Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Als Claudia von Südtirol in Oberschwaben herrschte
Schon im 17. Jahrhundert gab es starke Frauen, die in der Politik mitmischten – auch während des Dreißigjährigen Krieges
Sie war eine der ganz starken Frauen des 17. Jahrhunderts und auch für Oberschwaben bedeutsam: Die Rede ist von Erzherzogin Claudia von Österreich-Tirol, der Regentin der Grafschaft Tirol in den Jahren 1632 bis 1646, der kritischsten Zeit des Dreißigjährigen Kriegs. Dass sie als Frau überhaupt regieren konnte, ist auf ihr nicht einfaches Schicksal zurückzuführen. Normalerweise gab es in Mitteleuropa nur männliche Regenten; lediglich England und Schweden bildeten eine Ausnahme. Aber Erzherzogin Claudia regierte als Vormund für ihren unmündigen Sohn Erzherzog Ferdinand Karl. Ihr Gemahl Erzherzog Leopold V. verstarb im September 1632 unerwartet. Die 28-jährige Erzherzogin wurde damit bereits zum zweiten Mal Witwe. Sie hatte in erster Ehe einen Herzog von Urbino geheiratet, der ebenfalls jung verstorben war. Immerhin stand mit dem vierjährigen Sohn Ferdinand Karl ein Thronfolger bereit, für den nun die Mutter regierte.
Erzherzogin Claudia trat die Regierung in einer schwierigen Zeit an, aber sie war gut vorbereitet, denn sie entstammte der reichen und mächtigen Familie de Medici aus Florenz. Sie war sehr gebildet und sprach mehrere Sprachen – Deutsch wahrscheinlich am schlechtesten. Die Familie de Medici gehörte zwar nicht formell zum Hochadel, aber gleichwohl galten ihre Mitglieder dort als heiratsfähig. Frauen aus der Verwandtschaft von Erzherzogin
Claudia hatten in höchste Kreise eingeheiratet. Sie selbst verfügte als Schwägerin des Kaisers Ferdinand II. über direkte Kontakte zum Kaiserhof in Wien. Diese kamen ihr in ihrer Regierungstätigkeit sehr zugute. Ihrer vornehmen Herkunft war sich Claudia sehr bewusst. Energisch führte sie die Regierungsgeschäfte. Als überzeugte Katholikin förderte sie Klöster und Kirchen. Dem kulturellen Leben in ihrer Residenzstadt Innsbruck gab sie neue Impulse.
Im 17. Jahrhundert war das große Reich der Habsburger dreigeteilt. Der Kaiser herrschte über die sogenannten Erblande, der König von Spanien über die Reiche der iberischen Halbinsel. Als Erzherzogin von Österreich-Tirol regierte Claudia über das Herzogtum Tirol als Kernland, aber auch über Herrschaften in Oberschwaben, im Schwarzwald und im Elsass. Die Besitzungen außerhalb Tirols nannte man die „Vorlande“oder auch Vorderösterreich. Dazu gehörte die Landvogtei Schwaben, deren Territorium bis vor die Tore der Reichsstadt Ravensburg reichte. Auch zählten die Städte Saulgau, Ehingen und Munderkingen sowie die Landgrafschaft Nellenburg mit dem Verwaltungssitz Stockach und die Herrschaft Hohenberg mit dem Hauptort Rottenburg dazu. Im Schwarzwald war der Breisgau das Hauptgebiet, im Elsass lagen die österreichischen Gebiete im Sundgau. Beim Regierungsantritt der Erzherzogin befanden sich gerade die vorderösterreichischen Gebiete in einer Krise. Nachdem im ersten Jahrzehnt des Krieges Kaiser Ferdinand II. das Feld beherrscht hatte, dominierte nun eine protestantische Großmacht aus dem Norden das Geschehen. Im Juli 1630 war der schwedische König Gustav II. Adolf mit einem Heer auf Usedom gelandet. Zunächst ging es ihm darum, den schwedischen Einfluss im Norden des Deutschen Reiches zu sichern. Mit einer gut ausgerüsteten Armee und einer neuen Kriegstaktik waren die schwedischen Truppen ihren deutschen Gegnern überlegen. Einige eindrucksvolle Siege bestätigten dies und ließen beim schwedischen König den Gedanken aufkommen, den bedrängten protestantischen Fürsten im Süden des Reiches zu Hilfe zu eilen. König Gustav II. Adolf beabsichtigte zunächst, zum Bodensee vorzustoßen. Dann aber entschloss er sich, den Kurfürsten Maximilian von Bayern anzugreifen. Die Eroberung Oberschwabens überließ er seinen Generälen. Von Ulm aus besetzten die Schweden die ganze Region, also auch die vorderösterreichischen Herrschaften. Nur die stark befestigten Festungen am Bodensee, Konstanz und Lindau, konnten sie nicht erobern. Erzherzogin Claudia sorgte dafür, dass die Befestigungen in diesen Städten verstärkt wurden, damit sie nicht in die Hände des Feindes fielen. Aber ihre Macht war durch die schwedischen Eroberungen stark geschwächt. Andererseits hatten auch die Schweden einen schweren Schlag zu verkraften, als König Gustav II. Adolf in der Schlacht bei Lützen fiel.
