Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Melancholisches Abschlusskonzert in Isny
Meisterkurs „Dirigieren und Chorsingen“des Dirigenten Jan Scherer brilliert in der Nikolaikirche
ISNY - Jan Scherer, europaweit renommierte Chordirigent und Hochschullehrer in Kopenhagen, präsentiert seit einigen Jahren das Abschlusskonzert seines Meisterkurses in der Nikolaikirche. Es seien weniger seine familiären Wurzeln in Isny, weshalb er mit seinen rund 30 Meisterkurs-Studenten zum Abschluss der einwöchigen intensiven Schulung hierherkomme, sondern wegen der phänomenalen Akustik in der Nikolaikirche, in der kein Ton verloren gehe, auch nicht der leiseste und feinste Ton. „Diese Kirche ist absolut chorgeeignet“, urteilt der Profi.
Studenten aus Skandinavien
Seine Studenten kommen fast alle aus skandinavischen Ländern: Schweden, Finnland, Norwegen und Dänemark. Sie haben ein Musikstudium hinter sich, arbeiten als Musiklehrer und Dirigenten oder singen in Profi-Chören. Gemeinsames Ziel sei, ihre musikalische Qualität im Zusammenspiel von Dirigat und Chor zu vervollkommnen, erklären zwei aus ihren Reihen.
An Scherers Meisterkurs teilnehmen zu können sei ein Privileg. An sechs Tagen werde jeweils sieben Stunden hart gearbeitet, und das Ergebnis könne sich sehen beziehungsweise hören lassen, behaupten sie stolz.
„Erwarten Sie bitte kein Konzert, das dem hochsommerlichen Urlaubswetter entspricht, wir muten ihnen melancholische, aber hoffentlich auch erstklassige Kost zu – ein geistliches Konzert, das eher in den November passen würde, zum Ewigkeitsund Allerseelen-Sonntag“, sagte Scherer zur Einstimmung der rund 100 Besucher.
Im ersten Teil sangen die Männer geistliche Werke des Dänen Bernhard Lewkovitch, sprechend und singend im Dialog, klagend über erfahrenes Leid, jubilierend über Trost und Ewigkeitshoffnung. Lohnend auch dem Dirigenten Scherer zuzusehen, wie er sich dem Chor und jedem Einzelnen mit ausdrucksvoller Körpersprache zuwendet. „Jede Bewegung hat Auswirkungen auf die Chorqualität“, sagt eine Sängerin überzeugt.
Im Hauptteil, Hugo Distlers „Totentanz“, kamen Scherers DirigatStudenten abwechselnd zum Zug. Grundlage dieser gesprochenen und gesungenen Komposition ist der Bilderzyklus aus der Marienkirche in Lübeck, der leider im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. Die Texte dazu stammen von Angelus Silesius.
Der Tod lädt ein zum Tanz
Der Tod lädt ein: „Zum Tanz, zum Tanze reiht Euch ein, Kaiser, Bischof, Bürger, Bauer, Arm und Reich und Groß und Klein, heran zu mir! Hilft keine Trauer. Wohl dem, der rechter Zeit bedacht, viel gute Werk vor sich zu bringen, der seiner Sünd sich los gemacht – heut heißt’s: Nach meiner Pfeife springen.“Alle sozialen, bürgerlichen und kirchlichen Schichten müssen vor dem göttlichen Richterstuhl erscheinen, vom Kaiser, der seine hohe Stellung missbraucht hat für den eigenen Vorteil, bis zum einfachen Landmann, der sich schöpfungsgemäß mit guten Werken das ewige Leben verdient hat.
Für die Dirigenten war diese Komposition ein höchst anspruchsvolles Programm, das den Zuhörer existenziell in der Tiefe der Seele zu berühren vermochte. Johann Sebastian Bachs Vertonung des Prophetenwortes (Jesaja 43,2) war dann zum Abschluss die wohltuende, angstfreie Auflösung und Antwort des Evangeliums: „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein.“