Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Notfallpläne gegen den Blackout
Die Stromversorgung war im Land offenbar unsicherer als bekannt – Bis vergangene Woche herrschte Warnstufe 1
RAVENSBURG - Durch die extreme Hitze und Trockenheit in diesem Sommer ist die Stromversorgung offenbar unsicherer gewesen als bislang bekannt. „Wir haben nicht groß darüber gesprochen, um keine Panik zu schüren. Aber wenn wir die Photovoltaikanlagen nicht hätten, wäre der Strom in diesem Sommer rationiert worden“, sagte Helmut Hertle, Geschäftsführer der TWS Netz, der „Schwäbischen Zeitung“. „Bis vor einer Woche herrschte Warnstufe 1.“Der kommunale Energieversorger mit Sitz in Ravensburg hat Notfallpläne in der Schublade, die bei einer weiteren Stromverknappung zum Tragen gekommen wären.
Obwohl in der Ferienzeit der Stromverbrauch in der Region insgesamt zurückgeht, weil einige Unternehmen Betriebsferien machen und viele Menschen verreist sind, gibt es Spitzen zur Mittagszeit, wenn die Kühlsysteme und Klimaanlagen auf Hochtouren laufen. Gerade in dieser Zeit kann es dann vorkommen, dass Energie knapp wird.
In Baden-Württemberg, das im Vergleich zu anderen Bundesländern nur wenige Kraftwerke hat, kann die Drosselung dieser Anlagen schneller zu Engpässen führen als anderswo. Die Atom- und Kohlekraftwerke, die gleichermaßen auf Kühlung angewiesen sind, mussten ihre Produktion drosseln, um die überhitzten Flüsse nicht noch mehr aufzuheizen. Auch Wasserkraftwerke konnten bei extrem niedrigen Pegelständen nur noch wenig Strom produzieren.
Hinzu kommt: Die Windräder standen in diesem Sommer ebenfalls häufig still: Wenn die Luftmassen über Europa gleichmäßig aufgeheizt sind – von Skandinavien bis Portugal – kommt der Wind in einer stabilen Hochdrucklage praktisch zum Erliegen. „Ohne die Photovoltaikanlagen hätten wir ein massives Problem gehabt“, so Helmut Hertle. Laut dem baden-württembergischen Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) haben diese Anlagen während der Hitzeperiode bis zu 40 Prozent des Tagesbedarfs an Strom geliefert.
Ein dreistufiges Warnsystem regelt landesweit, wie die Stromversorger auf eine Verknappung reagieren müssen. Nach Aufrufen an die Bevölkerung, Strom zu sparen, stehen am Ende in Warnstufe 3 zeitweise Abschaltungen ganzer Gebiete. Das läuft laut Hertle nach dem Zufallsprinzip: Das Land sei in zwölf Regionen unterteilt, die dann tagsüber nacheinander für jeweils zwei Stunden abgeschaltet werden müssten. „Und zwar alle. Egal ob Privathaushalt oder produzierender Betrieb, egal ob Omira, Andritz Hydro oder Krankenhaus.“Der wirtschaftliche Schaden für die Betroffenen kann enorm sein. „Gerade in der Lebensmittelherstellung ist es nicht so toll, wenn die Kühlung ausfällt“, sagt Hertle.
Nach zwei Stunden würde der Strom in diesem Notfallplan wieder eingestellt, und die nächste Region sei an der Reihe. Da die Abschaltungen wahrscheinlich nur zwischen 6 und 22 Uhr erfolgen müssten, da nachts kaum Strom verbraucht wird, wären die Regionen bei tagelang andauernden Rationierungen zu unterschiedlichen Zeiten vom Netz getrennt. Der Zeitplan würde vorher bekannt gegeben.
Eigene Messwarte aufbauen
Die TWS wollen mittelfristig, also innerhalb der nächsten fünf Jahre, eine eigene Mess- und Schaltwarte aufbauen, sagt Geschäftsführer Andreas Thiel-Böhm. „Über diese Leitstelle könnten wir bestimmte Bereiche von einem Blackout ausklammern.“Es wäre zum Beispiel sinnvoll, Betriebe mit Notstromaggregaten am Netz zu lassen, damit diese ihre Generatoren dazu nutzen, zusätzlichen Strom in den Kreislauf einzuspeisen. Schon vorher, also in Warnstufe 2, würden die TWS dann diese Betriebe bitten, ihre eigene Stromerzeugung anzuschalten.
Thiel-Böhm und Hertle wollen keine Angst vor Katastrophen schüren: „Das sind Szenarien, die wir hoffentlich nie erleben werden.“Andererseits würden die sogenannten Jahrhundertsommer neuerdings mehr als einmal im Jahrhundert vorkommen. Die TWS-Geschäftsführer betonen gleichzeitig, dass die EEGUmlage, also die Finanzierung des Ausbaus der erneuerbaren Energien, eben doch gut angelegt sei. „Der Ausbau der erneuerbaren Energien hat das Netz so weit stabilisiert, dass wir jetzt keinen Engpass haben“, meint Thiel-Böhm. Vor 15 Jahren, im Supersommer 2003, habe das noch anders ausgesehen. Damals sei das Land nur knapp am Blackout vorbeigeschrammt.