Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Ungebrochene Treue zu Trump
Die politischen Pirouetten ihres Präsidenten irritieren die Amerikaner, doch einen Aufstand wird es nicht geben
WASHINGTON - Hat er nein gesagt, oder ja, oder doch vielleicht? In den drei Tagen seit seinem Treffen mit dem russischen Amtskollegen Wladimir Putin hat Donald Trump ein Verwirrspiel aufgeführt, das das Publikum schwindelig macht. Erst zweifelt der US-Präsident am eigenen Geheimdienst, nach dessen Erkenntnissen Russland versucht hat, die Wahl 2016 zu manipulieren. Dann will er sich nur versprochen und das Gegenteil des Gesagten gemeint haben. In den Tagen danach verschwindet ein „Nein“im Protokoll vollständig aus seiner Erinnerung. Wen das irritiert, der ist nach Trumps Meinung allerdings selbst schuld: „So viele Leute am oberen Rand der Intelligenz liebten meinen Auftritt auf der Pressekonferenz in Helsinki“, ist er überzeugt.
Tatsächlich hat Trumps kritikloser Umgang mit Russland in den vergangenen Tagen in Amerika eine parteiübergreifende Welle der Empörung ausgelöst. In einer aktuellen Umfrage des Senders CBS bescheinigen ihm nur 32 Prozent der Befragten, den Gipfel ordentlich gehandhabt zu haben. Allerdings: Bei den Republikanern kommt er auf eine Zustimmungsrate von 68 Prozent.
Sicher im Sattel
Diese Zahl erklärt, warum Trump trotz Chaos im Weißen Haus sicher im Sattel sitzt. Trump mag der Präsident mit den historisch schlechtesten Umfragen sein – die eigene Wählerschaft aber hält ihm unverbrüchlich die Treue. 90 Prozent der Republikaner stehen nach einer Umfrage des Forschungsinstituts Gallup von Anfang Juli hinter Trump. Der frühere republikanische Spitzenpolitiker John Boehner hat das so beschrieben: „Es gibt keine Partei der Republikaner. Es gibt eine Trump-Partei. Die Partei der Republikaner macht Mittagsschlaf."
Deswegen kann Trump ungestraft urrepublikanische Werte und Positionen schleifen: die traditionelle Distanz der Konservativen zu Russland genauso wie die Zusammenarbeit mit den Verbündeten in der Nato und der G7 und auch das Credo offener Märkte.
Trumps Handelskrieg geht zu Lasten der Farmer in den ländlichen Regionen und der Industriearbeiter im Mittleren Westen, die ihn gewählt haben. Aber eine flächendeckende Abkehr hat das nicht ausgelöst. Ein Reporter des „Kansas City Star“fuhr in das 17 000-Einwohner-Nest Poplar Bluff im US-Bundesstaat Missouri, wo der Nagelfabrikant Mid Continent Nail wegen der Stahlzölle vor der Pleite steht. Enttäuschte Wähler fand er dort nicht. Ja, sagte ihm einer, seine Freunde würden nun wohl ihren Job verlieren. „Aber ich glaube nicht, dass sie sich gegen Trump wenden werden." So wie in Poplar Bluff vertrauen viele TrumpWähler darauf, dass ihr „Dealmaker“die Verhandlungspartner in Europa und China in die Knie zwingen wird. Denn noch boomt die US-Konjunktur, und die Arbeitslosigkeit ist so niedrig wie lange nicht mehr. Das Weltbild der Trump-Fans speist sich aus Fox News, dem Fernsehsender, in dem sich der Präsident nach der Blamage von Helsinki seiner angeblichen Erfolge brüsten durfte, während Moderator Sean Hannity ihm eilends die Stichpunkte lieferte. Zwar leistete sich sogar Fox vorsichtige Kritik am Verhalten Trumps gegenüber den Russen. Nachhaltige Konsequenzen dürfte die aber so wenig haben wie die wachsende Unruhe im Kongress. Der republikanische Berater Mike Murphy beschreibt die Überlegungen seiner Parteifreunde so: „1. Trump ist eine Schande. 2. Ich sage das morgen in einer wütenden Pressekonferenz. 3. Nichts ändert sich, Trump bleibt verrückt und bleibt Präsident. 4. Ein Verrückter schlägt mich in der nächsten Vorwahl. Also was hilft mein politischer Selbstmord?"
Dass das keine Fiktion ist, hat der renommierte Politiker Mark Sanford erlebt, dessen Karriere Trump mit einem einzigen Tweet beendete. Nachdem Donald Trump jüngst den Daumen über Sanford gesenkt hatte, stellte die Basis in South Carolina für die Kongresswahl dessen unerfahrene Gegenkandidatin auf. Spätestens seit diesem Vorfall begehrt gegen den Oberbefehlshaber nur auf, wer politisch nichts mehr zu verlieren hat.
„Ich könnte in der Mitte der Fifth Avenue stehen und jemanden erschießen, und ich würde keine Wähler verlieren“, hat Trump 2016 gesagt. Daran hat sich bislang nichts geändert.