Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
So weit die Krücken tragen
Jochen Ade aus Sonthofen hat nur ein Bein. Dennoch will er auf dem Jakobsweg wandern
SONTHOFEN - Gestern waren die beiden wieder unterwegs: Paul Christ (64) aus Memmingen und sein Bergkamerad, der 56 Jahre alte Sonthofer Jochen Ade. Von Sonthofen gingen sie auf die Straußbergalpe. Eigentlich nichts Besonderes. Wäre da nicht die Behinderung von Ade: Er hat nur noch ein Bein. Und weil dem gelernten Elektroniker wegen einer Knochenkrebserkrankung das rechte Bein schon im Alter von zwölf Jahren sehr weit oben abgenommen wurde, kann er keine Prothese tragen. Deshalb also ist er stets mit Krücken in den Bergen unterwegs und zieht bewundernde Blicke anderer Bergwanderer auf sich.
Sie suchen einen Sponsor
Zufällig kennengelernt haben sich Christ und Ade vergangenes Jahr bei einer Wanderung auf den Mittag bei Immenstadt. Und weil sie in etwa im gleichen Tempo unterwegs waren, folgten weitere Touren auf Berge wie den Grünten oder den Hochgrat. Nur im schwierigen Gelände, in dem bereits leichte Kletterei gefragt ist, kommt Ade mit seinen Krücken nicht gut zurecht. Vor allem dann, wenn es glitschig oder nass ist. Jetzt sind die beiden innerhalb von nur zehn Tagen alle acht Touren der Sommeraktion unserer Zeitung „Auf geht‘s – wandern & gewinnen“gelaufen und haben die entsprechenden Stempel gesammelt. Christ hat bei den Wanderaktionen schon mehrmals mitgemacht: „Das spornt an und man lernt mal andere Ecken kennen.“Einmal war er auch bereits unter den glücklichen Gewinnern.
Auf der Straußbergalpe erzählt Ade bei einem Bier über die gemeinsamen Pläne: „Wir wollen nächstes Jahr den gesamten Jakobsweg wandern – bis ans Meer.“Das sind insgesamt 1000 Kilometer. Das Tagespensum von Ade mit seinen Krücken liegt bei 20 Kilometern. Und dann müsse er sich vielleicht auch einmal einen Ruhetag gönnen. Ein solches Projekt kostet Geld. Deswegen sind die beiden auf der Suche nach einem Sponsor, vielleicht aus der OutdoorBranche. Bisher aber vergeblich.
In erster Linie eine Kopfsache
Der aus Stuttgart stammende Ade hat eine ausgezeichnete Kondition und dies auch wiederholt bewiesen: Beispielsweise bei einer Fahrradtour quer durch Deutschland. Darüber berichtet der „Ein-Bein-Radler“(Ade über Ade) auf der Internet-Fotoplattform Instagram. Der 56-Jährige erzählt auf der Alpe über sein Leben: Als die heimtückische Krankheit bei ihm mit zwölf Jahren entdeckt wurde, überlegten die Ärzte nicht lange: „Wenige Tage später war das Bein ab“, berichtet Ade. Bis dahin habe er im Verein Handball gespielt. Damit war es von heute auf morgen vorbei. Doch er ließ sich nicht entmutigen: „Ich habe immer Sport gemacht.“Beim Behinderten-Schwimmen brachte er es immerhin zum deutschen Vizemeister, hätte sogar beinahe an den Paralympics teilgenommen. Beim Wandern und Skifahren genieße er die Natur, kommt Ade ins Schwärmen. Er sagt, ein Mensch mit einer solchen Behinderung lebe vielleicht bewusster. Mit Veröffentlichungen und Vorträgen über seine Touren will er insbesondere auch Mut machen – Behinderten und anderen Menschen: „Man setzt sich ein Ziel.“Es zu erreichen sei dann in erster Linie eine Kopfsache. Der 56-Jährige sagt: „Es reizt mich ungemein, Dinge anzugehen, die im ersten Moment für mich unmöglich erscheinen.“So wie der Jakobsweg.