Relativ unerwartet änderte sich die Situation im Herbst 1634 wiederum grundlegend. In der Schlacht bei Nördlingen errang die kaiserliche Partei einen glänzenden Sieg über die Heere der protestantischen Verbündeten. Die kaiserlichen Truppen zogen umgehend nach Süden, eroberten das Herzogtum Württemberg und vertrieben die schwedischen Besatzer aus Oberschwaben. Herzog Eberhard III. von Württemberg floh nach Straßburg. Nun gewannen also die katholischen Verbündeten die Oberhand, und davon profitierte auch Erzherzogin Claudia. Im eroberten Herzogtum Württemberg verschenkte Kaiser Ferdinand II. große Gebiete an Familienmitglieder und Hofbeamte. Erzherzogin Claudia erhob Anspruch auf die drei Herrschaften Achalm (das Gebiet in der Gegend von Reutlingen), Hohenstaufen (die Gegend um Göppingen) und auf das Amt Blaubeuren. Der Kaiser stellte ihr Besitzpatente aus. In den drei Herrschaften huldigten die Untertanen der Erzherzogin und waren damit österreichische Untertanen. Allerdings verbündete sich Schweden unmittelbar nach der Schlacht bei Nördlingen mit der katholischen Großmacht Frankreich. Dort bestimmte Kardinal Richelieu die Politik.
Schon seit Beginn des Krieges gab es neben Böhmen einen zweiten Schauplatz: Das Königreich Spanien führte Krieg gegen seine Untertanen in den südlichen Niederlanden, also etwa dem Gebiet des heutigen Königreichs Belgien. Dort kämpften die Niederländer um ihre Unabhängigkeit von Spanien. Für diesen Krieg schafften die Spanier Soldaten, Lebensmittel und Munition aus ihrem Herzogtum Mailand in Norditalien heran. Dazu mussten sie die Alpen überqueren. Frankreich als Hauptgegner Spaniens sah eine gute Chance, mit relativ geringen Mitteln die Alpenpässe zu besetzen und so die spanischen Transporte erheblich zu erschweren. Erzherzogin Claudia unternahm große Anstrengungen, um die Pässe zu schützen. Diese Auseinandersetzung betraf auch Oberschwaben, weil die Spanische Straße (el camino español) bei Waldshut den Bodenseeraum erreichte und zur Festung Breisach als wichtigem Rheinübergang führte.
Ganz in der Nähe lag die große Festung Hohentwiel. Sie befand sich im Besitz Herzog Eberhards III. von Württemberg. Kurz vor der Schlacht bei Nördlingen hatte dieser den aus Hessen stammenden Obristen Konrad Widerholt als Kommandanten eingesetzt. Vom Hohentwiel aus konnte man sowohl die Spanische Straße in Gefahr bringen als auch wichtige Straßenverbindungen zwischen dem Kernland Tirol und den vorderösterreichischen Besitzungen stören. Es verstand sich fast von selbst, dass damit die Erzherzogin und der Kommandant zu Erzfeinden wurden. Vehement versuchte Claudia, den Hohentwiel in ihren Besitz zu bringen. Sie drängte den Kaiser und den Kurfürsten von Bayern, die Festung zu belagern. Fünfmal kam eine Blockade der Festung zustande. Aus Innsbruck ließ die Erzherzogin Waffen heranschaffen, sie schickte Soldaten und Waffen zum Hohentwiel. Aber die Schussweite der Kanonen reichte nicht aus, um die Festung zu zerstören. Auf friedlichem Wege bekam die Erzherzogin den Hohentwiel trotz mehrfacher Versuche nicht in die Hand.
