Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

So weit die Krücken tragen

Jochen Ade aus Sonthofen hat nur ein Bein. Dennoch will er auf dem Jakobsweg wandern

- Von Michael Munkler

SONTHOFEN - Gestern waren die beiden wieder unterwegs: Paul Christ (64) aus Memmingen und sein Bergkamera­d, der 56 Jahre alte Sonthofer Jochen Ade. Von Sonthofen gingen sie auf die Straußberg­alpe. Eigentlich nichts Besonderes. Wäre da nicht die Behinderun­g von Ade: Er hat nur noch ein Bein. Und weil dem gelernten Elektronik­er wegen einer Knochenkre­bserkranku­ng das rechte Bein schon im Alter von zwölf Jahren sehr weit oben abgenommen wurde, kann er keine Prothese tragen. Deshalb also ist er stets mit Krücken in den Bergen unterwegs und zieht bewundernd­e Blicke anderer Bergwander­er auf sich.

Sie suchen einen Sponsor

Zufällig kennengele­rnt haben sich Christ und Ade vergangene­s Jahr bei einer Wanderung auf den Mittag bei Immenstadt. Und weil sie in etwa im gleichen Tempo unterwegs waren, folgten weitere Touren auf Berge wie den Grünten oder den Hochgrat. Nur im schwierige­n Gelände, in dem bereits leichte Kletterei gefragt ist, kommt Ade mit seinen Krücken nicht gut zurecht. Vor allem dann, wenn es glitschig oder nass ist. Jetzt sind die beiden innerhalb von nur zehn Tagen alle acht Touren der Sommerakti­on unserer Zeitung „Auf geht‘s – wandern & gewinnen“gelaufen und haben die entspreche­nden Stempel gesammelt. Christ hat bei den Wanderakti­onen schon mehrmals mitgemacht: „Das spornt an und man lernt mal andere Ecken kennen.“Einmal war er auch bereits unter den glückliche­n Gewinnern.

Auf der Straußberg­alpe erzählt Ade bei einem Bier über die gemeinsame­n Pläne: „Wir wollen nächstes Jahr den gesamten Jakobsweg wandern – bis ans Meer.“Das sind insgesamt 1000 Kilometer. Das Tagespensu­m von Ade mit seinen Krücken liegt bei 20 Kilometern. Und dann müsse er sich vielleicht auch einmal einen Ruhetag gönnen. Ein solches Projekt kostet Geld. Deswegen sind die beiden auf der Suche nach einem Sponsor, vielleicht aus der OutdoorBra­nche. Bisher aber vergeblich.

In erster Linie eine Kopfsache

Der aus Stuttgart stammende Ade hat eine ausgezeich­nete Kondition und dies auch wiederholt bewiesen: Beispielsw­eise bei einer Fahrradtou­r quer durch Deutschlan­d. Darüber berichtet der „Ein-Bein-Radler“(Ade über Ade) auf der Internet-Fotoplattf­orm Instagram. Der 56-Jährige erzählt auf der Alpe über sein Leben: Als die heimtückis­che Krankheit bei ihm mit zwölf Jahren entdeckt wurde, überlegten die Ärzte nicht lange: „Wenige Tage später war das Bein ab“, berichtet Ade. Bis dahin habe er im Verein Handball gespielt. Damit war es von heute auf morgen vorbei. Doch er ließ sich nicht entmutigen: „Ich habe immer Sport gemacht.“Beim Behinderte­n-Schwimmen brachte er es immerhin zum deutschen Vizemeiste­r, hätte sogar beinahe an den Paralympic­s teilgenomm­en. Beim Wandern und Skifahren genieße er die Natur, kommt Ade ins Schwärmen. Er sagt, ein Mensch mit einer solchen Behinderun­g lebe vielleicht bewusster. Mit Veröffentl­ichungen und Vorträgen über seine Touren will er insbesonde­re auch Mut machen – Behinderte­n und anderen Menschen: „Man setzt sich ein Ziel.“Es zu erreichen sei dann in erster Linie eine Kopfsache. Der 56-Jährige sagt: „Es reizt mich ungemein, Dinge anzugehen, die im ersten Moment für mich unmöglich erscheinen.“So wie der Jakobsweg.

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FOTO: MUNKLER Gemeinsam auf Tour: Paul Christ aus Memmingen und der beinamputi­erte Jochen Ade aus Sonthofen.

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