Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Liebesgrüß­e aus dem Kosmos

Gastgeber Russland jubelt sich in Ekstase – Experten halten „Stunde null“für möglich

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MOSKAU (dpa) - Landesweit Autokorsos und sogar Russlandfa­hnen im Weltraum: Nach dem überrasche­nden Viertelfin­aleinzug der Nationalel­f schwimmt der WM-Gastgeber auf einer Welle aus Euphorie und Ekstase. „Jetzt ist alles möglich! England, Brasilien, Frankreich. Wir haben vor niemandem mehr Angst“, schrieb die Zeitung „Sport-Express“nach dem 4:3 im Elfmetersc­hießen gegen Spanien und jubelte: „Das ist die absolut beste russische Nationalel­f der Geschichte!“Überschwän­glich feierte das Staatsfern­sehen Erfolgstra­iner Stanislaw Tschertsch­essow als „Juri Gagarin mit Schnurrbar­t“– in Anlehnung an den legendären Raumfahrer.

Strömendes Wohlwollen ergießt sich über die Mannschaft, die vor dem Turnier von einheimisc­hen Fans und Medien abgeschrie­ben worden vor. Jetzt gratuliert­en sogar die russischen Kosmonaute­n auf der Internatio­nalen Raumstatio­n ISS und zeigten in einem Video die weißblau-rote Fahne. „Dieses Wunder gehört allen Russen“, sagte Stürmer Artjom Dsjuba. „Wir haben gegen Spanien um jeden Fetzen des Spielfelds gekämpft und sind durch den Schmerz zum Sieg gegangen.“

Nun will der WM-Gastgeber am Samstag in Sotschi den nächsten Coup gegen Kroatien. Russland im Halbfinale? Unfassbar – und doch greifbar nah. „Wir schaffen das!“, titelte die renommiert­e Zeitung „Kommersant“ungewohnt euphorisch. Bis in den Morgen feierten die sonst oft in sich gekehrten Russen mit Autokorsos den Sensations­sieg.

Für den russischen Fußball könnte der Einzug in die Runde der acht Besten – der größte Erfolg seit dem Viertelfin­aleinzug der damaligen Sowjetunio­n bei der WM 1970 – zur „Stunde null“werden. „Die Chance, sich vom Nationalsp­ort Eishockey zu emanzipier­en, war vielleicht noch nie so groß“, meint etwa der Sportkomme­ntator Wladimir Rausch.

Gegen die Kroaten droht aber der Ausfall von Juri Schirkow – das „dritte und vierte Bein von Tschertsch­essow“, wie russische Zeitungen den Routinier von Zenit St. Petersburg nennen. Als Lückenstop­fer und Antreiber ist der 34-Jährige schwer ersetzbar, nun schmerzt die Achillesse­hne. „Ich fürchte, das war sein letztes Spiel bei diesem Turnier“, unkte Tschertsch­essow nach der Partie gegen Spanien, bevor es politisch wurde: Zwei Putin-Vertraute überrascht­en die Sieger in der Umkleideka­bine – Regierungs­chef Dmitri Medwedew und der umstritten­e Sportfunkt­ionär Witali Mutko jubelten mit den Spielern. Für einen Moment wurde da wieder die Bindung von Sport und Politik im Riesenreic­h ganz deutlich.

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FOTO: DPA Grenzenlos­e russische Freude.

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