Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Mächtige Fundamente und filigrane Innenraumpflasterungen als historisches Erbe
Was die Archäologen mit ihren Grabungen am Marktplatz inzwischen aus wohl einem Jahrtausend der Stadtentwicklung herauslesen können – Brände schon vor 1631
ISNY - Der Marktplatz hat in der 1000-jährigen Geschichte mehrfach sein Gesicht verändert. Was durch die Quellenlage aus den Archiven des Klosters und der Städte Isny und Lindau vorgezeichnet ist, bestätigt sich beim heutigen Stand der archäologischen Grabungen rund um den Blaserturm. Ob die Planungen für das Gesicht des Marktplatzes im 21. Jahrhundert der Verantwortung für ein reiches historisches Erbe gerecht werden, entscheidet sich 2018.
„Bei Eingriffen in den Boden, dort wo die Behörden ,Bodendenkmale’ lokalisiert haben, gibt der Gesetzgeber das Verursacherprinzip vor. Der Bauherr muss dafür sorgen, dass vor Baubeginn im Bereich des Bodendenkmals fachgerecht dokumentiert wird“, erklärte Archäologe Arne Schmid-Hecklau, Grabungsleiter der Firma Archbau Bayern, Ende Juni allgemein zu den aktuell laufenden Untersuchungen im Untergrund. Solche Grabungen würden heute meist durch Fachfirmen unter Aufsicht des Landesamtes für Denkmalspflege durchgeführt, so auch in Isny.
Rechtsbezirk schon ums Jahr 1000 Bei den Grabungen in der südlichen Altstadt wurde bereits festgestellt, dass es ums Jahr 1000 einen Rechtsbezirk gegeben haben muss, der auf ein Marktgeschehen und damit auf die Anfänge der Stadtentwicklung hinweist. Heimatforscher Roland Manz verweist hier auf die großen wirtschafts- und machtpolitischen Linien jener Zeit: „Die Entwicklung der Stadt hängt vor allem mit dem Aufbau und der Sicherung der Salzstraße zusammen – Bad Reichenhall, München, Landsberg, Memmingen, Isny, Lindau über den Bodensee in die deutschsprachige Schweiz.“
Die nun freigelegten Fundamente sind durch neuere Grundmauern und Drainagen zwar gestört. Aber eines davon müsse auf den in den Archiven erwähnten Salzstadel, der 1631 abgebrannt ist, zurückgehen. Danach sei ein Stadel im Bereich der heutigen Post gebaut worden.
Die Bedeutung des Marktes, seine Entwicklung und der planmäßige Stadtausbau sind in der Isnyer Klosterchronik ausführlich beschrieben. Auch ist die geografische Grundstruktur der Urstadt mit Straßenverläufen und Gewässernähe (Stadtbach und Ach) typisch im Vergleich mit anderen Stadtgründungen im 12. Jahrhundert angelegt.
Keine Stadtmauer am Blaserturm Bereits 2016 stießen Archäologen bei Grabungen auf übermächtige Fundamente, die sie im Zusammenhang des Maueransatzes am Blaserturm als einstige Stadtmauer deuteten. „Diese Version kann nun definitiv ausgeschlossen werden, denn die Fortsetzung fehlt“, sagt SchmidHecklau. Die Archäologen sind jedoch sicher, die Fundamente des alten, imposanten Rathauses zumindest teilweise freigelegt zu haben.
Allerdings müsse dem alten Rathaus eine Befestigungsanlage an ungefähr gleicher Stelle vorausgegangen sein mit Fundamenten von 1,80 und an den Gebäudeecken mit bis drei Metern Stärke, erläutert Schmid-Hecklau weiter. Manz schreibt sie den Archivquellen entsprechend dem Amtshaus „Domum Ulrici“des Marktherren der Grafschaft von Bregenz-Montfort aus dem 13. Jahrhundert zu.
Archäologe und Heimatforscher gehen davon aus, dass das alte Rathaus wohl zum Teil auf den selben Fundamenten aufgebaut wurde. Das mächtige, gräfliche Gebäude sei auch als Stadt-Burg oder „Festes Haus“bezeichnet werden.
Interesse der Bürger erfreulich Schmid-Hecklau ist begeistert, dass sich Archive und Grabungsergebnisse ergänzen und zusammen ein fundiertes Gesamtbild ergeben. Mit seinem inzwischen fünfköpfigen Team freue er sich außerdem, dass vonseiten der Bevölkerung so viel Interesse besteht an den sichtbaren Details: Die große, sorgfältig verlegte Flussstein-Pflasterung an der Kante zur Bergtorstraße, die sich durch Funde dem ehemaligen Zollhaus aus dem 18. Jahrhundert zuordnen lässt.
Darunterliegend wurde eine Innenraum-Pflasterung aus Ziegelsteinen und Flusssteinen ausgemacht, die zum alten Rathaus gehörte. Brandschichten des großen Stadtbrandes von 1631 seien an verschiedenen Stellen überdeutlich, aber auch Brandschichten aus noch früheren Jahrhunderten.
Vor dem Torbogen zwischen Turm und Hallgebäude kamen die Betonfundamente der Stadtwaage aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts zu Tage.
Weiter westlich und unter dem linken Arkadenbogen des Hallgebäudes hat Archäologin Agnieszka Dulkiewicz den Schichtaufbau bis in die Tiefe von circa einem Meter gemalt und beschrieben: Gehwegplatte, moderne Betonschicht, Kiesfundament, Brandgeröll aus Erde, Holzkohle, Ziegelstücke, dann eine dünne, schwarze Brandschicht, Mörtelschicht, Lehmstörung mit Holzkohle vermischt und zuletzt gewachsener Boden.
Bei einer Tiefgrabung kam übrigens der bislang größte Metallfund zutage: Ein verrostetes, mit Anhaftungen noch recht unkenntliches Messer, in dem die Archäologen ein Fleischhauer-Beil vermuten.
Anfang Juli stattet auch der Arbeitkreis Heimatpflege SchmidHecklau und dessen Kollegen einen Besuch ab. Auch dabei verlieh der Grabungsleiter seiner Begeisterung Ausdruck und zeigte anhand von Bildern und Grabungsabschnitten die Anfänge der Stadtentwicklung.
Der jetzige Grabungsbereich sei im Unterschied zur südlichen Altstadt höher gelegen und trockener, weshalb weniger Holz, sondern vor allem die Keramikfunde, in geringerem Maße Metall und Münzen Aufschluss über die jeweilige Siedlungsepoche gäben. Brandspuren von vor 1631 Brandspuren gebe es am ganzen Marktplatz-Areal, nicht nur von 1631, dem Jahr des verheerenden Stadtbrandes, sondern auch aus dem 13. und 14. Jahrhundert. Nach SchmidHecklaus Einschätzung müsse der komplette Marktplatz archäologisch untersucht werden wegen der historischen Relevanz für die Anfänge der Stadtentwicklung. Dies erfordere noch einige Monate Arbeit. Besonders markante Stellen wollen die Archäologen schützen – damit sie in die Neugestaltung des Marktplatzes einbezogen werden könnten.