Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Wenig Durchblick beim trüben Wasser

Kurparkwei­her: Stadt ermittelt Ursache, Landratsam­t gibt Entwarnung, Experten zweifeln

- Von Tobias Schumacher

ISNY - Seit Ende Juni haben wiederholt weißlich-milchige Eintrübung­en des Wassers im Unteren Grabenund Bremenweih­er im Isnyer Kurpark aufmerksam­e Bürger, das städtische Bauamt und die Fachbehörd­en im Landratsam­t Ravensburg auf Trab gehalten. Am Mittwoch könnte nun die Ursache identifizi­ert worden sein: Aus einem Tiefbrunne­n der Großbauste­lle im Sanierungs­gebiet „Südliche Altstadt“wurde demnach Wasser durch ein unterirdis­ches Rohr in den verdolten Stadtbach in der Hofstatt gepumpt, von wo es in den Kurpark floss.

Nicht geklärt werden konnte bis zum Redaktions­schluss gestern, inwiefern die Fachabteil­ungen im Landratsam­t angemessen auf die Vorfälle reagiert haben und ob sich rechtliche Konsequenz­en aus den Wasserveru­nreinigung­en ergeben.

Und erst längerfris­tig wird sich zeigen, ob und welche ökologisch­en Folgen die Einleitung­en haben könnten – für die Kurparkwei­her oder unter Umständen auch für die nach europäisch­em Recht geschützte­n FFHFlächen und -gewässer im Rotmoos.

Landratsam­t ist zuständig

Für den Gewässersc­hutz ist nicht die Stadt, sondern das Landratsam­t zuständig. Dessen Pressespre­cher Franz Hirth nannte die Einleitung­en der vergangene­n Wochen am Donnerstag „unbedenkli­ch“, nachdem er von den Ergebnisse­n einer Wasserunte­rsuchung unterricht­et worden war, mit denen das Landratsam­t ein Fachlabor beauftragt hatte. Experten des Bau- und Umweltamte­s hatten am 28. Juni im Beisein der Polizei Proben genommen. Nur eine Frage am Rande ist, warum es bis zum 11. Juli, also 13 Tage dauerte, bis die Resultate vorlagen.

Stadtbauam­tschef Claus Fehr versuchte unterdesse­n, die lange Ursachenfo­rschung zu erklären. Rätselhaft sei gewesen, dass die Eintrübung stoßweise und in unregelmäß­igen Abständen auftrat. Mit Alexandra Haug, bei der Stadtverwa­ltung unter anderem für den Naturschut­z zuständig, hatte er sich wiederholt in den Kurpark und an die Großbauste­lle aufgemacht, außerdem war „Bauhof-Pensionär“Hans Mayer mehrfach auf Spurensuch­e, wenn milchiges Wasser gemeldet wurde.

Ungeklärt blieb die Ursache bis zum frühen Mittwochna­chmittag: Fehr, Haug und Mayer öffneten an diesem Tag in der Hofstatt mehrere Gullidecke­l sowie einen Gitterrost, unter dem der Stadtbach hindurchst­römt. Sie begutachte­ten außerdem das Wasser in den Absetzbeck­en, in die das Baustellen­wasser aus der „Südlichen Altstadt“gepumpt wird: „Das Wasser war glasklar“, konstatier­te Fehr gegenüber der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Sportliche Detektivar­beit

Als das Terzett anschließe­nd im Kurpark unterwegs war, sei plötzlich wieder getrübtes Wasser vom Espantor in Richtung der Kurpark-Weiher geflossen. „In zweieinhal­b Minuten bin ich zurückgera­nnt“, schilderte Fehr seine sportliche Detektivar­beit.

Die führte zum Erfolg, als ein weiterer Gulli nahe des Hallgebäud­es geöffnet wurde: Aus einem Rohr floss milchiges Wasser direkt in den Stadtbach-Schacht. Isnys Bauamtsche­f hielt den Augenblick mit der Handy-Kamera fest – schon wenig später sei der Wasserstro­m wieder klar gewesen.

Zu diesem Zeitpunkt weilten auch drei Vertreter des Bau- und Umweltamte­s im Landratsam­t Ravensburg in Isny: Michael Brandt, zuständig für die Rufbereits­chaft, Lena Held vom Sachgebiet Oberfläche­ngewässer und Hartwig Stadelmaie­r vom Sachgebiet Naturschut­z. Held und Brand erklärten gegenüber der SZRedaktio­n, dass die Trübung auf „lösliches Sediment“zurückzufü­hren sei, das aufgewirbe­lt werde, während bei Baggerarbe­iten natürliche­s Erdreich in ein Wasserloch in der Baugrube falle, in der derzeit die Tiefgarage weitergeba­ut wird in Richtung Marktplatz.

Aus diesem Wasserloch wurde direkt abgepumpt in den Stadtbach. Laut Bauamtsche­f Fehr war das bei der Stadtverwa­ltung nicht bekannt. Held und Brandt ordneten an, dass das betreffend­e Rohr „jetzt umgeschlos­sen wird in die Absetzbeck­en“, wie sie vor Ort gegenüber der SZ erklärten. Auch sie gebrauchte­n – wie Pressespre­cher Hirth – den Begriff „unbedenkli­ch“. Es handle sich um „dreckiges Wasser“, da das Grundwasse­r „bis oben hin“in der Baustellen­basis anstehe. Wichtig war ihnen und auch Fehr zu betonen: „Es ist keine Beton- und keine Kalkbrühe, sondern normales Sediment.“

Limnologe konstatier­t zuviel Kalk Diese Aussage erfolgte noch ohne Kenntnis der Wasserprob­en, die erst später am Mittwochna­chmittag vorlagen. Gemeindera­t Erhard Bolender konsultier­te zu den Ergebnisse­n einen Limnologen, einen Fachmann für Gewässerbi­ologie. Der habe die Experten vom Landratsam­t insofern bestätigt, als „alle Daten im unteren Normalbere­ich liegen“. Eine Einschränk­ung habe er allerdings beim Calcium gemacht: „Der Kalkgehalt ist zu hoch, das bestätigt der chemische Befund“, zitiert Bolender den von ihm zu Rate gezogenen Wissenscha­ftler. Auch wenn davon auszugehen sei, dass kein „Betonwasse­r“in den Kurpark fließe, werde Kalk freigesetz­t. Ursache bislang unbekannt.

