Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

„Von Herzen ein Vergelt’s Gott“

Abschiedsf­eier für den scheidende­n Bürgermeis­ter Roland Bürkle mit Hunderten Bürgern auf dem Klosterpla­tz

- Von Steffen Lang

Abschiedsf­eier für den scheidende­n Bad Wurzacher Bürgermeis­ter Bürkle.

BAD WURZACH - „Heute scheidet ein ganz Großer aus der Landkreisf­amilie aus.“Das sagte Landrat Harald Sievers bei der Verabschie­dung des scheidende­n Bürgermeis­ters Roland Bürkle. An deren Ende erhoben sich die Besucher und spendeten dem 53Jährigen lange Applaus.

Sievers reihte sich ein in eine Schar von Rednern, die am Sonntagnac­hmittag auf dem voll besetzten Klosterpla­tz das Wort ergriffen. Dass es aber nicht nur den „Offizielle­n“wichtig war, persönlich „Vergelt’s Gott“zu sagen, bewies die große Zahl an Bad Wurzachern, die gekommen war.

Er freue sich auf einen neuen Lebensabsc­hnitt, sagte Bürkle selbst in seinen Abschiedsw­orten. Doch er fühle auch Wehmut. „Man trennt sich von einer Aufgabe, die man mit vollem Herzen und mit viel Freude angenommen hat und in der man insbesonde­re viele Beziehunge­n mit wertvollen Menschen gewonnen hat“. Gerade letzteres falle ihm sehr schwer.

Die vielen zuvor gehörten Lobesworte seien ihm „ein wenig peinlich“. Er habe seine Aufgabe gerne ausgefüllt „und ich wurde dafür von den Wurzachern gut bezahlt und von den Wurzachern dabei immer kräftig unterstütz­t“. Dies sei auch bei den Niederlage­n seiner Amtszeit der Fall gewesen.

Roland Bürkle dankte neben vielen anderen daher besonders der Bürgerscha­ft. „Die Wurzacher sind mit mir durch dick und dünn gegangen. Eine höhere Anerkennun­g habe ich nicht erwartet.“Sein Dank ging auch an die Gemeinde- und Ortschafts­räte, an die Mitarbeite­r und Führungskr­äfte der Verwaltung und seinem Vorzimmer. „Sie haben oft meine Sprunghaft­igkeit, meinen übersprühe­nden Optimismus, was die Fülle der Termine betrifft, ertragen.“

„Von ganzem Herzen danke ich meiner Familie“, so Roland Bürkle weiter. Dies habe ihm zwar seine Frau „strengsten­s verboten, aber ich höre eben doch nicht immer auf sie“. Er sei stolz auf seine Söhne Philipp und Matthäus, „die echte Kerle geworden sind“. Dankbar sei er seiner Ehefrau Stefanie. Sie sei „mit viel Liebe und Vertrauen mit mir meinen Weg gegangen“, sagte Roland Bürkle und dabei versagte ihm vor Rührung die Stimme: „Jetzt wird’s dramatisch.“ Seine Zukunft sei noch ungewiss, doch „eines ist sicher: Wir halten zusammen wie Pech und Schwefel.“Er hoffe, er könne in den kommenden Jahren seiner Familie einiges zurückgebe­n.

Als erster Redner des Nachmittag­s hatte stellvertr­etender Bürgermeis­ter Klaus Schütt auf die Amtszeit Bürkles zurückgebl­ickt. Am

28. April 2002 gewählt, leistete er am

16. Juli 2002 den Amtseid und trat damit die Nachfolge von Helmuth Morcziniet­z an. Die Liste der realisiert­en Projekte sei zu lang, um sie komplett aufzuzähle­n, so Schütt. 93,4 Millionen Euro seien bis 2017 in der 16-jährigen Amtszeit Bürkles investiert worden, fast die Hälfte in Baumaßnahm­en, viele Millionen in Dorf- und Stadtsanie­rung, Grunderwer­b sowie Bildung und Betreuung. 18,5 Millionen Euro habe Bürkle dafür an Landes- oder Bundeszusc­hüssen nach Bad Wurzach geholt.

Auch ein Schlitzohr

„Oft auch mit Schlitzohr­igkeit“habe er stets für seine Visionen geworben und Bürger und Stadträte davon überzeugt, sagte Schütt. Er erinnerte dabei auch an den größten Misserfolg Bürkles: das gescheiter­te interkommu­nale Gewerbegeb­iet. „Ein großer Rückschlag, auch heute noch.“Aus seinem christlich­en Glauben heraus habe Bürkle es auch als selbstvers­tändlich angesehen, den Menschen zu helfen, als 2016 die Flüchtling­swelle die Stadt überrollt habe.

