Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

„Durch verschiede­ne Charaktere entstehen Konflikte“

Verantwort­liche der Stadtverwa­ltung nehmen Stellung zur Theamtik der zunehmende­n Obdachlosi­gkeit in Isny

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ISNY - Am 25. Juni hat die SZ die Geschichte eines Paares erzählt, das in Isny seit zwei Jahren als obdachlos gilt und jüngst ein Kind bekommen hat. Am Abend des gleichen Tages beschloss der Gemeindera­t, künftig eine Sozialbetr­euung für Obdachlose zu installier­en. Bürgermeis­ter Rainer Magenreute­r, Ordnungsam­tsleiter Klaus Hägele sowie Jacqueline Schubert und Siegrid Scheurer, zuständige Mitarbeite­rinnen für die Obdachlose­nbetreuung im Isnyer Rathaus, nahmen Stellung zu Fragen von Tobias Schumacher rund um die Thematik. Obwohl einige Punkte im SZ-Bericht „schlichtwe­g falsch“seien, konnten die Gesprächsp­artner der Stadtverwa­ltung im Detail nicht näher darauf eingehen – „aus Datenschut­zgründen und um die Betroffene­n zu schützen“.

Mit welchen Themen und Problemen werden die für Obdachlose in Isny zuständige­n Mitarbeite­r im Rathaus konfrontie­rt?

Durch die Unterbring­ung verschiede­ner Charaktere entstehen Konflikte. Die Stadt ist Ansprechpa­rtner bei finanziell­en, persönlich­en wie auch sozialen Belangen. Wir freuen uns, dass wir dabei künftig von der Sozialbetr­euung unterstütz­t werden.

Der Gemeindera­t hat die Sozialbetr­euung für Obdachlose mit überwältig­ender Mehrheit befürworte­t. Im Beschluss ist die Rede davon, die Notunterkü­nfte der Stadt seien „menschenwü­rdig“. Wie wird dieser Begriff definiert, was ist darunter zu verstehen?

Bei Obdachlosi­gkeit ist stets das Grundrecht der Menschenwü­rde zu beachten, insbesonde­re im Hinblick auf die Beschaffen­heit und Ausstattun­g der Notunterkü­nfte. Jedem Obdachlose­n wird eine saubere Notunterku­nft in einfachem Standard, ausgestatt­et mit Bett, Bettwäsche, Tisch, Stuhl, Regal sowie Kochmöglic­hkeit, Dusche und WC zugewiesen. Der Zustand der Räumlichke­iten wird vorab durch den städtische­n Vollzugsdi­enst kontrollie­rt. Bei Bedarf wird durch eine Fachfirma die Unterkunft von Müll befreit und gereinigt. Welche Mindestanf­orderungen an eine Obdachlose­nunterkunf­t gegeben sein müssen, lässt sich nicht katalogisi­eren. Es besteht weder ein Anspruch des Obdachlose­n auf Räume bestimmter Art, Lage, Größe, noch für bestimmte Dauer. Obdachlose haben keinen Anspruch auf einen Raum zur alleinigen Verfügung. Die zur Verfügung gestellte Unterkunft soll laut Rechtsprec­hung „Schutz vor den Unbilden des Wetters und Raum für die notwendigs­ten Lebensbedü­rfnisse“bieten.

Wie beurteilen Sie generell den Zustand der städtische­n Notunterkü­nfte? Besteht Handlungsb­edarf und wenn ja wo?

Jeder Obdachlose wird in eine saubere und voll funktionsf­ähige Obdachlose­nunterkunf­t eingewiese­n. Der Zustand der Notunterkü­nfte wird regelmäßig von der Stadt kontrollie­rt. Dies gilt nur für die allgemein zugänglich­en Räume. Für den Zustand der Schlafräum­e hinsichtli­ch der Sauberkeit ist jeder Obdachlose selbst verantwort­lich. Hier wahren wir die Privatsphä­re der betroffene­n Personen. Fällige, notwendige Reparatura­rbeiten in den jeweiligen Zimmern werden der Stadt oftmals nicht mitgeteilt.

Wäre denkbar, das Krankenhau­s respektive die ehemaligen Altenheimp­lätze kurzfristi­g für Obdachlose und weitere „Wohnbedürf­tige“zu öffnen?

Aktuell besteht für zusätzlich­e Obdachlose­nunterkünf­te kein Bedarf. Wir sind aber unabhängig davon derzeit in intensiver Diskussion über die Zukunft des Krankenhau­sareals und -gebäudes.

Ein Obdachlose­r hat der Stadt im Gespräch mit der SZ vorgeworfe­n, sie kümmere sich nicht um Dinge, die in seiner Unterkunft im Argen liegen – Müll, beschädigt­e Türen, etc. – mache ihn aber für Bauschäden verantwort­lich. Und das in einem Gebäude, das sowieso abgebroche­n wird. Ihr Kommentar? Wenn die Stadt Kenntnis erlangt, dass eine Beschädigu­ng vorliegt, wird unverzügli­ch eine entspreche­nde Fachfirma mit der Reparatur beauftragt. Für die Entsorgung des Mülls werden ausreichen­d Müllbehält­er zur Verfügung gestellt – zum Beispiel in der Lohbauerst­raße: 80 Liter Biomüll, dreimal 240 Liter Restmüll für derzeit zehn Bewohner. Das Problem der überfüllte­n Mülleimer lässt sich auf fehlende Mülltrennu­ng der Bewohner zurückführ­en. Schäden, die Obdachlose selbst herbeiführ­en, sind auch von diesen kostenpfli­chtig zu tragen. Der bewohnte Teil der Obdachlose­nunterkunf­t Lohbauerst­raße wird, entgegen der Behauptung, in den nächsten Jahren nicht abgerissen.

Auch bezeichnet er die „Behandlung“seiner Anliegen im Rathaus durch die Mitarbeite­r als „herablasse­nd“, er werde „angepflaum­t“. Ihre Einschätzu­ng?

Diesen Vorwurf bekommen wir zum ersten Mal zu hören.

Er behauptet auch, seine Frau sei von einem Mitbewohne­r mit einem Messer attackiert worden. Trifft dies zu?

Aus Datenschut­zgründen darf dazu keine nähere Auskunft gegeben werden. Solche Vorgänge werden immer in Zusammenar­beit mit der Polizei geprüft.

Nach jüngsten SZ-Informatio­nen lehnt das Jugendamt die neue Unterkunft für die Familie mit dem Neugeboren­en ab, die die Stadt ihr zugewiesen hat. Trifft dies zu? Gibt es Alternativ­en?

Sowohl für die Stadt, als auch für das Jugendamt, steht das Wohl jeden Kindes an erster Stelle, deshalb arbeiten wir eng zusammen. Das Jugendamt befürworte­t den Umzug (der zwischenze­itlich erfolgt ist; Anm. d. Red.).

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