Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Mal Zauberer, mal Schauspiel­er

Neymar trifft bei Brasiliens Sieg über Mexiko einmal, ein Tor bereitet er vor, seine Theatralik aber stört viele

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SAMARA (SID/dpa) - Nach seinem denkwürdig­en Auftritt zwischen Genie und Wahnsinn ging Neymar noch einmal alleine zu den Fans und genoss die Ovationen in vollen Zügen. Mit einem Tor und einer Vorlage hatte der teuerste Fußballer der Welt Rekord-Champion Brasilien beim 2:0 (0:0) gegen Mexiko ins Viertelfin­ale der WM in Russland geführt. Mit einer weiteren aberwitzig­en Schauspiel­einlage gab er sich allerdings erneut auch der Lächerlich­keit preis. Doch das war den Fans der Seleçao egal, als ihr Idol ihnen lächelnd die Siegerfaus­t entgegenst­reckte.

„Ich will nicht, dass es meine WM wird, ich will, dass es die WM Brasiliens wird. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir sehr weit kommen“, sagte der herausrage­nde Neymar nach den 90 Minuten pathetisch und ergänzte: „Wir mussten leiden, es war sehr schwer.“Am meisten litt augenschei­nlich er selbst – bei einer Schauspiel­einlage, die nicht nur eines genialen Fußballers seines Kalibers absolut unwürdig ist. Als Miguel Layun ihm in einer Spielpause (71. Minute) leicht auf den Knöchel stieg, tat der sich windende und zuckende Neymar so, als ginge es zu Ende mit ihm. Wenig später lief er wieder aufs Feld. „Der Tritt war unsportlic­h“, sagte er später, ohne seine Reaktion zu kommentier­en. Stattdesse­n folgte ein Seitenhieb auf die Mexikaner: „Sie haben schon vor dem Spiel zu viel gemeckert. Jetzt fahren sie nach Hause.“

Mexikos kolumbiani­scher Trainer Juan Carlos Osorio brachte Neymar – für jeden spürbar – bei seiner Analyse tiefe Verachtung entgegen. Er sagte, wohl bewusst, ohne den Namen des Brasiliane­rs in den Mund zu nehmen: „Es ist eine Schande. Wir haben viel Zeit verloren wegen eines Spielers. Das ist ein sehr negatives Beispiel für die Welt des Fußballs und alle Kinder, die zuschauen. So ein Schauspiel darf nicht sein.“

Die Mexikaner waren untröstlic­h, die Tränen flossen nicht nur bei den Fans. Zum sage und schreibe siebten Mal in Folge schied El Tri im Achtelfina­le einer Weltmeiste­rschaft aus. Die Runde der letzten acht, in der Brasilien am Freitag (20 Uhr MESZ) in Kasan auf Belgien trifft, bleibt mexikanisc­he Tabuzone.

So fragwürdig sein theatralis­cher Auftritt in Minute 71 war, so genial war Neymars Führungstr­effer: eine filmreife Co-Produktion mit dem zweitbeste­n Brasiliane­r. Der 222-Millionen-Mann spielte Willian an der Strafraumg­renze mit der Hacke frei, der Antreiber des FC Chelsea passte zurück auf Neymar, der nur noch einzuschie­ben brauchte. Es war das 227. Tor in Brasiliens WMGeschich­te – Rekord, Deutschlan­d kommt auf 226 Treffer. Das 2:0 durch den eingewechs­elten Ex-Hoffenheim­er Roberto Firmino (88.) leitete Neymar so ein, dass Firminho nur noch den Fuß hinhalten musste.

Dabei hatten die Mexikaner die Seleçao vor 41 970 Zuschauern in Samara zunächst vor ähnliche Probleme gestellt wie sie es mit Weltmeiste­r Deutschlan­d im ersten Gruppenspi­el (1:0) getan hatten. Allein die Durchschla­gskraft fehlte den Lateinamer­ikanern, sodass Brasiliens Torwart Alisson nur selten gefordert war. Nachdem sich die Mexikaner gut 20 Minuten lang ausgetobt hatten, übernahmen die Südamerika­ner allmählich die Initiative und gewannen immer mehr die Oberhand.

Brasilien drückte nach dem Seitenwech­sel weiter, Mexiko kam nur noch vereinzelt zu Kontern. Bei einem dieser Gegenstöße, die El Tri mitunter ähnlich unkonzentr­iert zu Ende spielte wie beim Sieg gegen die DFB-Elf, übersah Jesus Gallardo den freistehen­den Lozano – praktisch im Gegenzug schlug Neymar zu. Paulinho (59.), Willian (63.) und Neymar (68.) vergaben die frühzeitig­e Vorentsche­idung – ein Luxus, der sich nicht rächte.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Das zweite Tor war eines der einfachere­n Sorte für den von Neymar fein freigespie­lten Roberto Firminho.
FOTO: IMAGO Das zweite Tor war eines der einfachere­n Sorte für den von Neymar fein freigespie­lten Roberto Firminho.

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