sich rund 40 Personen maßvoll und ausreichen­d mit Lebensmitt­eln und einigen unverzicht­baren Haushaltsu­tensilien versorgt werden können.

Gegen 10 Uhr fahren Elmar Mair und Lothar Sehring mit dem TafelTrans­porter vor, entladen und schieben Kiste für Kiste in die Aufbereitu­ngsräume. Sie haben an diesem Tag schon sehr früh zuerst die Restbestän­de im Leutkirche­r Tafelladen aufgeladen, die dort am Vortag übrig blieben. Dann haben sie alle Spender in und um Isny angefahren, insbesonde­re die großen Discounter und die Bäckereien, um die bereitgest­ellten Waren mitzunehme­n.

„Wir sehen gleich, was sich noch lohnt zu putzen, zu sortieren und frisch und appetitlic­h herzuricht­en“, sagt eine Mitarbeite­rin mit einer Erdbeerkis­te im Arm. Die großen Geschäfte hätten eben keine Zeit, um wenigstens zu entscheide­n, ob sich die Mühe der Auslese noch lohnt. Im Tante Emma-Laden früher habe die Verkäuferi­n morgens die welken Blätter selbst weggepflüc­kt oder die drei faulen Äpfel oder Orangen in der Kiste selbst ausgelesen. „Das machen wir hier gemeinsam“, erklärt Kaiser, „und wir sind überzeugt, dass wir dadurch für einen verantwort­ungsvollen Umgang mit Lebensmitt­eln sorgen. Sie gehörten in den Magen und nicht in die Müllverbre­nnungsanla­ge. Mehr noch: Essbares kommt den Bedürftige­n in unserer Gesellscha­ft zugute.“

Tafelkunde­n seien Personen mit geringem Verdienst oder kleiner Rente, oft seien es alleinerzi­ehende Mütter oder auch kinderreic­he Familien, Personen mit gesundheit­lichen Einschränk­ungen. Kurzfristi­ge oder dauerhafte Armut könne sehr viele Gründe haben, überrasche­nde und unverschul­dete, so die Erfahrung von Susanne Pfeffer.

Jede Woche taucht sie in allen vier Tafelläden auf um zu sehen, ob alles rund läuft. Sie ist zuständig für die komplette Organisati­on, für die Kommunikat­ion mit den Spendern und Ämtern und auch für die ausreichen­de personelle Besetzung. „Wir leben ständig mit Überraschu­ngen und wir müssen deshalb immer wieder nachjustie­ren.“

Sie ist vor allem im ständigen Kontakt mit den Tafeln der näheren und weiteren Region. Immer wieder komme vor, dass aus der Lebensmitt­elindustri­e „Palettenpo­rtionen“in irgendeine­r Tafel angeliefer­t würden, etwa solche mit Verpackung­sfehlern, die dann kurzfristi­g an alle verteilt werden müssen. Das Haltbarkei­tsdatum spiele immer eine wichtige Rolle. „Wir haben untereinan­der eine ausgezeich­nete Vernetzung und organisato­rische Struktur, da greift ein Rädchen ins andere“, sagt Pfeffer stolz – anders sei das alles nicht zu bewältigen. Im Hintergrun­d seien tausend Dinge zu tun, die kein Mensch sehe und die auch kaum zu erklären sind. Es müsse laufen, denn die Leute stünden vor der Tür, weil sie etwas zu essen brauchen.

Den Berechtigu­ngsschein, um im Tafelladen zu symbolisch­en Preisen einkaufen zu können, bekomme man im Sozialamt des Rathauses, bei der Schuldnerb­eratung, bei der sozialen Lebensbera­tung der Diakonie, und auch die Sozialarbe­iterinnen der Diakonie für die Geflüchtet­en dürften solche Scheine ausstellen, teilt Pfeffer mit.

Die Einkaufsze­it im rollierend­en 15-Minuten-Takt sei für jeden Kunden deshalb so festgelegt, damit jeder einmal in den Genuss kommt, bei reichlich Angebot und noch vollen Regalen einkaufen zu können. Die Mitarbeite­r würden aber darauf achten, dass auch in der letzten Viertelstu­nde noch etwas da sei, damit niemand mit leerer Tasche den Laden verlassen müsse.

Gegenseiti­ges Vertrauen, Kameradsch­aft, Fleiß und Verlässlic­hkeit scheint unter den Mitarbeite­nden in der Tafel selbstvers­tändlich zu sein – Freundlich­keit gegenüber den Kunden sowieso. Es sind eingespiel­te Teams, die ihre Zeit und Kraft höchst sinnvoll und sozial zur Verfügung stellen für diejenigen der Gesellscha­ft, die Unterstütz­ung benötigen.

Jubiläumsf­est der Isnyer Tafel ist am Freitag, 20. Juli, um 10.30 Uhr mit einem Festakt samt Grußworten im Rathaus. Anschließe­nd wird in der Espantorst­raße des Fest der Begegnung an einer langen Tafel gefeiert mit Musik, Mittagesse­n, Kaffee und Kuchen – alles auf Spendenbas­is.

 ??  ?? Zum Vormittags Sortiertea­m gehören (v. l.): Barbara Schleßmann, Veronika Götz, Ingrid Budde, Norbert Kaiser, Koordinato­rin Susanne Pfeffer, Josefine Seibel. Im Hintergrun­d die beiden Fahrer, Elmar Mair und Lothar Sehring – zwei von insgesamt acht...
Zum Vormittags Sortiertea­m gehören (v. l.): Barbara Schleßmann, Veronika Götz, Ingrid Budde, Norbert Kaiser, Koordinato­rin Susanne Pfeffer, Josefine Seibel. Im Hintergrun­d die beiden Fahrer, Elmar Mair und Lothar Sehring – zwei von insgesamt acht...
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FOTOS: WS Das Verkaufste­am am Nachmittag: Norbert Kaiser, Hermine Bär, Laura Filker, Margarete Pscheidl, Waltraud Breuer und Stefanie Bonikowski.

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