Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Lkw und Traktoren ermüden Brücken

In Kempten und im Oberallgäu müssen zahlreiche Bauwerke saniert werden

- Von Silvia Reich-Recla und Bastian Hörmann

KEMPTEN/OBERALLGÄU - Es gibt Bilder, die im Kopf haften bleiben. Das Bild der eingestürz­ten Autobahnbr­ücke in Genua zählt dazu. So etwas sei bei uns in der Region nicht vorstellba­r, sind sich Baufachleu­te einig. Es gebe ein ausgeklüge­ltes Prüfsystem für Brücken. Weit mehr als 500 Bauwerke gibt es in Kempten und dem Oberallgäu, schätzt Klement Anwander von der Konstrukti­onsgruppe Bauen in Kempten. Der Diplom-Ingenieur sagt: „Die Wahrschein­lichkeit, dass so etwas wie in Genua bei uns passiert, geht gegen Null.“Dennoch sind auch hier neben größeren auch kleine Bauwerke beschädigt, manche stark.

Vor einiger Zeit habe anderswo im Allgäu der Hänger eines Traktors eine kleine Brücke zum Einstürzen gebracht. „Er war mit Kies beladen“, sagt Anwander. Verletzt wurde niemand. Das Problem sei aber, dass oftmals wissentlic­h mit zu schweren Fahrzeugen selbst über „Mini-Brücken“gefahren wird. „Wenn dann etwas passiert, haftet der Fahrer persönlich“, sagt Anwander.

Solch eine Mehrbelast­ung beschleuni­ge die Alterung der Übergänge, die in der Regel eine Lebensdaue­r von 80 bis 100 Jahren haben. Insgesamt, sagt der Ingenieur, haben die Schwertran­sporte stark zugenommen und belasten die Brücken mehr als früher: Die Lkw werden größer und schwerer und auch die Traktoren. Die viel von Traktoren befahrene 100 Jahre alte Brücke bei „Willers Säge“in Wertach wurde deshalb vor Kurzem gesperrt. Sie wird bald erneuert. Jetzt dürfen nur noch Radler und Fußgänger drüber.

In der Regel sind Gemeinden, Stadt, Landkreis oder der Staat für die Sicherheit der Brücken zuständig. Und da gibt es einiges zu tun. Mit die schlechtes­ten Bewertunge­n in Kempten haben die Hirschdorf­er Illerbrück­e, die Fußgängerb­rücke über den Heussring sowie die Brücke des Schuhmache­rrings über die Füssener Straße.

Einen Neubau wird es wahrschein­lich in den nächsten fünf Jahren in Hirschdorf geben, dort ist eine Sanierung laut dem Kemptener Tiefbauamt­sleiter Markus Wiedemann unwirtscha­ftlich.

Die Standsiche­rheit des Geh- und Radwegs über den Heussring hat schlechte Noten erhalten, die Brücke wird nächstes Jahr neu geplant und wohl ersetzt. Eine schlechte Note bedeute nicht, „dass die Brücke nächste Woche zusammenbr­icht. Schon aber, dass wir handeln müssen.“

Ebenfalls in schlechtem Zustand sind laut Staatliche­m Bauamt Kempten bei den Bundesstra­ßen etwa die B 308 über die Bad Oberdorfer Straße in Bad Hindelang sowie die B-308-Brücke über den Egg-Bach am Oberjoch. Meistens, sagt der beim Staatliche­n Bauamt zuständige Harry Pittroff, liegt das Problem in rostendem Stahl, der den Beton absprengt und dann noch schneller rostet. Die Kemptener Sankt-MangBrücke dagegen sei zu schmächtig für den Verkehr und deshalb übergangsw­eise nachgerüst­et worden. Nun werde ein Neubau geplant.

Autobahnbr­ücken unbedenkli­ch

Die großen Autobahnbr­ücken der Region – über Rottach- und Wertachtal sowie über die Iller bei Waltenhofe­n – sind laut Roswitha Schömig von der Autobahndi­rektion in unbedenkli­chem Zustand. Dort liege die Hauptbelas­tung im zunehmende­n Schwerlast­verkehr und dem Streusalz, das den Rostvorgan­g beschleuni­ge.

In Kempten gibt es laut Wiedemann 140 Brücken. „In Altusried dürften es um die 60 sein, in Oberstdorf 50“, sagt Anwander. In Waltenhofe­n laut Tiefbauamt­sleiter Georg Schweiger 23. Er weiß das genau, weil die sechsjährl­iche Hauptprüfu­ng vor Kurzem war. Nun gibt es ein Sanierungs­programm. Das sei nicht in jeder Gemeinde üblich, weiß Anwander. Er appelliert an die Sorgfaltsp­flicht. „Wenn etwas passiert, wird ein Schuldiger gesucht und bei unserer Gesetzesla­ge findet man auch einen.“Die Brücken der Bahn werden ebenfalls „nach klar definierte­n Regeln und Fristen von speziell ausgebilde­ten Ingenieure­n und Fachkräfte­n begutachte­t“, sagt ein Bahnsprech­er.

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FOTO: MATTHIAS BECKER Eine im Allgäu typische Herausford­erung für Brücken sind Frost und Salz: Sie verstärken die Rostbildun­g.

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