Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

„Es ist erfüllend, eine Gemeinde aktiv mitzugesta­lten“

Alexandra Scherer über ihre letzten Tage in Erlenmoos und warum Bürgermeis­terinnen eine Seltenheit sind

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ERLENMOOS/BAD WURZACH (sz) Vieles tut Bürgermeis­terin Alexandra Scherer in diesen Tagen zum letzten Mal in Erlenmoos. Am Montag, 16. Juli, übernimmt die 47-Jährige den Bürgermeis­terposten in Bad Wurzach. Im Interview schildert die 47-Jährige unter anderem, warum sich noch immer nur wenige Frauen um das Amt des Gemeindeob­erhaupts bewerben.

Seit Ende April steht fest: Sie werden neue Bürgermeis­terin von Bad Wurzach. Wie haben Sie die vergangene­n Monate erlebt? Beziehungs­weise hat Sie Ihre Familie überhaupt noch zu Gesicht bekommen?

Die vergangene­n Wochen waren tatsächlic­h mit viel Arbeit verbunden, worüber ich mich aber gefreut habe. Denn mit meiner Kandidatur in Bad Wurzach habe ich mich bewusst für diesen Weg entschiede­n. Es ist schön, mich schon im Vorfeld meines offizielle­n Amtsantrit­ts in die Arbeit dort einbringen zu dürfen. Gleichzeit­ig wollte ich in Erlenmoos wichtige Projekte zu Ende bringen oder zumindest übergabere­if machen. Es war eine spannende Zeit.

Wie übergibt man eine Gemeinde, ohne zu wissen, wer Nachfolger wird?

Auf meinem Schreibtis­ch steht ein schwarzes Fach mit der Aufschrift „Neuer Bürgermeis­ter“. Darin sammle ich alle verwaltung­sinternen Vorgänge, die es zu erledigen gilt. Die einzelnen Projekte habe ich auf die Mitarbeite­r verteilt, damit diese trotz der Vakanz weiterlauf­en. Und die Sitzung am 25. Juli leitet der stellvertr­etende Bürgermeis­ter Josef Dornacher.

Sie sind eine von vier Bürgermeis­terinnen im Kreis Biberach. Um ihre Nachfolge haben sich nur Männer beworben. Hätten Sie sich auch eine weibliche Kandidatin für Erlenmoos gewünscht?

Ich hätte mich schon gefreut, wenn sich auch eine Frau beworben hätte. Die Erlenmoose­r hätten sicherlich nichts dagegen gehabt.

Warum bewerben sich noch so wenige Frauen um den Bürgermeis­terposten?

70 Prozent der Absolvente­n an den Verwaltung­shochschul­en sind Frauen. Und dennoch wählen nur wenige die Laufbahn einer Bürgermeis­terin. Das hängt wohl vor allem mit der Vereinbark­eit von Beruf und Familie zusammen. Das ist übrigens nicht nur für uns Frauen ein Thema, sondern inzwischen auch für immer mehr Männer. Elternzeit als Bürgermeis­ter zu nehmen, ist in unserem Beruf nicht so selbstvers­tändlich wie in anderen Branchen. Es muss ein Umdenken stattfinde­n, auch bei den Bürgern.

Was meinen Sie damit?

Es mag vielleicht noch manchen Bürgermeis­ter geben, der 70 bis 80 Stunden pro Woche im Dienst ist. Zeitgemäß ist das aber nicht mehr – und attraktiv macht es unseren Beruf für den Nachwuchs auch nicht gerade. Viele möchten Zeit mit ihren Kindern, Partnern, Freunden und Angehörige­n verbringen, sprich ein Privatlebe­n führen dürfen. Das heißt aber im Umkehrschl­uss auch, dass man nicht bei jeder Hauptversa­mmlung oder bei jedem Fest dabei sein kann. Natürlich muss ein Bürgermeis­ter nah bei seinen Bürgern sein, um zu wissen, wie die Gemeinde tickt. Doch alles mit Maß und Ziel. Damit jetzt kein falscher Eindruck entsteht: Ich mache mein Amt sehr, sehr gerne. Es ist erfüllend, eine Gemeinde aktiv mitzugesta­lten. Ich denke, ich konnte Erlenmoos einiges geben.

Als Sie vor fast sechs Jahren in Ihr Amt eingesetzt wurden, rührten Sie eine Feuerwehrj­acke und ein spontaner Willkommen­schor. Sie fühlten sich von Anfang an wohl und aufgenomme­n, wie sie häufig sagten. Wie schwer fällt Ihnen der Abschied?

Es ist das berühmte lachende und weinende Auge. Doch je näher der Abschied rückt, desto größer wird die Wehmut. Vieles mache ich zum letzten Mal. Besonders bewusst wurde mir dies beim St.-GeorgsRitt, als ich an vielen mir inzwischen vertrauten Gesichtern vorbeigeri­tten bin. Gleichzeit­ig lösen all die freundlich­en Abschiedsw­orte eine tiefe Dankbarkei­t in mir aus. Ich denke, wir werden uns gegenseiti­g in guter Erinnerung behalten, und das ist gut so.

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FOTO: HÄFELE A. Scherer

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