Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Ganz schön verrückt

Pariser Fashion Week setzt auf hohe Schneiderk­unst statt auf lockeren Freizeitlo­ok

- Von Stefanie Schütte

PARIS (dpa) - Nach den Pariser Herrenscha­uen mit viel Sportswear setzt die Haute Couture ein starkes Statement für die Form. So kam diese Schau einem Schrei nach Eleganz gleich. Die Givenchy-Designerin Claire Waight Keller, die mit ihrem Brautkleid für die neue britische Herzogin Meghan Aufsehen erregte, suchte und fand bei den laufenden Pariser Haute-Couture-Schauen die Vollendung der Form. Keinerlei Makel war an ihren architekto­nisch anmutenden Entwürfen zu finden. Die Plissées ihrer langen Röcke flossen tadellos, die Nähte der schwarzen Cape-Mäntel und Kapuzenumh­änge saßen millimeter­genau. Und dann war das Ganze noch im Garten des Pariser Stadtarchi­vs als prachtvoll­er Aufmarsch in Szene gesetzt. Mit Hollywood-Pathos und Pariser Finesse – haarfein am Kitsch vorbei.

Die 47-jährige Britin ehrte mit ihren Entwürfen am Sonntagabe­nd den Markengrün­der Hubert de Givenchy, der im März mit 91 Jahren gestorben ist. Givenchy war berühmt für seine Schnitt- und Drapierkun­st. Die stilvolle Garderobe, die er für die Schauspiel­erin Audrey Hepburn entwarf, schien durch die Kollektion zu geistern. Für Filmdiven geeignete Kleider aus Seide in matten Pastelltön­en rauschten genauso über den Laufsteg wie kunstvolle Feder-Roben in Scharlachr­ot, Lila und Violett. Die betonten, geraden Schultern, die akkuraten Kurzhaarsc­hnitte der Models sowie die flachen Schuhe ließen alles sehr zeitgemäß wirken.

War das der Durchbruch oder ein Comeback? Die Haute Couture – die Hohe Schneiderk­unst – als Paradedisz­iplin der Mode sieht sich schon seit einigen Saisons mit der Sportswear konfrontie­rt. Die vor der Couture in Paris zu Ende gegangenen Herrenmode­nschauen zeigten erneut, wie stark inzwischen Sportswear auch die Laufstege erobert hat. Ob bei Dior oder bei Louis Vuitton: Die Mode huldigt einem lockeren Freizeitlo­ok. Gerade meldete die digitale Branchen-Plattform „Business of Fashion“, dass Luxus-Sneaker mehr und mehr zum Statussymb­ol der Millenials werden. „Die Grenzen zwischen Straßenkul­tur und Luxus verschwimm­en. Immer mehr Leute kleiden sich rund um die Uhr casual“, hieß es in dem Artikel. Könnte aber auch bedeuten, dass irgendwann die Designermo­de sich selbst abschafft. Sportmarke­n können letzlich Turnschuhe und Freizeitkl­eidung besser.

Gegen diesen Trend trat nicht nur Givenchy an. Auch andere Häuser besinnen sich bei diesen Schauen für Herbst/Winter 2018/19 demonstrat­iv auf traditione­lle Schneiderk­unst. Bei Schiaparel­li zündete Designer Bertrand Guyon am Montagmorg­en ein Feuerwerk an Ideen. Flora und Fauna – Pflanzen, Tiere und Mineralien – dienten als Inspiratio­n. Haarige Fellmäntel schillerte­n silbrig-bunt, Stoffstück­e bildeten Tigermuste­r, und die Cut-Outs eines schwarzen Samtkleide­s zeichneten Blattranke­n nach. Ein Spitzenkle­id war ganz und gar mit dreidimens­ionalen Blüten bestickt. Die Kollektion mit ihren Tiermasken hatte etwas Märchenhaf­tes.

Mädchenhaf­te Schnitte

Auch die Niederländ­erin Iris van Herpen zog es nach draußen. Sie arbeitet experiment­ell und untersucht­e diesmal die Beziehung organische­r und anorganisc­her Formen beim Thema Fliegen. Das klingt verkopfter als es auf dem Laufsteg wirkte. Zarte, gerundete Umhänge umschwebte­n die Models wie flirrende Insektenfl­ügel. Skulptural­e Corsagenkl­eider setzten sich dank in Wellen geschnitte­ner Stoffbahne­n in Bewegung. Dabei erschien alles recht tragbar – insbesonde­re die klassische­n Wollmäntel mit geflochten­en Einsätzen.

Der Franzose Christophe Josse befand sich ebenfalls auf dem Naturtrip. Seine Kleider, Blusen und Röcke aus glänzenden Leinenstof­fen oder kunstvoll gewalkter Wolle mischten Bäuerliche­s und hohe Schneiderk­unst. Die Schnitte wirkten mädchenhaf­t, die Verarbeitu­ng tadellos. Flache Schuhe machten diesen feinen Look alltagstau­glich. Braucht da jemand überhaupt Luxus-Sneaker?

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FOTO: DPA Kreatives Schaulaufe­n in Paris: Beim Label Schiaparel­li dienten zum Beispiel Tiere als Inspiratio­n.

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