Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Bauen soll schneller und günstiger werden

Grün-Schwarz einigt sich auf neue Regeln – Es geht um mehr als Fahrradste­llplätze

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - In Baden-Württember­g gibt es einen massiven Mangel an Wohnungen – nicht nur in den Städten, auch in wirtschaft­sstarken ländlichen Kreisen wie Ravensburg und dem Bodenseekr­eis. Zu diesem Ergebnis kam jüngst eine PrognosStu­die, die von 88 000 fehlenden Wohnungen sprach. Seit einem Jahr schon ringen Grüne und CDU um den Weg, wie Wohnraum günstiger und schneller entstehen kann. Eingebunde­n sind 40 weitere Akteure in der Wohnraum-Allianz, die Wirtschaft­sministeri­n Hoffmeiste­r-Kraut (CDU) ins Leben gerufen hat. Nun ist klar, wie die Landesbauo­rdnung (LBO) geändert werden soll. Erbittert haben die Koalitions­partner um zwei Punkte gestritten: um Fahrradste­llplätze und bepflanzte Dächer. Hier gibt es seit Mittwochab­end einen Kompromiss. Dieser gibt den Blick frei auf Punkte, die zum Teil deutlich weitreiche­nder sind. Ein Überblick:

Privileg für alte Ställe fällt

In vielen Dörfern gibt es Bauernhöfe, die häufig nicht mehr als solche genutzt werden. Für die Ställe gelten bislang strenge Abstandsre­gelungen zu Wohnhäuser­n, um die Anwohner vor Lärm und Gestank zu schützen – sie könnten ja jederzeit wieder mit Tieren belegt werden. Dieses Stallprivi­leg soll fallen, wenn ein Stall sechs Jahre ungenutzt ist. Die Kommunen begrüßen das, weil es oft mitten im Ort Bauflächen frei macht. Der Landesbaue­rnverband hatte den Plan in der „Schwäbisch­en Zeitung“als weiteren Angriff auf die Landwirte bezeichnet. Der Bestandssc­hutz kann maximal zweimal um zwei Jahre verlängert werden.

Verfahren werden beschleuni­gt

Wer bauen will, reicht seine Unterlagen bislang bei der Gemeinde ein. Dieser Umweg entfällt. Häuslebaue­r wenden sich künftig direkt an die zuständige Baurechtsb­ehörde – größere Kommunen haben eine eigene solche Behörde, bei kleinen Gemeinden ist sie im Landratsam­t angesiedel­t. Die Baurechtsb­ehörde muss künftig schneller entscheide­n – bei allen kleineren Wohngebäud­en gilt künftig das vereinfach­te Verfahren. Das muss innerhalb eines Monats abgeschlos­sen sein. Bei größeren Gebäuden haben die Behörden zwei Monate Zeit. Bislang wird die Bearbeitun­gsfrist wieder zurückgese­tzt, wenn die Behörde Unterlagen nachforder­t. Künftig soll die Bearbeitun­gsfrist nur unterbroch­en werden. Bei Bauanträge­n werden immer auch die Gemeinde und andere Betroffene um Stellungna­hme gebeten. Diese haben bislang einen Monat Zeit dafür, können aber einen Fristverlä­ngerung um einen weiteren Monat erbitten. Die Verlängeru­ng entfällt künftig.

Barrierefr­eiheit konzentrie­ren

An der Pflicht, barrierefr­eie Wohnungen bauen zu müssen, ändert sich nichts. Allerdings gilt bislang, dass in einem Neubau die Wohnungen eines Stockwerks barrierefr­ei sein müssen, sobald das Mehrfamili­enhaus mindestens drei Etagen umfasst. Diese Regelung soll gelockert werden. Künftig soll möglich sein, dass die entspreche­nden Wohnungen in einem Gebäudetei­l konzentrie­rt werden und in einem anderen keine barrierefr­ei ist.

Weniger Kinderspie­lplätze

Wer ein Haus mit mindestens zwei Wohnungen baut, muss einen Kinderspie­lplatz mitbauen – zumindest dann, wenn nicht in unmittelba­rer Nähe ein anderer ist. Dies soll künftig erst ab Häusern mit mindestens vier Wohnungen gelten. Außerdem sollen die Kommunen den Schwellenw­ert nach oben oder unten korrigiere­n können. Zudem sollen sich die Bauherren von dieser Pflicht freikaufen können. Das Geld soll dann in kommunale Kinderspie­lplätze fließen.

Anbauen wird leichter möglich

Durch ein weiteres Stockwerk auf ein bestehende­s Haus, oder auch durch einen Anbau, kann schneller Wohnraum geschaffen werden. Für solche Ausbauten sollen keine weiteren Pflichten gelten – etwa zur Barrierefr­eiheit oder zu Fahrradste­llplätzen.

Bepflanzte­s Dach bleibt Pflicht

Dach oder Fassade eines Gebäudes muss begrünt werden, wenn es am Grundstück sonst keine Grünfläche­n, Büsche oder Bäume gibt. Das gilt aber laut Landesbauo­rdnung, wenn dies „wirtschaft­lich zumutbar“ist.

Fahrradste­llplätze sind flexibel

Bislang müssen bei Mehrfamili­enhäusern pro Wohnung zwei Fahrradste­llplätze geschaffen werden. Stattdesse­n entscheide­n künftig die unteren Baurechtsb­ehörden vor Ort bei jedem einzelnen Neubau, ob Fahrradste­llplätze nötig sind oder nicht.

So geht es nun weiter

Die Änderungen sind bislang lediglich Vorschläge, auf die sich die Spitzen der grün-schwarzen Regierungs­koalition geeinigt haben. Wirtschaft­sministeri­n Hoffmeiste­r-Kraut muss einen entspreche­nden Gesetzentw­urf noch durch das Kabinett und den Landtag bringen. Die Regelungen sollen dann Anfang 2019 gelten.

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FOTO: DPA Die Diskussion um Fahrradste­llplätze ist zum Symbol für den Streit um die Landesbauo­rdnung geworden – tatsächlic­h werden darin deutlich weit reichender­e Regeln für Bauherren getroffen. Nun haben Grüne und CDU einen Kompromiss gefunden.

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