Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Lkw und Traktoren ermüden Brücken
In Kempten und im Oberallgäu müssen zahlreiche Bauwerke saniert werden
KEMPTEN/OBERALLGÄU - Es gibt Bilder, die im Kopf haften bleiben. Das Bild der eingestürzten Autobahnbrücke in Genua zählt dazu. So etwas sei bei uns in der Region nicht vorstellbar, sind sich Baufachleute einig. Es gebe ein ausgeklügeltes Prüfsystem für Brücken. Weit mehr als 500 Bauwerke gibt es in Kempten und dem Oberallgäu, schätzt Klement Anwander von der Konstruktionsgruppe Bauen in Kempten. Der Diplom-Ingenieur sagt: „Die Wahrscheinlichkeit, dass so etwas wie in Genua bei uns passiert, geht gegen Null.“Dennoch sind auch hier neben größeren auch kleine Bauwerke beschädigt, manche stark.
Vor einiger Zeit habe anderswo im Allgäu der Hänger eines Traktors eine kleine Brücke zum Einstürzen gebracht. „Er war mit Kies beladen“, sagt Anwander. Verletzt wurde niemand. Das Problem sei aber, dass oftmals wissentlich mit zu schweren Fahrzeugen selbst über „Mini-Brücken“gefahren wird. „Wenn dann etwas passiert, haftet der Fahrer persönlich“, sagt Anwander.
Solch eine Mehrbelastung beschleunige die Alterung der Übergänge, die in der Regel eine Lebensdauer von 80 bis 100 Jahren haben. Insgesamt, sagt der Ingenieur, haben die Schwertransporte stark zugenommen und belasten die Brücken mehr als früher: Die Lkw werden größer und schwerer und auch die Traktoren. Die viel von Traktoren befahrene 100 Jahre alte Brücke bei „Willers Säge“in Wertach wurde deshalb vor Kurzem gesperrt. Sie wird bald erneuert. Jetzt dürfen nur noch Radler und Fußgänger drüber.
In der Regel sind Gemeinden, Stadt, Landkreis oder der Staat für die Sicherheit der Brücken zuständig. Und da gibt es einiges zu tun. Mit die schlechtesten Bewertungen in Kempten haben die Hirschdorfer Illerbrücke, die Fußgängerbrücke über den Heussring sowie die Brücke des Schuhmacherrings über die Füssener Straße.
Einen Neubau wird es wahrscheinlich in den nächsten fünf Jahren in Hirschdorf geben, dort ist eine Sanierung laut dem Kemptener Tiefbauamtsleiter Markus Wiedemann unwirtschaftlich.
Die Standsicherheit des Geh- und Radwegs über den Heussring hat schlechte Noten erhalten, die Brücke wird nächstes Jahr neu geplant und wohl ersetzt. Eine schlechte Note bedeute nicht, „dass die Brücke nächste Woche zusammenbricht. Schon aber, dass wir handeln müssen.“
Ebenfalls in schlechtem Zustand sind laut Staatlichem Bauamt Kempten bei den Bundesstraßen etwa die B 308 über die Bad Oberdorfer Straße in Bad Hindelang sowie die B-308-Brücke über den Egg-Bach am Oberjoch. Meistens, sagt der beim Staatlichen Bauamt zuständige Harry Pittroff, liegt das Problem in rostendem Stahl, der den Beton absprengt und dann noch schneller rostet. Die Kemptener Sankt-MangBrücke dagegen sei zu schmächtig für den Verkehr und deshalb übergangsweise nachgerüstet worden. Nun werde ein Neubau geplant.
Autobahnbrücken unbedenklich
Die großen Autobahnbrücken der Region – über Rottach- und Wertachtal sowie über die Iller bei Waltenhofen – sind laut Roswitha Schömig von der Autobahndirektion in unbedenklichem Zustand. Dort liege die Hauptbelastung im zunehmenden Schwerlastverkehr und dem Streusalz, das den Rostvorgang beschleunige.
In Kempten gibt es laut Wiedemann 140 Brücken. „In Altusried dürften es um die 60 sein, in Oberstdorf 50“, sagt Anwander. In Waltenhofen laut Tiefbauamtsleiter Georg Schweiger 23. Er weiß das genau, weil die sechsjährliche Hauptprüfung vor Kurzem war. Nun gibt es ein Sanierungsprogramm. Das sei nicht in jeder Gemeinde üblich, weiß Anwander. Er appelliert an die Sorgfaltspflicht. „Wenn etwas passiert, wird ein Schuldiger gesucht und bei unserer Gesetzeslage findet man auch einen.“Die Brücken der Bahn werden ebenfalls „nach klar definierten Regeln und Fristen von speziell ausgebildeten Ingenieuren und Fachkräften begutachtet“, sagt ein Bahnsprecher.