In Oberschwaben stärkte sie ihre Stellung mit Hilfe des katholischen Adels. Nachdem Graf Heinrich von Wolfegg als Landvogt ausschied, berief sie 1637 Graf Johann Georg zu Königsegg in diese Funktion. Der neue Landvogt befand sich in einer schwierigen Position, da ihn Konrad Widerholt als Feind ansah. Er lebte ständig in der Angst vor Entführung und floh verschiedene Male in die sicheren Städte Ravensburg und Konstanz.
Obwohl die Erzherzogin mit dem Kaiser eng verwandt war, musste sie erkennen, dass dieser nicht ausschließlich die Interessen der Habsburger Dynastie vertreten konnte. Denn der Kaiser war nicht nur Oberhaupt der Habsburger, sondern als Reichsoberhaupt auch Herr über die Reichsfürsten, ob diese nun protestantisch oder katholisch waren. Er musste auf gegensätzliche Interessen Rücksicht nehmen, durfte nicht einseitig die Interessen seiner Familie vertreten. Angesichts dieser Situation suchte Erzherzogin Claudia Unterstützung bei den spanischen Habsburgern. Gegen den Willen der Tiroler Stände schloss sie 1639 ein Bündnis mit dem Königreich Spanien. Im Falle einer militärischen Auseinandersetzung versprach man sich gegenseitige Hilfe durch die Abstellung von Soldaten.
Nachdem eine groß angelegte fünfte Belagerung des Hohentwiel im Jahr 1644 scheiterte, geriet die Tiroler Position ins Wanken. Konrad Widerholt zwang die vorderösterreichischen Herrschaften zu regelmäßigen Geldlieferungen an den Hohentwiel. Auf dem Bodensee bekämpfte er mit seinen Kriegsschiffen die kaiserliche Flotte. Frankreich und Schweden griffen 1645 in Oberschwaben wieder in den Krieg ein. Die kaiserliche Partei, zu der Erzherzogin Claudia gehörte, hatte den Gegnern immer weniger entgegenzusetzen.
Im Juli 1646 wurde der älteste Sohn Claudias, Erzherzog Ferdinand Karl, volljährig und trat die Regierung an. Obwohl die Mutter erst 42 Jahre alt war, scheint sie einer gewissen Resignation verfallen zu sein. Ihr Ziel, die Stellung der Tiroler Dynastie zu stärken und womöglich ihr Herrschaftsgebiet zu vergrößern, hatte sie nicht erreicht. Im Gegenteil: Überall bedrohten die Gegner ihr Land. Sie erlebte noch den Abschluss des Westfälischen Friedens im Oktober 1648, der für Tirol den Verlust der elsässischen Herrschaften bedeutete, aber schon zwei Monate später starb sie im Alter von 44 Jahren.
Heute erinnert noch die Porta Claudia bei Scharnitz in Tirol an die Erzherzogin. Eine Schule für italienische Sprache „Claudia de Medici“und ein Oberschulzentrum „Claudia von Medici“im Südtiroler Ort Mals tragen ihren Namen. So ist eine der faszinierenden Frauen des 17. Jahrhunderts in dem Land, das sie 16 Jahre lang regierte, bis heute in Erinnerung geblieben.
Erzherzogin Claudia sorgte dafür, dass die Befestigungen in Lindau und Konstanz gestärkt wurden.
Am Hohentwiel biss sich die Erzherzogin die Zähne aus: Fünf Belagerungen scheiterten.
Unser Autor Dr. Eberhard Fritz ist Archivar des Hauses Württemberg. Der Dreißigjährige Krieg gehört zu den Forschungsgebieten, die ihn leidenschaftlich umtreiben.