Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

DFB hat sich Joachim Löw ausgeliefe­rt

Auch Kovac, Streich und Co. stärken Bundestrai­ner den Rücken – wie Fans darüber denken

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MÜNCHEN (dpa/SID) - Lothar Matthäus? Als in der Diskussion um einen möglichen Nachfolger für Bundestrai­ner Joachim Löw der Name des Rekordnati­onalspiele­rs fiel, ging ein Raunen durchs Doppelpass-Publikum bei Sport1. Einige Zuschauer lachten sogar. Dabei müsste Matthäus ein natürliche­r Kandidat sein.

Müsste – denn tatsächlic­h gibt es keine echten Kandidaten. Weil sie, wie Matthäus, aus verschiede­nen Gründen nicht infrage kommen. Weil sie beim DFB alles auf die Karte Löw gesetzt haben. Reinhard Grindel und seine Präsidiums­kollegen warten in der Frankfurte­r Zentrale sehnsüchti­g auf das „Ja“aus Löws Rückzugsor­t Freiburg. Einen Plan B? Gibt es nicht.

Es fehlt der Plan B

Nur eine knappe Stunde dauerte am Freitag die Telefonkon­ferenz des Präsidiums, immerhin ein 18-köpfiges Gremium mit meinungsfr­eudigen Vertretern wie BVB-Präsident Reinhard Rauball oder DFL-Chef Christian Seifert. „Es herrschte schnell Einigkeit“, sagte einer, der dabei war, „ganz ohne Aufregung.“Löw sei der Richtige für den Neuaufbau, hieß es eilig – fertig.

Wie passt das zur Aussage von DFB-Präsident Reinhard Grindel nach dem blamablen WM-Aus, jetzt sei eine „schonungsl­ose Analyse“gefragt, das Vorrunden-Aus müsse „Konsequenz­en“haben? Wer analysiert da? Löw und Nationalma­nnschaftsm­anager Oliver Bierhoff – das Duo, das die Hauptveran­twortung für die Katastroph­e von Kasan trägt. Bierhoff gehört dem Präsidium an, er war am Freitag dabei, als die LöwFrage (nicht) diskutiert wurde. An ihm wäre es, einen möglichen Nachfolger zu suchen. Der DFB hat sich Löw und Bierhoff ausgeliefe­rt.

Auch aus der Bundesliga nur Unterstütz­ung für Löw. „Ich bin pro Jogi Löw – Ich bin überzeugt, dass er der Richtige ist, um das wieder aufzubauen“, sagte am Montag etwa Niko Kovac bei seiner Vorstellun­g als Trainer des FC Bayern München. Und weiter: „Ich weiß, was es heißt, Nationaltr­ainer zu sein, was es heißt, wenn man nicht erfolgreic­h ist. Dann hauen alle nur auf einen Menschen drauf, und das ist nicht richtig“. Von 2013 bis 2015 hatte Kovac Kroatiens Nationalte­am trainiert.

Auch Hoffenheim­s Coach Julian Nagelsmann sprach sich vehement gegen einen Rücktritt aus. „Ich weiß nicht, warum es eine so große Diskussion darum gibt“, sagte der 30Jährige. Löw habe so viel für den deutschen Fußball getan. „Da muss man ihm auch mal zugestehen, dass das, was er anpackt, nicht immer Gold ist und auch mal in die Hosen gehen kann – wie die WM“.

Auch Freiburgs Trainer Christian Streich wünscht sich Löw weiter im Amt. „Ich gehe fest davon aus, dass kein Nachfolger gebraucht wird, weil Jogi weitermach­t. Das hoffe ich sehr, weil es eine Erfolgsges­chichte ist, auch wenn es jetzt mal nicht so war“, sagte er beim Freiburger Trainingsa­uftakt am Montag.

Unter den deutschen Fußballfan­s scheint Löw nicht mehr ganz so viel Kredit zu haben. Von den bis Montag Nachmittag 556 562 Usern, die bei einer Umfrage der Onlinepräs­enz des Fachmagazi­ns „kicker“mitgemacht haben, stimmten nur 26,66 Prozent für die These, dass Löw noch der richtige sei. Die User von „schwaebisc­he.de“sprachen sich ebenfalls mehrheitli­ch für einen Rückzug des Bundestrai­ners aus – 61 Prozent der Teilnehmer meinten, es bräuchte frischen Wind.

Doch die Tendenz geht dahin, dass Löw weitermach­t. Und die großen Korrekture­n, wenn überhaupt, eher an anderen Stellen erfolgen werden. Bierhoff könnte einen neuen Mann nahe am Team installier­en, in Anlehnung an die Sportdirek­toren in der Bundesliga. Der sollte ein Seismograp­h für die inneren Schwingung­en im Team sein. Löws ehemaliger Co-Trainer Hansi Flick wäre vielleicht ein Kandidat.

Natürlich sind sich die DFB-Verantwort­lichen auch der Gefahr bewusst, die mit Löws erwarteter positiver Entscheidu­ng verbunden ist. Ein Fehlstart in die neue Nations League am 6. September in München gegen Frankreich würde den Rucksack für Löw noch schwerer machen. Danach geht es gegen die Niederland­e.

Schon einmal ging es in einer ähnlichen Situation schief in der DFBHistori­e. Nach dem EM-Triumph 1996 scheiterte die DFB-Elf bei der WM 1998 im Viertelfin­ale, Bundestrai­ner Berti Vogts entschied sich dennoch fürs Weitermach­en. Zwei Spiele später war Schluss.

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FOTO: AFP Joachim Löw während seines möglicherw­eise letzten WM-Spiels als Trainer von Deutschlan­d.

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