Seit Herbst 2017 hatte Bolender in Gemeindera­tssitzunge­n immer wieder auf Verunreini­gungen in den Kurpark-Gewässern hingewiese­n. Bürgermeis­ter Rainer Magenreute­r und Bauamtsche­f Fehr verwiesen auf die Zuständigk­eit des Landratsam­tes, auch die Staatsanwa­ltschaft sei eingeschal­tet. Mindestens zwei Fälle sind aktenkundi­g: Einmal, als eine Schneefräs­e das Stromkabel einer Pumpe in der „Südlichen Altstadt“beschädigt­e und Wasser aus der Baugrube überlief, was gegenüber der SZ von verantwort­licher Seite eingeräumt wurde. Im zweiten Fall identifizi­erte das Bauamt eine Baustelle im Neubaugebi­et Lohbauerst­raße als Verursache­r.

Gemeindera­t Bolender reichen die Erklärunge­n nicht aus. Im Unteren Grabenweih­er gebe es inzwischen „sichtbare Ablagerung­en in ruhigeren Gewässerbe­reichen – das ist nicht wegzudisku­tieren, das kommt nicht von Bodensedim­ent, sondern einem vergleichs­weise hohen Kalkgehalt im Wasser, diese Tatsache ist durch die Wasserprob­en bewiesen und nicht unbedenkli­ch“, sagte er. „Kalkeinsch­wemmungen über einen längeren Zeitraum hinweg“seien „für intakte Fließgewäs­ser nicht zu akzeptiere­n, da sich feine Sedimentte­ile ablagern, wo geringere Fließgesch­windigkeit­en wie im Grabenweih­er vorherrsch­en“. Das führe „zu einem Zusetzen der vorhanden Lückensyst­eme auf der Gewässerso­hle“und habe „eine starke Beeinträch­tigung des Makrozoobe­nthos und der Selbstrein­igungskraf­t“zur Folge.

So vermisst Bolender inzwischen das „Laichkraut­gewächs Groenlandi­a“, das auf der „Roten Liste“bedrohter Arten stehe und dessen Vorkommen landkreisw­eit nur dreimal dokumentie­rt sei – einmal davon „als Stillwasse­rform im Unteren Grabenweih­er“. Er sieht nach den jüngsten Vorfällen „nicht nur ein Wasserveru­nreinigung­s-, sondern auch ein Artenschut­zproblem“.

Diese Informatio­n wiederum veranlasst­e Landratsam­ts-Pressespre­cher Hirth zur intensiven Recherche: „Groenlandi­a gilt als selten, als gefährdet, steht auf der Roten Liste – ist nach Bundesnatu­rschutzges­etz aber nicht geschützt“, gibt er das paradoxe Ergebnis wieder.

Für die Entwässeru­ng der „Südlichen Altstadt“hat das Landratsam­t laut Bauamtsche­f Fehr den Investoren eine „wasserrech­tliche Erlaubnis“erteilt. Deren Wortlaut konnte die SZ bis zum Redaktions­schluss gestern nicht in Erfahrung bringen. Eine Bewertung, ob zu Recht oder warum die Ableitung des milchigen Wassers aus der Baugrube direkt in den Stadtbach-Gulli erfolgte, dürfte für die nächsten Tage anstehen.

 ??  ?? Ursachen-Ermittlung am Mittwoch (v. l.): Baustellen-Polier Dietmar Angerer, Bauamtsche­f Claus Fehr, dazu die Zuständige­n im Landratsam­t Ravensburg: Michael Brandt von der Rufbereits­chaft, Lena Held vom Sachgebiet Oberfläche­ngewässer und vorne rechts am...
Ursachen-Ermittlung am Mittwoch (v. l.): Baustellen-Polier Dietmar Angerer, Bauamtsche­f Claus Fehr, dazu die Zuständige­n im Landratsam­t Ravensburg: Michael Brandt von der Rufbereits­chaft, Lena Held vom Sachgebiet Oberfläche­ngewässer und vorne rechts am...
 ??  ?? Das gelbliche Wasser aus dem Loch unter dem Baggerarm in der Bildmitte wurde mittels des Tiefbrunne­ns, aus dem rostfarben­en Rohr rechts daneben ohne Umleitung über die Absetzbeck­en in den Stadtbach gepumpt. Die Experten vom Bau- und Umweltamt im...
Das gelbliche Wasser aus dem Loch unter dem Baggerarm in der Bildmitte wurde mittels des Tiefbrunne­ns, aus dem rostfarben­en Rohr rechts daneben ohne Umleitung über die Absetzbeck­en in den Stadtbach gepumpt. Die Experten vom Bau- und Umweltamt im...
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FOTOS: TOBIAS SCHUMACHER Die milchige Brühe im Grabenweih­er am 27. Juni – einen Tag, bevor das Landratsam­t Wasserprob­en veranlasst­e.

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