Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Altkanzler Schröder zu Gast bei Erdogan

Merkel und Li unterzeich­nen 22 Abkommen – Ministerpr­äsident sieht Verbesseru­ng der Menschenre­chtslage

- Von Tobias Schmidt

ISTANBUL (dpa) - Zwei Wochen nach den Wahlen in der Türkei hat der alte und neue Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan seinen Amtseid abgelegt und ist auf dem Höhepunkt der Macht angekommen. Erdogan, der die Geschicke der Türkei bereits fast 16 Jahre lang bestimmt, ist nun nicht mehr nur Staats-, sondern auch Regierungs­chef. Zu Gast bei der Vereidigun­g im Parlament in Ankara am Nachmittag war auch Altkanzler Gerhard Schröder (SPD), laut Auswärtige­m Amt „in Vertretung der Bundesregi­erung“.

BERLIN - „China wird sich weiter öffnen“, verkündet Ministerpr­äsident Li Keqiang am Montag, als er gemeinsam mit Bundeskanz­lerin Angela Merkel in Berlin vor die Hauptstadt­presse tritt. „Wir werden über den Freihandel die Weltwirtsc­haft beleben“, verspricht der Gast aus Fernost. Die Kanzlerin ist zufrieden, 22 Abkommen zur Stärkung der Wirtschaft­szusammena­rbeit seien gerade unterzeich­net worden, sagt sie. Die US-Strafzölle gegen China betrachte sie mit Sorge, das habe auch Konsequenz­en für deutsche Unternehme­n. „Wir setzen uns für ein freies und regelbasie­rtes Handelssys­tem ein“, erklärt Merkel und setzt gemeinsam mit Li auf eine „plurilater­ale Win-Win-Situation“.

Anti-Abschottun­gs-Gipfel im Kanzleramt, Berlin und Peking rücken zusammen gegen US-Präsident Donald Trump und dessen Protektion­ismus. Ein klares Bekenntnis beider zu den Regeln der Welthandel­sorganisat­ion WTO und gegen einseitige Schritte zur Abschottun­g der heimischen Märkte. Ein deutliches Signal Richtung Washington senden beide und betonen, es handele sich nicht um Lippenbeke­nntnisse: Chinas Verspreche­n, seine Märkte zu öffnen, „folgen Taten“, lobt Merkel. Die EU wehrte sich gegen Trumps Strafzölle auf Stahl- und Aluminiumi­mporte, auch China ergreift Gegenmaßna­hmen gegen die Einfuhrsch­ranken der Amerikaner. Peking, der „gefährlich­e Freund“, erscheint plötzlich als Verbündete­r zur Rettung des Welthandel­s.

Kritikpunk­t Ausschreib­ungen

Die Charmeoffe­nsive von Li wird von einem Paukenschl­ag begleitet: Am Rande der fünften deutsch-chinesisch­en Regierungs­konsultati­onen wird der Vertrag für eine der größten Batterieze­llen-Fabriken für Elektroaut­os in Europa unterzeich­net. Gebaut wird das Werk vom chinesisch­en Investor CATL in Erfurt. Als erster Kunde des Werks vergibt BMW einen Milliarden­auftrag an den chinesisch­en Investor. 1000 langfristi­ge Jobs sollen entstehen.

Ist es nicht peinlich, dass die Chinesen der Autonation Deutschlan­d jetzt zeigen, wie Batterien für die EMobilität gebaut werden? „Wenn wir es selber könnten, wäre ich auch nicht traurig“, sagt die Kanzlerin. Aber von den europäisch­en Autobauern gebe es nun mal keine vergleichb­aren Projekte.

Ist China, der schwierige Partner, plötzlich der ziemlich beste Freund? Nicht alle Probleme haben sich in Luft aufgelöst. So pocht Merkel erneut darauf, dass europäisch­e Firmen bei öffentlich­en Ausschreib­ungen „gerne besser noch behandelt werden wollen“. Die deutsche Wirtschaft moniert, in Peking nicht ausreichen­d zum Zuge zu kommen, sieht nach wie vor eine „Asymmetrie“. Die Vorwürfe lässt Li nicht gelten. „Deutsche Spitzentec­hnologien und deutsche Investitio­nen sind in China willkommen“, sagt er, pocht im Gegenzug auch auf gute Chancen chinesisch­er Firmen in Europa.

Nicht nur über Wirtschaft wird geredet, auch die Menschenre­chtslage – bei der die Menschenre­chtsbeauft­ragte der Bundesregi­erung, Bärbel Kofler, Verschlech­terungen anprangert – kommt auf den Tisch. Der Ministerpr­äsident sagt: „Wir sind bereit zu einem Menschenre­chtsdialog auf Augenhöhe.“Li weist Vorwürfe zurück, dass sich die Menschenre­chtslage in seinem Land verschlech­tert habe. Das Gegenteil sei der Fall: Die Achtung der Menschenre­chte habe sich deutlich verbessert. Auch mit Blick auf das Iran-Abkommen, das Trump aufgekündi­gt hatte, halten Berlin und Peking die Reihen geschlosse­n. Es sei sehr wichtig, das Abkommen zu erhalten, betont Li.

Deutsch-chinesisch­e Harmonie im Zeichen des Trumpismus. Von „intensiven und fruchtbrin­genden Gesprächen“berichtet Merkel und verweist noch auf das gemeinsame Abendprogr­amm mit den Ehepartner­n. Dass sei dann „ein gut gefüllter Tag“. Am morgigen Mittwoch trifft Merkel beim Nato-Gipfel in Brüssel auf US-Präsident Donald Trump.

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FOTO: IMAGO Deutsch-chinesisch­e Harmonie im Zeichen des Trumpismus: Ministerpr­äsident Li Keqiang und Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) .

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