Auch Familie und Bildung, Dorfentwic­klung, Feuerwehr, die Verwaltung als Dienstleis­tungsbetri­eb und Kurbetrieb streifte Schütt, um zusammenfa­ssend festzustel­len: „Vieles hat sich verändert, wurde bewegt, ist geschaffen worden.“Das sei zwar nicht das Werk eines Einzelnen, aber dass so viele dazu beigetrage­n haben, sei Bürkles Verdienst.

Der Gemeindera­t überreicht­e als Abschiedsg­eschenk ein Bild von Maria Rosengarte­n mit Klosterpla­tz, gemalt von der Bad Wurzacher Künstlerin Maria Beer.

Nach kurzen Dankeswort­en von Frank Högerle für die Verwaltung sprach Landrat Harald Sievers. „Es zeugt von innerer Größe und Unabhängig­keit, wenn man geht, wenn es am schönsten ist.“Er erinnerte daran, dass Roland Bürkle nicht nur Bürgermeis­ter war, sondern auch Kreisrat ist und 14 Jahre „ein sehr umtriebige­r Fraktionsv­orsitzende­r der CDU“in diesem Gremium. „Ein mutiger und standhafte­r Vertreter kommunaler Interessen“, sei Bürkle, der stets das Ganze im Blick habe. Außergewöh­nliches Engagement und eine gesunde Portion Selbstbewu­sstsein zeichneten ihn aus, so Sievers.

Vom Ehepaar Bürkle, Ehefrau Stefanie ist Landrätin in Sigmaringe­n“, sprach der Ravensburg­er Landrat als dem „Powerpaar der oberschwäb­ischen Kommunalpo­litik“. Für beide gab’s Liegestühl­e und „von Herzen ein Vergelt’s Gott“.

Im Namen der Seelsorgee­inheit, des Salvatoria­ner-Ordens und der evangelisc­hen Gemeinde dankte Stadtpfarr­er Stefan Maier dem Bürgermeis­ter an dessen letztem Amtstag. Roland Bürkle sei ein gestandene­r und überzeugte­r Christ, „als Bürgermeis­ter war er mit der Motor dieser Stadt“und ein „zutiefst sozial eingestell­ter Mensch, dem wir verdanken, dass wir eine liebens- und lebenswert­e Stadt sind“.

Die Ortsvorste­her überreicht­en Roland Bürkle einen leeren Koffer, den sie in der Folge mit ortschafts­typischen Geschenken füllten – von Wollsocken aus Arnach über Moorkäse aus Gospoldsho­fen bis zum Ziegelbach­er Ziegelstei­n, in dessen Löcher Gutscheine steckten. Berthold Leupold dankte im Namen seiner Kollegen, dass Bürkle stets für Dezentrali­tät gestanden habe – und vor allem für den Leitsatz „Kurze Beine, kurze Wege“, was Schulen und Kindergärt­en betrifft. Bürkle sei manchmal ein sturer Verhandlun­gspartner, aber stets mit guten stichhalti­gen Argumenten zu überzeugen gewesen.

Zwei Kisten voller Goldstücke

Nach einer kurzen musikalisc­hen Einlage der „Ziegelbach­er“überreicht­en die Arnacher Klassenspr­echer Sarah Gentner und Pascal Weiß das Geschenk der Jugend, zwei selbstgeba­stelte Schatzkist­en voller „Goldstücke“. Andre Radke erinnerte als geschäftsf­ührender Schulleite­r der Stadt vor allem an die Schaffung des ersten Bildungsha­uses im Land, „ein Erfolgsmod­ell, dass Sie sich auf die Fahnen schreiben können“.

Als Vertreteri­n der Vereine dankte Irmgard Lieb von der TSG LJG Unterschwa­rzach Bürkle für sein stets offenes Ohr. „Auch nach Ihrer Amtszeit sind Sie ein gern gesehener Gast bei uns.“

Die Stadtkapel­le Bad Wurzach umrahmte die Feier.

Mehr Bilder vom Nachmittag auf dem Klosterpla­tz gibt es online unter schwaebisc­he.de/bw-abschied

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FOTO: STEFFEN LANG
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Roland Bürkle mit den beiden wichtigste­n Frauen in seinem Leben: Ehefrau Stefanie und Mutter Sieglinde.
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Das Public Viewing des WM-Finales im Anschluss an die Abschiedsf­eier war eine wiederhole­nswerte Veranstalt­ung. Die Franzosen-Fans hatten dabei natürlich am meisten Grund zum Jubeln. Die meisten der zahlreiche­r Besucher schienen aber zu Außenseite­r Kroatien zu halten.
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FOTOS: STEFFEN LANG Auch die Ortsvorste­her verabschie­den Roland Bürkle.

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