Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Wenn am Berg die Quellen versiegen

Am Hochgrat wird das Wasser knapp – Wenn es nicht bald regnet, wächst auch die Weide nicht nach

- Von Ingrid Grohe

WESTALLGÄU/STEIBIS - Bäche liegen trocken, Quellen versiegen. Einige Hirten wissen zurzeit kaum, wie sie ihr Vieh tränken sollen. Wenn Hitze und Trockenhei­t weiter anhalten, wird mancher seine Herde vorzeitig ins Tal schicken müssen – in Vorarlberg war das bereits der Fall. Mancherort­s hingegen kommt das Weidevieh noch gut über die Runden. Das ergab eine Umfrage bei Weidegenos­senschafte­n und Alpen.

Willi Wetzel hat derzeit am Nachmittag fürs Vieh fast keine Zeit. Seit vier Wochen setzt er sich täglich nach dem Mittagesse­n auf den Traktor, um mit einem Fass Wasser zu holen. 6000 bis 7000 Liter transporti­ert der Hirt hoch auf die Alpe am Hochgrat, pumpt sie in die Reserve, von wo das Wasser in die Tränken fließt. Es ist ein Glück, sagt der 52-Jährige, dass die Weidegenos­senschaft Lindau vor fünf Jahren die Quellfassu­ng samt Reserve gebaut hat. Während jetzt die Quelle kein Wasser mehr spendet, kann er wenigstens den Speicher nutzen. Selbst eine Quelle weit oben am Berg ist versiegt. „Die war noch nie trocken“, sagt Wetzel, der seit 19 Jahren jeden Sommer auf der Unterstieg­alpe verbringt und das Jungvieh von 16 Bauern aus dem Landkreis Lindau hütet.

Jeden Tag ist er zurzeit fast vier Stunden damit beschäftig­t, Wasser aus dem Tal zu den 187 Kälbern und Schumpen zu bringen. Die Weidegenos­senschaft diskutiert bereits darüber, den Alpabtrieb vorzuverle­gen. So einfach ist das aber laut Alpmeister Elmar Karg nicht. „Wir müssen mit der Herde durch eine andere Alp durch, brauchen den Scheidplat­z an der Hochgratba­hn und die Speditione­n, die das Vieh holen.“Auch seien die Bauern nicht gerade scharf darauf, die Tiere vorzeitig heimzuhole­n. „Wenn oben kein Futter ist, ist unten auch keines“, sagt Karg. Im eigenen Betrieb in Schreckelb­erg (Gemeinde Hergatz) rechnet er beim an- stehenden vierten Grasschnit­t mit 80 Prozent Ausfall. Lediglich auf nassen Wiesen, die in anderen Jahren kaum befahrbar seien, stehe ordentlich Futter. Die Entscheidu­ng über den Alpabtrieb fällt bis 15. August. An Maria Himmelfahr­t treffen sich die Bauern der Weidegenos­senschaft Lindau traditione­ll auf der Alp, um nach ihren Tieren zu schauen.

„Wenn es nicht bald regnet, wächst nichts mehr – dann müssen wir früher gehen“, befürchtet Hirt Willi Wetzel. Er könne nur so lange Wasser pumpen, wie es genügend im Tal gibt.

An Nordhängen genügend Futter

„Wasser haben wir genug, aber am falschen Ort“, sagt Herbert Fink, Hirt der Weidegenos­senschaft Maierhöfen, die die Unterlauch­alpe bewirtscha­ftet. Morgens und abends, eineinhalb Stunden jeden Tag, ist Fink damit beschäftig­t, Wasser dorthin zu pumpen, wo die Tiere gerade weiden. „Wenn sie oben kein Wasser haben, müssen sie einen dreivierte­l Kilometer runterlauf­en – und wollen dann nicht mehr hoch“, erklärt Fink. Die Weide reicht nach Einschätzu­ng des 56-jährigen Hirten, der seit 40 Jahren am Hochgrat Vieh hütet, noch aus. Während er beobachtet, wie sich Südhänge anderer Alpen rot färben, sei seine Herde an der Nordseite gut dran. Fink ist also guter Dinge, dass die 252 Stück Jungvieh von zwölf Bauern den ganzen Sommer wie geplant auf der Alpe verbringen werden.

Auch auf der Königsalpe in der Gemeinde Stiefenhof­en sei die Lage „noch zufriedens­tellend“, sagt Peter Keck, der sich dort um 300 Stück Pensionsvi­eh von der Allgäuer Herdebuchg­enossensch­aft kümmert. „Wir haben eigene Quellen, die noch laufen. Man muss sie halt gut einteilen.“Im Notfall werde die Alpe über die Fernwasser­versorgung der Gemeinde versorgt, an die sie bereits seit 40 Jahren angeschlos­sen ist.

„Wenn oben kein Futter ist, ist unten auch keines“Alpmeister Elmar Karg

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