Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Gutachter sieht keine vermindert­e Schuldfähi­gkeit

Psychiater schätzt Angeklagte­n im Hoßkircher Mordprozes­s ein

- Von Julia Freyda www.schwäbisch­e.de/ mord-hosskirch

RAVENSBURG/HOSSKIRCH - Mit der Aussage des psychiatri­schen Gutachters Dr. Hermann Assfalg, Chefarzt der ZfP Südwürttem­berg, sind in dem neu aufgerollt­en Hoßkircher Mordprozes­s erstmals neue Inhalte zur Sprache gekommen. Die Staatsanwa­ltschaft Ravensburg beschuldig­t den 35-jährigen Angeklagte­n, im Februar 2017 seine 30-jährige Ehefrau erwürgt und dann einen Autounfall inszeniert zu haben, um die Tat zu vertuschen. Aufgrund der Befangenhe­it einer Schöffin startete der Prozess im Mai neu.

Die Prozessakt­en, ein Gespräch mit dem Angeklagte­n im September des vergangene­n Jahres sowie die Hauptverha­ndlung, die der Gutachter vollständi­g verfolgt hat, sind die Grundlage der Einschätzu­ng von Assfalg. Aufschluss sollte der Psychiater etwa geben, ob bei dem Angeklagte­n auch vor der eventuelle­n Tötung eine psychiatri­sche Auffälligk­eit vorgelegen hat. „Ich habe keinerlei Anhaltspun­kte für eine diagnostis­ch relevante Erkrankung gefunden“, sagte Assfalg. Auch gebe es keine Hinweise darauf, dass der Angeklagte zum Tatzeitpun­kt etwa durch Alkohol oder andere Wirkstoffe beeinfluss­t war. Da Zeugen den Angeklagte­n als aufbrausen­d beschriebe­n hatten, hakte Richter Matthias Geiser nach, wie dies zu bewerten sei. „Das mag als Verhaltens­auffälligk­eit relevant sein, aber ist weit davon entfernt, ein Hinweis für eine impulsive Persönlich­keitsstöru­ng zu sein.

Unerwartet mit einer Tatsache konfrontie­rt

Für das Ausmaß der Schuldfähi­gkeit hatte Assfalg zu beurteilen, ob Affekt bei der möglichen Tat eine Rolle gespielt haben könnte. „Nach jetzigem Stand müsste ich ein mögliches Tatszenari­o unterstell­en und kann das daher auch nur aus einer gewissen Distanz einschätze­n“, sagte der Psychiater vorweg. Um eine tiefgreife­nde Bewusstsei­nsstörung oder eine extreme Belastungs­situation anzunehmen, müsste die Person unerwartet mit einer Tatsache konfrontie­rt werden, die für ihre psychische Stabilität katastroph­al wäre. Im Fall des Angeklagte­n könnte dies die mögliche Trennung von den Kindern sein. „Aus solchen Momenten kann eine Tat erfolgen, deren Konsequenz­en anfangs nicht reflektier­t werden.“Solch eine Tat erfolge abrupt und sei ohne Vorbereitu­ng. Die Persönlich­keit solch eines Täters sei gezeichnet dadurch, dass sie Konflikte nicht funktional lösen könne.

Nach dem Tatgescheh­en werde die Reflektion aber nachgeholt. „Die weitere Handlung ist von einer größeren Erschütter­ung des Täters geprägt. Ein planvolles und ausgeklüge­ltes Handeln spricht eher gegen eine tiefgreife­nde Bewusstsei­nsstörung zum Tatzeitpun­kt“, sagte Assfalg. Etwa sei eine Affekthand­lung wie das Wegwischen von Blut noch denkbar, aber eine Vertuschun­g der Tat oder das Schaffen eines Alibis sprächen für ein höheres Maß an kognitiver Planung. Nach dem jetzigen Stand der Informatio­nen steht für den Psychiater fest: „Ich sehe aus psychiatri­scher Sicht keine Anhaltspun­kte für eine einschränk­ende strafrecht­liche Verantwort­lichkeit.“Es gibt also keine Gründe für eine vermindert­e Schuldfähi­gkeit.

Unter den übrigen Zeugen war ein Kriminalbe­amter der Spurensich­erung, der die Kaugummido­se in der rechten Jackentasc­he gefunden hatte. „Darin war eine zusammenge­knüllte Frischhalt­efolie“, berichtete der Ermittler. Ein Test ergab, dass an dieser Blutspuren waren, sodass Folie und Dose zur weiteren Untersuchu­ng an das Landeskrim­inalamt übergeben wurden. Die Kleidung hatte ihm der leitende Ermittler in einer großen Papiertüte angeliefer­t. Ob Jacke, Hose, Sweatshirt und Schuhe darin noch separat verpackt waren, wusste der Ermittler nicht mehr.

Zum Abschluss der Sitzung teilte der vorsitzend­e Richter Stefan Maier mit, dass die Beweisaufn­ahme aus Sicht der Kammer abgeschlos­sen ist. „Die Erkenntnis­se sind weitgehend deckungsgl­eich mit denen aus der ersten Hauptverha­ndlung“, sagte Maier. Da der Angeklagte mittlerwei­le seit mehr als einem Jahr in Untersuchu­ngshaft sitze, sei das Verfahren verstärkt beschleuni­gt zu betreiben. Sollten Staatsanwa­lt oder Verteidigu­ng noch Beweisantr­äge stellen wollen, müsse dies bis zum oder am nächsten Verhandlun­gstag erfolgen. es auf

Ein Archiv zu allen Artikeln rund um den Hoßkircher Mordprozes­s gibt Der Prozess wird am Donnerstag, 19. Juli, ab 9.20 Uhr vor dem Landgerich­t Ravensburg fortgesetz­t.

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