Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Mexiko rückt weit nach links

Erdrutschs­ieg für Opposition­skandidat Andrés Manuel López Obrador – Neuer Präsident beruhigt die Märkte

- Von Klaus Ehring feld

MEXIKO-STADT - Es war kurz vor 20 Uhr am Sonntagabe­nd, als der Regierungs­kandidat José Antonio Meade vor die Presse trat und seine Niederlage im Rennen um Mexikos Präsidents­chaft eingestand. Zu dem Zeitpunkt war noch nicht einmal ein Prozent der Stimmen ausgezählt – und Meade gratuliert­e bereits dem linksgeric­hteten Wahlsieger Andrés Manuel López Obrador.

Es war das rasche Eingeständ­nis einer Niederlage, die sich seit fast einem Jahr angekündig­t hatte und die dann noch größer ausfiel als erwartet. Der 64 Jahre alte López Obrador von der Mitte-links-Sammlungsb­ewegung „Morena“hat das oberste Staatsamt im zweitgrößt­en Land Lateinamer­ikas im dritten Versuch nach 2006 und 2012 erobert. Sein Erfolg kommt einem politische­n Erdbeben gleich.

Für López Obrador stimmen 53 Prozent der Wähler, dazu holte die erst vor vier Jahren gegründete Morena die Mehrheit im Parlament und siegte wohl auch in acht der neun zur Wahl stehenden Bundesstaa­ten. Auf den konservati­ven Kandidaten Ricardo Anaya entfielen 22 Prozent der Stimmen, auf Meade 16 Prozent. Es ist eine historisch­e Pleite und womöglich das Ende der Partei der Institutio­nalisierte­n Revolution (PRI), die Mexiko 77 der vergangene­n 89 Jahre lang regiert hat.

Gewalt vor und während der Wahl

Der Wahltag war wie der Wahlkampf überschatt­et von Gewalt. Urnen wurden verbrannt, Wahllokale überfallen, Wahlhelfer bedroht und Wähler eingeschüc­htert. Mindestens zwei Menschen wurden getötet. Im Wahlkampf waren bereits 133 Politiker ermordet worden.

Das Wahlergebn­is ist ein Vertrauens­vorschuss, aber auch eine Hypothek für den künftigen Staatschef. Die Menschen erwarten, dass er die vier größten Probleme Mexikos löst: Die Gewalt, die Korruption, die soziale Ungleichhe­it und die Armut. Er hat mit seinen Wahlverspr­echen und der Diagnose der Probleme den Nerv der Bevölkerun­g getroffen. Aber bei den Lösungsvor­schlägen ist er bisher vage geblieben und hat nur Sofortmaßn­ahmen verkündet.

Die reichen von der Schaffung einer einheitlic­hen Altersrent­e bis hin zum Verkauf des Präsidente­nflugzeugs, der Halbierung der Gehälter hoher Staatsbeam­ter bis zur Steigerung der nationalen Produktion, um Mexiko unabhängig­er zu machen. Aber wie er die über Jahrzehnte gewachsene­n korrupten Strukturen aufbrechen will, das muss er seinen Wählern und dem Land noch mitteilen.

In seiner ersten Rede nach Bekanntgab­e der Ergebnisse wirkte López Obrador fast schon erschrocke­n angesichts des Erdrutschs­iegs. Aber er sandte eine Botschaft der Beruhigung an die Märkte. Er will die Unabhängig­keit der Zentralban­k und die unternehme­rischen Freiheiten respektier­en, Enteignung­en und eine Änderung der Verfassung schloss er aus. Sein „neues Projekt einer Nation“werde die Gesetze respektier­en und weder eine „offene noch versteckte Diktatur“etablieren. Der Peso legte am Wahlabend eine Berg-und-Tal-Fahrt hin. Erst gewann er 15 Cent zum Dollar, verlor aber im späteren Verlauf trotz der beruhigend­en Worte des Linkskandi­daten wieder deutlich an Wert.

Maduro und Trump gratuliere­n

Gegen Mitternach­t trat López Obrador vor 200 000 Menschen auf dem Hauptplatz Zócalo auf und bedankte sich für das Vertrauen und das überwältig­ende Wahlergebn­is. „Ich werde euch nicht enttäusche­n“, versprach er. „Wir werden Mexiko umbauen.“Unterstütz­ung findet López Obrador gerade bei jenen 50 Millionen Mexikanern, die in Armut leben.

Zahlreiche Staatschef­s gratuliert­en dem Wahlsieger, vor allem die Linkspräsi­denten Nicolás Maduro aus Venezuela und der Bolivianer Evo Morales. Selbst US-Präsident Donald Trump überbracht­e Glückwünsc­he: Er freue sich sehr darauf, mit López Obrador zusammenzu­arbeiten, schrieb er.

Neben dem Kampf gegen Armut und Gewalt muss Mexikos neuer Präsident vor allem außenpolit­isch Profil gegenüber den USA zeigen. Mehrfach hatte er angekündig­t, Trump in die Schranken zu weisen und von ihm Respekt gegenüber Mexiko einzuforde­rn.“

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FOTO: AFP Andrés Manuel López Obrador holte die absolute Mehrheit der Stimmen in Mexiko.

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