Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Von Rauschbeeren und Wasserpalmen
„Natursommer 2018“: Mit Diplom-Biologe Stefan Hövel in den Mooren bei Isny unterwegs
ISNY - Der Diplom-Biologe Stefan Hövel lädt heute, Freitag, ein zu einer naturkundlichen Exkursion ins Taufach-Fetzach-Moos nahe des Isnyer Ortsteils Beuren. Treffpunkt ist um 19 Uhr am Wanderparkplatz in Hedrazhofen, zu finden kurz nach dem Ortsausgang von Beuren an der Straße in Richtung Friesenhofen. Die Abendwanderung findet statt im Rahmen des „Isnyer Natur-Sommers“(Termine siehe Kasten).
Wenn Hövel in die Natur geht, sieht das so aus, als wäre er auf einer Party zu Gast, auf der er jeden kennt: Lächelnd schlendert er durch die Reihen, prüft interessiert das Befinden, nickt freundlich und freut sich über jede einzelne Begegnung – egal ob mit Wollgras, Wachtelkönig oder Fieberklee.
Unlängst unternahm der amüsante Biologe eine Erkundungstour durch die Bodenmöser zwischen Eisenharz und Isny, um die Entstehung und Nutzung der Feuchtgebiete und Details zu ihren Bewohnern zu erklären. Moore gehören zu Hövels absoluten Lieblings-Lebensräumen: „Es ist unglaublich spannend, was hier los ist!“
Die ihn begleitende Gruppe starrt in die brachliegende, wild bewachsene Feuchtwiese. Am Rand ragen Schilfstängel empor, weiter hinten stehen Gräser und violette Blüten. Lebhaft wirkt das Plätzchen nicht – bis Hövel zwei Schritte vorwärts in die Wiese tritt: Plötzlich wirbeln Insekten auf, hüpfen, flattern oder krabbeln hastig davon. „Sehen Sie das?“, fragt Hövel und grinst. „Hier ist was los!“Dann bückt er sich: „Ach, schau an!“Blitzschnell grapscht er an einem grünen Stängel vorbei. Als er die Hand wieder öffnet, lugt eine verschreckte Sumpfschrecke hervor. „Die hab‘ ich hier ja schon länger nicht mehr gesehen. Das ist ja toll!“
Behutsam präsentiert er das grüne Tierchen mit orangenen Oberschenkeln, schwarzen Knien und brauner Suppe vor der Nase. „Jetzt spuckt sie. Das machen alle. Wollen Sie probieren?“Wie, probieren? Die braune Minipfütze? Nein – danke, ist sich die Gruppe einig. „Ist auch besser so. Das schmeckt nämlich bitter – soll Vögel abschrecken.“Klappt auch bei „Natur-Sommer“-Wanderern. Hövel lässt die Schrecke wieder frei.
Nach einer kurzen Einführung über Gletscher, aufgeschobene Seitenmoränen und den Untergrund ist auf dem lockeren Spaziergang alles über Hoch- und Niedermoore zu erfahren. Wie sie gemäht werden und wofür der Schnitt verwendet wird, wie sie überhaupt entstanden sind und wie viele es davon heute noch gibt.
Die Gruppe kommt nur langsam voran. Immer wieder biegt Hövel ab: Er zeigt Pflanzen, die rasseln können, Blätter, die Fieber senken, Orchideen, die ganz selten sind und Schilf, das vor Tausenden von Jahren hier zu wertvollem Torf zerfallen ist. Nach drei von sieben Kilometern stoppt die Gruppe und klettert behutsam auf federndes Plateau. „Früher hätten Sie hier nicht stehen können“, erzählt Hövel, „da war alles klatschnass.“Heute trägt die flauschige Schicht ihre Besucher problemlos.
Warum? Hövel macht ein Rätsel daraus: „Was sehen Sie? Was sehen Sie nicht? Wo stehen wir? Warum geht das überhaupt?“Schritt für Schritt führt er an den Aufbau des Untergrunds heran, bevor er plötzlich in eine kleine Senke steigt und gebückt ein freudiges „Hab ich dich!“ausruft. Mit einem sackartigen Pflanzenbüschel kehrt er zurück. „Was ist das?“Stille. „Wonach sieht es denn aus?“Jetzt traut sich einer: „Moos?“„Genau – so ähnlich“, ermuntert der Naturexperte. „Torfmoos – das hat drei ganz brutale Eigenschaften.“
Brutal? Das Pflänzchen sieht doch aus wie lauter verkeilte Minipalmen. Bis Hövel seine Hand zusammenquetscht. Nach allen Seiten spritzt das Wasser. „Sehen Sie? Diese Pflanze kann 30 mal so viel Wasser speichern, wie ihr eigenes Trockengewicht.“Auch noch „brutal“: Torfmoos hat keine Wurzeln, wächst jedes Jahr nur einen Millimeter und macht Konkurrenten dazu noch das Terrain madig: „Es macht die Umgebung sauer, damit nichts anderes wachsen kann.“
Anderswo wachsen aber sehr wohl Pflanzen. Entwässerungskanäle machen es möglich, dass wenige Schritte weiter Blaubeeren an einem Mini-Strauch baumeln. Oder? „Wollen Sie probieren?“, fragt Hövel. Kopfschütteln. „Gut so – nie etwas essen, bei dem man sich nicht sicher ist. Das sind Rauschbeeren.“Klingt unterhaltsam, die sind aber giftig. „Bis zur toxischen Wirkung müssten Sie aber sehr viele davon essen.“Hövel grinst wieder.
Durch Wälder schlendernd und an Wiesen entlang erreichen die Spaziergänger die Bodenmöser vor Isny, im Sonnenuntergang leuchten die Stadttürme von Ferne, dahinter die dunklen Höhenzüge der Adelegg. Die Gedanken hängen den kleinen Geschichten von Stefan Hövel nach, die den Blick auf die Natur verändern – und immer neue Fragen aufwerfen: Was ist das hier für eine Blüte? Welcher Vogel singt denn da? Was riecht hier so nach Minze? Der Diplom-Biologe antwortet geduldig, bis das Kurhaus im Stadtpark erreicht ist, wo der „Natur-Sommer“Abend ein harmonisches Ende nimmt.