Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Hufeisen klacken auf den Spuren der Rödler
80 Darsteller, 60 Pferde sowie 14 Fuhrwerke begeben sich auf eine Reise von Immenstadt nach Simmerberg
WESTALLGÄU - Stoisch klacken Hufeisen auf Asphalt. Die eisenbeschlagenen Räder rattern. Der Holzwagen knarrt. Ein Pferd schnaubt. Heidi Berkmann hält locker die Zügel, steuert ihre zwei Rösser gelassen. Sie kann sich auf die beiden verlassen. Der steile Anstieg am Hahnschenkel zwischen den Stiefenhofener Ortsteilen Genhofen und Burkatshofen? Kein Problem. „Einfach den Schritt halten und gleichmäßig laufen lassen. So schaffen das die Rösser leicht“, sagt die erfahrene Kutscherin. Das Ziel: Simmerberg. Die Fahrt: der historische Salzzug.
Heidi Berkmann und ihre Mitfahrer von der Reitergruppe Stiefenhofen gehören zu den 80 Mitwirkenden, die sich am Wochenende in Erinnerung an den Salzhandel von Immenstadt nach Simmerberg aufgemacht haben. 14 Fuhrwerke, 30 Reiter und insgesamt 60 Pferde sind beteiligt.
Bis ins 19. Jahrhundert hinein beförderten die „Säumer“oder „Rödler“, wie die Salztransporteure genannt wurden, das wertvolle Gut aus den Salzbergwerken in Hall in Tirol auf genau festgelegten Routen quer durchs Land – eben auch auf der „Salzstraße“nach Simmerberg. Soldaten und Wachleute begleiteten den Zug und sorgten für Schutz vor Räubern. Deswegen reihten sich oft auch andere Kaufleuten mit ihren Waren ein: edle Stoffe, Bier oder Wein.
Der gluckert beispielsweise auf Berkmanns Wagen. Nicht in den dekorativen Fässern, sondern in Flaschen versteckt unter einer Decke hinter dem Kutschbock. „Weinhändler ganz ohne Wein geht doch nicht“, scherzt ihr Beifahrer Stefan Appelt. Groß ein Schlückchen genehmigen können sie sich aber kaum. Denn nach der ersten Etappe am Samstag von Immenstadt über Thalkirchdorf nach Oberstaufen stand am gestrigen Sonntag der weitaus anspruchsvollere Teil an mit steilen Anstiegen an. Eine Herausforderung – damals wie heute.
Damit hier alles glatt geht, erbitten die Fuhrleute und Zugteilnehmer vor dem berüchtigten Hahnschenkel erst einmal göttlichen Beistand. Traditionell machte der Salzzug in Genhofen Halt. Davon zeugen unzählige Hufeisen an der Tür der Sankt-Stephans-Kapelle neben dem Weg. Der Geschichte entsprechend gibt es auch bei der Nachstellung einen Stopp. Diakon Fidelis Keck betet um Schutz für den Zug und segnet Ross und Reiter. Und es scheint zu wirken: Allen voran erklimmt der Salzwagen, gezogen von vier kräftigen Kaltblütern den Anstieg. Der ganze Tross mit Kutschen, Wagen und Reitern folgt unbeschadet. Doch hinauf ist die eine Sache.
Nicht nur Pferde und Kutscher haben zu tun. Die Beifahrer wie Stefan Appelt müssen dafür sorgen, dass die Kutschen beim Bergabfahren nicht zu viel Fahrt bekommen und beispielsweise auf die Pferde auffahren. Bei modernen Kutschen geht das meist über eine Fußbremse. Bei den historischen Wagen muss der Beifahrer kurbeln, damit die Bremsklötze an die Räder kommen. So springt Appelt immer wieder vom Wagen hinunter, läuft nebenher, kurbelt und steigt wieder auf.
Davon bekommt Inge Notz nicht viel mit. Die 89-Jährige sitzt in einem Stellwagen ganz hinten im Zug und strahlt über das ganze Gesicht. „Als ich von dem Salzzug gelesen habe, musste ich mich sofort anmelden“, erzählt die Seniorin. Für Interessierte haben die Organisatoren die Mitfahrt auf dem Stellwagen angeboten. „Ich komme aus Oberstaufen und da muss man das doch mitmachen“, sagt Notz. Sie ist auf dieser Kutsche allerdings die einzige Mitfahrerin aus der Marktgemeinde. Die anderen Plätze füllen beispielsweise eine gebürtige Ulmerin oder ein Paar aus Wangen. Vom Kutschbock her übernimmt Marianne Brack aus Waltenhofen die Unterhaltung. Sie und Kutscher Franz Egger steuern öfter Stellwagen. Entschleunigung im Alltag nennt sie das.
Davon spricht auch Carsten Thein – wenn er Zeit zum Durchschnaufen hat. Der 52-Jährige ist Vorsitzender der Reitergruppe Stiefenhofen und hat den Zug mitorganisiert. Ein Jahr Vorbereitungszeit steckt dahinter. Beim Zug selber wuselt Thein durch die Wagen, hält Lenker und Reiter auf neuestem Stand. Zuletzt kurz vor dem Ziel.
Die zweite Etappe gestern läuft so gut, dass der ganze Zug viel zu früh vor dem Ortsschild Simmerberg ist. Die Musikkapellen, die den Zug in Empfang nehmen sollen, sind noch nicht so weit. Die Teilnehmer nehmen es gelassen. Heidi Berkmann beispielsweise hat die ganze Strecke genossen. Viele tausend Besucher feierten die Fuhrleute, winkten vom Wegrand zu oder waren bei den Festen in Thalkirchdorf und Oberstaufen. „Das ist so schön“, schwärmt sie, als sie ihre Stuten auf die letzten Meter durch Simmerberg lenkt. Und so kommt auch ihre Fuhre nach zwei Tagen heil an ihren Bestimmungsort.