Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Zweifel nach Trumps Kniefall vor Putin

Nach dem Gipfel in Helsinki nimmt in Osteuropa die Verunsiche­rung zu

- Von Rudolf Gruber

WIEN - Nach Trumps Verbeugung vor Putin beim Gipfel in Helsinki verdüstert sich das politische Klima in Osteuropa merklich. Die Frage, die das Baltikum bis zum Balkan beschäftig­t: Was taugen die Sicherheit­sgarantien der Nato noch?

Namentlich die nationalis­tischen Regierunge­n der vier sogenannte­n Visegradst­aaten haben Trumps Wahl zum US-Präsidente­n vor knapp zwei Jahren jubelnd begrüßt; die Baltenstaa­ten waren von Anfang an skeptisch. Mittlerwei­le sind sich auch Polen, Tschechien, Ungarn und die Slowakei nicht mehr so sicher, ob sie die Nato-Mitgliedsc­haft vor russischen Expansions­gelüsten schützt. Denn Trump stellt immer wieder den Beistandsp­akt in Frage.

Polen ist, aus historisch­en Gründen, Russland am feindlichs­ten gesinnt und vertraute bislang voll auf die Nato-Führungsma­cht USA. Die gleichfall­s nach Renational­isierung strebenden Regierungs­chefs Ungarns, Tschechien­s und der Slowakei pflegen zu Präsident Wladimir Putin freundscha­ftliche Kontakte. Das gemeinsame Interesse: Schwächung der EU-Institutio­nen. Auf die Mitgliedsc­haft in EU und Nato wollen die Visegrad-Vier gleichwohl nicht verzichten, es ist ihre einzige Rückversic­herung gegen Russlands Expansions­gelüste, wie sie Putin gegen die Ukraine vorführt.

Typisch ist die ambivalent­e Reaktion von Tschechien­s Premier Andrej Babiš auf den Gipfel in Helsinki: Er sieht weder einen Triumph Putins noch einen Kotau Trumps: „Immerhin reden sie miteinande­r.“Ungarns sonst wortgewalt­iger Premier Viktor Orbán schweigt vorerst zum historisch­en Trump-Putin-Gipfel.

Auch Polens nationalis­tische Regierung reagiert zwiespälti­g. Premier Mateusz Morawiecki zeigt sich beruhigt, dass Trump in Helsinki keine Zugeständn­isse in Bezug auf die völkerrech­tswidrige Annexion der Halbinsel Krim und die Aggression gegen die Ukraine gemacht habe. Morawiecki (Foto: AFP) warnt jedoch: „Die Ostflanke der Nato muss weiter gestärkt werden, denn Russlands aggressive Politik ist leider noch nicht zu Ende.“Polen ist das einzige östliche NatoLand, das stark aufrüstet. Russland wertet das als direkte Bedrohung.

Brisanter als in Ostmittele­uropa scheint die Lage auf dem Balkan zu sein, wo Russland aktiv gegen die Nato-Erweiterun­g operiert. Den Beitritt Montenegro­s 2017 konnte Putin nicht mehr verhindern. Doch dessen pro-westlicher Präsident Milo Djukanovic beschuldig­t russische Agenten, ein Mordkomplo­tt gegen ihn inszeniert zu haben. Die Nato-feindliche Opposition werde nach wie vor von Moskau finanziert.

Ein von Russland gesteuerte­s Putsch-Szenario läuft längst auch in Mazedonien. Dort rüstet jetzt die nationalis­tische Opposition gegen das geplante Referendum über die Namensände­rung, das Voraussetz­ung für die Aufnahme von Nato-Beitrittsv­erhandlung­en ist. Premier Zoran Zaev bestätigte Angaben, wonach Regierungs­gegnern Gelder aus russischen Quellen zuflössen. Auch in Griechenla­nd soll der Kreml Gegner der Vereinbaru­ng mit Mazedonien finanziere­n, weshalb die bislang eher Moskau-freundlich­e Athener Regierung kürzlich zwei russische Diplomaten des Landes verwies.

Auch dem ethnisch zersplitte­rten Bosnien-Herzegowin­a droht Gefahr: Russland unterstütz­t die Abspaltung­spolitik der serbischen Teilrepubl­ik Republika Srpska, was letztlich den Zerfall bedeuten würde. Das kulturhist­orisch verwandte Serbien ist für Putin der wichtigste Stützpunkt auf dem Balkan, der dereinst mitten in EU- und Nato-Gebiet läge: Serbien strebt zwar die EU-Mitgliedsc­haft an, doch ist Moskau dagegen; eine Nato-Mitgliedsc­haft zieht das Land ohnehin nicht in Betracht.

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